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50 Jahre Documenta Kassel

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Die wichtigste Kunstschau feiert Geburtstag - Vor 50 Jahren wurde in Kassel die erste Documenta eröffnet

Kassel (ddp). Sie gilt als eine «Olympiade der Kunstwelt»: Wer in der Kunstszene zu Rang und Namen kommen will, sollte wenigstens einmal bei einer Documenta dabei gewesen sein. Als vor 50 Jahren, am 15. Juli 1955, die erste Kasseler Weltkunstschau ihre Tore öffnete, war das noch nicht abzusehen.

Eigentlich wollte Kunstprofessor Arnold Bode (1900-1977) nur so etwas wie Vergangenheitsbewältigung betreiben. In der Ruine des Fridericianums zeigte er Werke moderner Meister wie Picasso oder Mondrian, die von den Nazis als «entartet» gebrandmarkt worden waren. Ein einmaliges Projekt sollte das sein, als Rahmenprogramm zur Bundesgartenschau. Doch es kam anders. Im Jahr 2007 wird die Documenta zum zwölften Mal öffnen.

Die Schau gilt heute als eines der wichtigsten Kunstereignisse weltweit. Die Besucherzahl kletterte von 130 000 im ersten Jahr auf 650 000 bei der Documenta 11 des Jahres 2002. Zu ihrem Geburtstag präsentiert sich die Institution ungewohnt volksnah. Wenn sich am Freitag die Eröffnung der ersten Kasseler Weltkunstschau zum 50. Mal jährt, wird das mit Bier und Bratwurst gefeiert.

«Wir machen ein klassisches Sommerfest, ganz ohne Ansprachen", sagt Documenta-Sprecherin Beate Anspach. Die Historie der Weltkunstausstellung wird nur spielerisch gewürdigt - mit einem Preisrätsel. Die ernsthafte Auseinandersetzung bleibt der großen Jubiläumsausstellung vorbehalten, die vom 1. September bis 20. November in der Kunsthalle Fridericianum zu sehen sein wird.

«Die Geschichte der Documenta ist voller Widersprüche und Brüche, in denen sich unterschiedliche künstlerische und kuratorische Leidenschaften, Philosophien und Theorien ebenso spiegeln wie politische und gesellschaftliche Zeitströmungen», heißt es in der Ankündigung. Kurator Michael Glasmeier holt für die Retrospektive mehr als 60 Kunstwerke aller elf bisherigen Documenta-Ausstellungen nach Kassel zurück - darunter Arbeiten von Joseph Beuys, Robert Capa und Paula Modersohn-Becker.

Die Entwicklung der Weltkunstschau soll mit Fotos, Filmen, Programmen und Statements aus den Beständen des Kasseler Documenta-Archivs aufgearbeitet werden. Zudem wurden junge Künstler beauftragt, sich mit jeweils einer Documenta künstlerisch auseinander zu setzen.

«Es geht uns nicht um eine Erinnerungsausstellung», sagt Glasmeier. «Es geht um den produktiven Umgang mit einer Institution, welche die Aufgabe hat, das jeweilige Heute zu reflektieren.» Denn die Documenta war immer mehr als nur ein Überblick über die jeweils aktuelle Kunstszene. 1972 hielt unter dem provokanten Motto «Kunst ist überflüssig» der politische Anspruch Einzug. Fünf Jahre später waren erstmals auch Künstler aus der DDR mit von der Partie - bis dahin blieben sie ausdrücklich ausgeschlossen.

Und als im Jahre 2002 mit Okwui Enwezor der erste Nicht-Europäer zum Kurator berufen wurde, versuchte er mit weltweiten Diskussionsplattformen zum Thema «Postkolonialismus» die Kasseler Ausstellung zum globalen Ereignis zu machen. Vom Umgang mit der Nazi-Vergangenheit über die 68er-Generation und den Kalten Krieg bis zur Globalisierung - auch das ist die Documenta.

Der Kunstkritiker und Theoretiker Roger M. Buergel, der zum Chef der bevorstehenden Documenta 12 vom 16. Juni bis 23. September 2007 berufen wurde, will die Anbindung der Schau an weltweite Debatten weiter vorantreiben. Der 42-Jährige ist bereits in einen Austausch mit den Redaktionen von 70 Kunstzeitschriften in aller Welt eingetreten. Sie sollen ihm bei der Auswahl der Künstler helfen.

Die Ergebnisse der Diskussionen will er in drei Publikationen zusammenfassen, die im Frühjahr und Herbst 2006 sowie im Frühjahr 2007 erscheinen sollen. «Diese Zeitschrift der Zeitschriften ist eine Arena der ästhetischen Diskurse der Welt», sagt der Kurator. «Aus dem Dialog der Redaktionen mit der Documenta 12 wächst auch ein Teil der Ausstellung in Kassel.»

Joachim F. Tornau

http://www.documenta.de