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Der im Verlag M. Faste erschienene Kunstband „Vision-Raum-Szene“ gibt nach insgesamt fünfjähriger Bildredaktion faszinierende Einblicke in ästhetische und gestalterische Vorstellungen von Alten Meistern bis zu Robert Wilson.
Elmar Buck: Vision – Raum – SzeneGemälde, Grafik, Skulptur, Plakat, Foto, Film
Theaterwissenschaftliche Sammlung Schloss Wahn
Verlag M. Faste, Kassel, 544 Seiten, 520 Farbabbildungen, Format 24,5 x 30 cm, fester Einband. ISBN 3-931691-27-6; 65,45 Euro.
Direkt zu bestellen beim Verlag M. Faste, Ochshäuser Str. 45, 34123 Kassel, Tel. (0561) 57015-0, Fax -555, E-Mail zentrale [at] printec-offset.de (zentrale[at]printec-offset[dot]de)
Die Zahl der Kunstbildbände ist unüberschaubar und Neuerscheinungen in diesem Bereich lösen regelmäßig ein „Déjà-vu-Erlebnis“ aus. Gibt es tatsächlich nichts Neues mehr – ist alles Sehenswerte schon tausendfach reproduziert und veröffentlicht? Der Band „Vision-Raum-Szene“ tritt zum Gegenbeweis an: Die Zusammenstellung von Gemälden und Plakatkunst, Grafik und Fotografie, Zeichnung und Plastik weckt gleichermaßen Entdecker- wie Schaulust und bietet reichhaltiges Anschauungs- und Inspirationsmaterial für alle, die künstlerisch interessiert oder kreativ tätig sind.
Genrehaftes und Symbolkraft, Abstraktion und Expression, Farbexplosion und Experiment - alle denkbaren Facetten einer über vierhundertjährigen Kunstgeschichte spiegeln sich in dem neu erschienenen Bildband „Vision-Raum-Szene“. Was der Titel verspricht, lösen 520 Farbabbildungen in dem 544 Seiten starken Buch ein, das zu Spaziergängen und Gratwanderungen zwischen freier und angewandter Kunst einlädt. Von Gemälden und Zeichnungen aus barocker Zeit (Jacques Callot, Kerstiaen de Keuninck, die Dynastie Galli Bibiena) über die Klassik (Karl Friedrich Schinkel), Moderne (Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer, Walter Gropius) bis hin zum künstlerisch-szenischen Werk eines Robert Wilson werden hier herausragende wie auch versteckte Entwicklungslinien in der bildenden Kunst nachvollziehbar. Für das Kasseler Publikum besonders reizvoll: Spuren zu entdecken, die prominente Künstler wie Thomas Richter-Forgách oder Theo Otto in der Fuldastadt hinterlassen haben.
Bilder, die Geschichten erzählen
„Vision-Raum-Szene“ gibt einen Eindruck der prunkvollen höfischen Welt, der Kunst des Genrebilds, der inszenierten Ex- und Interieurs Alter Meister, schwenkt über die phantastischen Kreationen der Romantik zu den verspielten wie auch strengen Formen des Jugendstils und zum Pathos des Symbolismus. Revolutionäre Ideen der russischen Avantgarde manifestieren den Anbeginn der Moderne, fortan werden in Arbeiten von Kandinsky oder Moholy-Nagy Sehgewohnheiten gesprengt und neu rhythmisiert, verschmelzen konstruktive, kubistische oder abstrakte Formen, wird das Figürliche aufgelöst oder geht neue Symbiosen ein. Oskar Schlemmers Figuren werden unter den Augen der Betrachters zu farbigen Artefakten, das Experiment bricht sich Bahn: Die Kunst findet in der reinen Abstraktion ihre selten so konsequent veranschaulichte adäquate Form.
Doch schon bahnt sich auch deren Auflösung an, Ikonen der Kunst- und Kulturgeschichte tauchen als verfremdetes Zitat wieder auf, und auch die Darstellung des Menschen wird neu entdeckt: Nicht mehr als Individuum, sondern als zerrissene Kreatur, skizzenhaft reduziert, schreiend expressiv (wie etwa in den beeindruckenden Arbeiten Erich Wonders) oder ironisiert (bei Roland Topor). Was folgt, ist das Spiel mit der Form oder die nahezu physische Verletzung der Kreatur (Zeichnungen von Robert Wilson) bis hin zur völligen Zurücknahme des Bekannten, das Ersetzen des Bilds durch das Zeichen.
Neue Einblicke und Bezüge
Der Kunstband ist die Frucht eines langgehegten Wunsches: Die Theaterwissenschaftliche Sammlung Schloss Wahn, eine der bedeutendsten und weltgrößten Sammlungen ihrer Art, suchte nach einer Möglichkeit, eine passende Auswahl ihrer wertvollen Bestände an Gemälden, künstlerischen Zeichnungen, Entwürfen und Fotografien einem breiten Publikum zu präsentieren. Bisherige Ausstellungen konnten nur spezielle Ausschnitte der historisch gewachsenen Sammlung zeigen. Dies wird sich mit dem neuen Bildband ändern, dessen großformatige Seiten angemessen Raum bieten, ästhetische und gestalterische Vorstellungen seit dem 17. Jahrhundert zu veranschaulichen. Jede Seite des Bandes, in dem insgesamt eine fünfjährige Bildredaktion steckt, verschafft neue Einblicke und Bezüge: „Vision-Raum-Szene“ ist gleichsam ein prächtiges Schaufenster, in dem auch Kenner noch Entdeckungen machen.
Marcus Angebauer