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Die von Fritz Cremer geschaffene Plastik auf dem Ettersberg nahe Buchenwald soll auch künftige Generationen an die Gräueltaten des Dritten Reiches erinnern. Deshalb wird sie jetzt saniert.
Weimar (ddp-lth). Die Fahne flattert im Wind - seit 44 Jahren. Genau das ist zum Problem geworden. Bei jedem Luftstoß - und auf dem Ettersberg weht fast täglich eine kräftige Brise - ist zu befürchten, dass der Fahnenträger davon fliegt. Sie ist in die Jahre gekommen - die Cremer-Plastik vor dem Glockenturm im Ehrenhain Buchenwald. Statiker sagen gelegentlich im Spaß: "Manche Dinge halten nicht aus statischen Gründen, sondern nur aus Gewohnheit."Das von Fritz Cremer (1906 - 1993) geschaffene Denkmal mit seinen elf heroischen Figuren trotzt - rein äußerlich - noch immer den Gefahren, ist innen aber "völlig marode". So drastisch beschreibt Walter Mönch, Verwaltungsdirektor der Gedenkstätte Buchenwald, den Zustand. Aufsteigende Nässe und Risse haben dem Denkmal zugesetzt. Wie es um die Plastik bestellt ist, hat jetzt ein medizinisches Gutachten ergeben. "Wir haben die Figuren mit einer Spezialkamera, die bei Operationen verwandt wird, untersuchen lassen", sagt Mönch. Jetzt liegt die "Krankenakte" vor und die Diagnose lautet: Exitus. Die übermannshohen und hohlen Bronzefiguren sind innerlich vom Rost zerfressen und müssen komplett saniert werden.
Diese Arbeiten beginnen, so beschreibt der Verwaltungsdirektor den Zeitplan, nach den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald. "Ende Mai", so schätzt Mönch. Dabei wird die gesamte Figurengruppe abgebaut. Da diese aus einem Guss besteht, wird es "eine Aktion, vor der die Experten bereits heute Angst haben, weil man nicht weiß, ob die Figuren eine Demontage überleben. Das Ganze muss also ganz, ganz vorsichtig geschehen", beschreibt Mönch den geplanten Abbau. Nicht auszuschließen sei, dass einzelne Figuren dabei auch zerbrechen, so kaputt sei das Ensemble. Die Metallrestauratoren könnten dies aber wieder reparieren. Der "Krankheitszustand der Bronze-Patienten" hat auch dazu geführt, dass nicht die Werkstatt in Berlin beauftragt wurde, die einstmals die Helden erstellte, sondern eine in Weimar. Die Fachleute sind sich sicher: Einen weiten Transport überlebt die Plastik nicht.
Abgebaut kommt sie in Weimar in eine leerstehende Industriehalle, behutsam eingelagert in Sandbetten. Die eigentliche Restaurierung wird gut zwei Jahre dauern - unter Obhut des Landesamtes für Denkmalpflege. Noch in diesem Jahr sollen die Arbeiten auch am Sockel beginnen. Spätestens 2005 werden die Besucher des Ehrenhains die Cremer-Figuren - dann in heller Bronze strahlend - wieder auf ihrem angestammten Platz sehen können. Bis dahin werden vier großformatige Fotos an die Kämpfer-Gruppe erinnern. Für die Sanierung ist rund eine Million Euro eingeplant. In diesem und nächstem Jahr fließen zunächst jeweils rund 180 000 Euro. "Der große Brocken wird für die letzten Arbeiten und vor allem auch die Wiederaufstellung gebraucht", meint Walter Mönch.
Hatte Fritz Cremer bei der Erschaffung seines Widerstands-Denkmals jahrelangen Streit mit den führenden Genossen des DDR-Staates über das von ihnen gewollte monumental-trutzige Aussehen, so gab es jetzt um die Frage, soll ein solches staatstragendes Denkmal überhaupt saniert werden, keine größeren Auseinandersetzungen. "Es ist ein Stück Zeitgeschichte, ein Dokument und es gehört seit mehr als vier Jahrzehnten auf den Ettersberg", so Mönch. Die Gedenkstätte zählt pro Jahr rund 600 000 Besucher. Und dann erzählt der Verwaltungschef doch noch eine kleine Episode, von der er meint, sie sei ganz nett, aber wohl nicht ganz so ernst zu nehmen. So warf die Witwe von Fritz Cremer, eine alte Dame in den Achtzigern, unlängst in die Diskussion ein: "Mein Mann hat einmal gesagt, das Denkmal ist für die Befreier von Buchenwald gedacht - wenn sie in die Jahre gekommen sind, ist es auch das Monument. Vielleicht hat er es für die Verwitterung geschaffen."
Antje Kring