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Das 14. TFF.Rudolstadt - das größte Folk-Roots-Weltmusik-Festival Deutschlands - startet morgen in der Thüringischen Folkmetropole. 100 Bands sind auf über 20 Bühnen zu erleben. Im Mittelpunkt steht der Länderschwerpunkt Griechenland, das Konzert rund um das "magische Instrument" Zither sowie der Reihen- und Kettentanz.
Musikalisches Vorspiel oder kultureller Kontrapunkt zu den Olympischen Spielen 2004? - Wie auch immer, der TFF-Länderschwerpunkt Griechenland präsentiert die Wiege der abendländischen Kultur sehr heutig - und fernab von kitschiger Touristen-Folklore. Ein Geheimtipp ist die Sängerin Maria Soultatou - bei uns noch kaum bekannt, ist sie zu Hause auf dem besten Wege zur Rembetiko-Ikone. Ihr Landsmann Kostas Theodoru führt Volksmusiken vom Schwarzen bis zum Roten Meer in einem artifiziellen Ethno-Freejazz zusammen. Die Athener Hip-Hop-Band "Active Member" bereichert das globale Musik-Phänomen um ihr kraftvolles griechisches Idiom. Der Klarinettist Napoleon Damos bringt mit seinem Trio Gipsy-Tanzmusik aus dem Epirus-Gebirge ins Saaletal.Die stilistische Vielfalt ist charakteristisch für Rudolstadter. Das unterscheidet das TFF von anderen Festivals, wo vielleicht nur Keltisches oder nur Dudelsack-Musik erklingt. Typisch auch - Stars gehören dazu, werden vom Publikum auch erwartet, doch das Bild bestimmen sie nicht. Warum auch, die Besucher zwischen 15 und 50, die jedes Jahr zu Zehntausenden aus ganz Deutschland herbeiströmen, sind neugierig auf unbekannte Namen, Musizierweisen, Tanzformen, unwichtig, ob von nebenan oder ganz weit weg.
Das Angebot an Konzerten, Tanz- und Instrumenten-Workshops, im Park an der Saale und hoch über der Stadt auf der barocken Heidecksburg, in der Stadtkirche, im Theater, auf dem Marktplatz oder in der Fußgängerzone ist riesig. Man und frau lauscht aufmerksam, tanzt bis in die Morgenstunden, schlendert über den Musikinstrumenten-Markt, schaut Ausstellungen an, lernt neue Freunde kennen oder trifft alte wieder, auf dem Zeltplatz, im Café oder bei Thüringer Rostbratwurst und Schwarzbier vom Festival-Hauptsponsor.
Orientierung im reizvollen Vielerlei geben jährlich wechselnde Themenschwerpunkte. Passend zu Griechenland wurde der "Tanz des Jahres" ausgewählt. Reihen- und Kettentänze, einst die ursprünglichste Tanzform weltweit, sind heute besonders in Ost- und Südosteuropa beliebt. Zum Mittanzen spielen neben griechischen Bands auch Musikanten aus Schweden, Polen, Israel oder Deutschland auf. Seit dem ersten Festival 1991 wird jedes Jahr ein "magisches Instrument" vorgestellt. Diesmal ist die Familie der Zither zu Gast. Sie ist über die ganze Erde verstreut und entsprechend vielfältig. Im Konzert, das Virtuosen des Instruments extra für das Festival erarbeitet haben, erklingen u. a. finnische Kantele, chinesische Zheng, nordamerikanischer Appalachian Mountain Dulcimer, koreanisches Kayageum und orientalisches Qanun.
Zu den Höhepunkten im Festival-Programm gehört seit 2002 die Verleihung des Deutschen Folkpreises "Ruth". Ausgelobt wird er von MDR FIGARO und dem TFF gemeinsam mit PROFOLK, dem Verband für Folk, Lied und Weltmusik in Deutschland. Preisträger 2004 sind die Stuttgarter Power-Polka-Band "Hiss" (Deutsche Roots) und der in Deutschland lebende chinesische Multi-Instrumentalist Wu Wei (Globale Roots). Den Newcomer-Preis teilen sich das international besetzte hessische "Yalla Babo Orchestra" und die in Israel geborene Sängerin Zoriya aus Berlin. Beide verbinden traditionelle Musiken des Orients mit Ethno-Pop und Jazzimprovisationen. Eine "Ehren-Ruth" fürs Lebenswerk erhält der 64-jährige badische Liedermacher und Anti-AKW-Aktivist Walter Mossmann.
Der Preis ist nicht mit Geld verbunden, aber mit einem Open-Air-Konzert auf der Heidecksburg, das MDR FIGARO live überträgt. Stefan Hiss, mit seiner Band Preisträger bei den Deutschen Roots, hat schon in Rudolstadt gespielt und schwärmt: "Toll ist diese Mischung von Publikum, die dem Festival ihren Stempel aufdrückt. [...] Alle Arten von Musik sind im Angebot, und man interessiert sich auch für alles".
Zu den bekannten Namen im Festivalprogramm gehören "The Hooters" aus den USA mit melodiösem Folk-Rock mitsamt gelegentlichen Einsprengseln von Reggae und Ska ebenso wie Rokia Traoré aus Mali, die trotz ihres jugendlichen Alters schon zu den großen Stimmen Afrikas gerechnet wird. Eine atemberaubende Balkan-Klezmer-Mixtur kredenzen zwei Weltklasse-Bands, die von Boban Markovi?, dem serbischen Roma-Star-Trompeter, und Frank Londons "Klezmer All Stars" aus New York. "Brotherhood of Brass" heißt ihr gemeinsames Projekt, Tournee-erprobt und auf CD verewigt.
Heiße Nächte im Heinepark versprechen die Auftritte von "Panteón Rococó", einer der angesagtesten Bands in Mexiko, mit ihren treibenden Rhythmen zwischen Ska, Reggae und Punkrock. Nicht weniger erfolgreich mit ihrem Mix von Punk und moldauischer Folklore ist "Zdob si Zdub" aus der osteuropäischen Republik Moldova. Mehr als nur Exotik von down under präsentiert "The White Cockatoo Performing Group", ein Musik- und Tanzensemble australischer Ureinwohner. Wer\'s eine Nummer leiser mag, der kommt beim Liedermacher und Romancier Stephan Krawczyk auf seine Kosten oder bei "eCHo", jenem Trio aus Zürich, das Weltmusik aus der Schweiz spielt, bei der sich der künstlerische Anspruch Alter Musik mit dem Esprit zeitgenössischen Folks trifft. Nicht zu vergessen das österreichische "Kollegium Kalksburg", das sich nach einer landesweit bekannten psychiatrischen Anstalt benannt hat und tief schwarzhumorige Texte vertont.
Anti-olympisch geht\'s diesmal beim TFF-Kinderfest zu. "Höher, weiter, schneller" kann schließlich jeder, aber "Tiefer, kürzer, langsamer" erfordert unermüdlichen rudoLÜMPischen Einsatz! Ein eigens von der "Kulturinsel Einsiedel" errichteter Holzspielplatz im Heinepark, Vorführungen in mehreren Zirkuszelten, Auftritte von Künstlern des Festivals, kreative Mitmach-Angebote sowie eine eigene Gastronomie, u. a. mit hausgebackenem Thüringer Kuchen, lassen das Kinderfest zu einem Festival im Festival werden. Eins ist sicher, um den Besucher-Nachwuchs müssen die Festival-Organisatoren nicht bangen.
Quelle: http://www.mdr.de/kultur/musik/1425974.html