Body
Hamburg (ddp). Der Verleger von Max Billers Roman «Esra», Helge Malchow, tritt im Streit um das Buch weiter für dessen Veröffentlichung ein. «Ein Verlag muss für die Bücher, die er aus guten Gründen verlegt hat, kämpfen, zur Not auch vor Gericht», sagte der verlegerische Geschäftsführer des Kiepenheuer & Witsch Verlages in einem am Dienstag verbreiteten Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit».
Das Verbot eines literarischen Werkes bedeute eine «empfindliche Einschränkung der Kunstfreiheit, die das Grundgesetz garantiert», argumentierte er.Anzeige
Biller und sein Verlag waren im Februar vom Landgericht München zu 50 000 Euro wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten an die Ex-Freundin des Autors verurteilt worden. Die Klägerin hatte Biller vorgeworfen, eine Romanfigur nach ihrem Vorbild gestaltet, aber nur unzureichend verfremdet zu haben. Das Buch war 2003 in den Handel gekommen und kurz darauf verboten worden. Es erzählt von der Liebesbeziehung zwischen Esra und der Ich-Figur Adam. Im Roman steht der Beziehung Esras Mutter Lale im Weg. Der Bundesgerichtshof befasst sich am 10. Juni mit der Klage der Mutter von Billers Ex-Freundin.
Malchow kritisierte, zunächst sei erkannt worden, dass das Buch nicht vorsätzlich Persönlichkeitsrechte verletze - «und dann wird zumindest einer der beiden Klägerinnen recht gegeben und der literarische Text plötzlich doch wie ein persönlicher Erfahrungsbericht gelesen».
Das Urteil des Landgerichts wertete Malchow als «maßlos». Es zeige einen «neuen restriktiven Kurs in der Rechtsprechung». Er zeigte sich überzeugt, dass das Urteil die Arbeit in den Lektoraten belasten werde. «Es ist eine Bedrohung für jeden Schriftsteller, der seine Arbeit ernst nimmt. Kunstwerke entstehen nach einer ästhetischen, nicht nach einer juristischen Logik - nach der Logik diesese Urteils müssten ganze Bibliotheken der Weltliteratur umgeschrieben werden.»
Malchow sieht darin eine «neue Form von Biedermeier-Mentalität» und eine «Sehnsucht nach konfliktfreier Wohlfühl-Kultur». «Wir leben in einer Diktatur der Harmlosigkeit», sagte er.