Hamburg - So locker geht eher selten zu bei klassischen Konzerten der Hamburger Elbphilharmonie. Zahlreiche Zuhörer wuseln um und auf der Bühne herum, andere schlafen seelenruhig auf ihren Plätzen. Allerdings ist das Publikum auch eher ungewöhnlich, viele Zuhörer sind gerade ein Jahr alt. Mit den sogenannten Elfi-Babykonzerten bietet die Elbphilharmonie eine neuartige Reihe mit klassischer Musik für Schwangere und Eltern mit Kleinkindern.
«Ich gehe gerne ins Konzert, mit Kind geht das aber schlecht», sagt Mareike Lauf, die mit ihrer neun Monate alten Tochter Riekje zum Babykonzert gekommen ist. Über das Programmheft des Konzerthauses hat die 29-jährige Mutter von der neuen Veranstaltungsreihe erfahren. «Das ist wirklich mal was anderes, deshalb habe ich auch gleich meinen zwei Freundinnen mit ihren Babys Karten geschenkt», sagt Lauf.
An jeweils drei Nachmittagen vor Weihnachten spielen die Streicher des Ensemble Resonanz für die Kinder und ihre Eltern Klänge von Mozart bis Bach. «Junge Eltern verzichten oft jahrelang auf Konzertbesuche», sagt der Leiter des Education Programms der Elbphilharmonie Konzerte, Christoph Becher. Für viele seien die Kosten für Konzertkarten und einen Babysitter zu hoch. «Wir haben da eine Lücke gesehen und wollten etwas anbieten, zu dem die Eltern ihre Kinder mitbringen können.»
Das Angebot richtet sich aber nicht nur an Eltern und Kinder, sondern auch an Schwangere. Für diese sei klassische Musik besonders wohltuend, heißt es in der Programmankündigung des Konzerthauses. Das Erleben und Empfinden der damit verbundenen positiven Emotionen übertrage sich auf das Kind. Bei dem Ungeborenen löse das Hören klassischer Musik Gefühle aus, die eine positive Wirkung auf dessen Entwicklung hätten.
Das Besondere an den «Elfi»-Babykonzerten ist zudem, dass die Musiker zu den Menschen in die unterschiedlichen Stadtteile kommen, da der Anfahrtsweg für Familien in dieser Lebensphase oft besonders anstrengend und schwierig sei. Gespielt wird in zentralen Bürger- und Kulturhäusern. Der Preis pro Karte liegt bei vier Euro und beinhaltet zusätzlich eine Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr. Das ist Becher zufolge dennoch kostendeckend. «Wir haben vor allem kinderreiche Stadtteile ausgewählt», sagt Becher. Der Schwerpunkt liege zudem auf sozial schwierigeren Stadtteilen, denn «das gut situierte Bürgertum kommt sowieso ins Konzert».
Auch für eine familienfreundliche Logistik ist bei den Babykonzerten gesorgt. Im Foyer finden sich Kinderwagen-Stellplätze und Wickelkommoden. Bevor es an diesem Nachmittag losgeht, herrscht noch etwas Unruhe im Saal. Vor der Bühne ist ein großer Bereich mit Krabbelmatten eingerichtet worden, damit die Babys freien Blick auf die Musiker und ihre Instrumente haben. Rund 150 Mütter, Väter und Kinder haben sich versammelt. Dann ertönt die Musik, und mit dem Gewusel ist es vorerst vorbei. Gebannte Blicke gehen zur Bühne. Später nimmt die Konzentration dann doch etwas ab und die Kleinen kriechen wieder umher, um die spannenden Instrumente in Augenschein zu nehmen.
«Das ist völlig okay, wenn die Kinder auf die Bühne krabbeln«, sagt Geiger Gregor Dierck. »Natürlich erfordert das eine höhere Konzentration, schließlich müssen wir auch noch gegen einen hohen Lärmpegel anspielen.« Trotzdem sei das »nicht viel anstrengender als sonst«. Auch Diercks zweieinhalb Jahre alte Tochter Klara ist dabei. »Ich finde das eine tolle Sache für Kinder und will auf jeden Fall weitermachen«, sagt der Musiker.
»Die Resonanz war einfach fantastisch«, sagt Becher. Die Konzerte seien »hervorragend angelaufen« und hätten alle Erwartungen übertroffen. »Das war mehr als wir erträumt haben.« Bereits im Vorverkauf sei eines der Konzerte ausverkauft gewesen. Im nächsten Jahr soll es weitergehen. »Möglicherweise bieten wir dann noch mehr Termine und Veranstaltungsorte an«, sagt Becher.
Zum Schluss spielt das Ensemble Resonanz dann noch einen Titel, der wohl auch eher nicht zum gängigen Repertoire gehört. »Morgen kommt der Weihnachtsmann« wird von Eltern und den etwas größeren Kindern begeistert mitgeschmettert. »Das war wirklich sehr schön«, sagt Mareike Lauf nach dem 45-minütigen Konzert. Auch für sie habe die klassische Musik eine entspannende Wirkung gehabt. «Ich habe schon Karten für nächstes Jahr.»
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