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DDR-Filmgeschichte – Das Filmfest Dresden zeigte Aufklärungsfilme aus der DDR und bewies, dass die Ostler ihren Brüdern und Schwestern im Westen wenigstens in einem Punkt voraus waren: Götz Oelschlägel zeigte 1963 den ersten Aufklärungsfilm der DDR - drei Jahre vor Oswald Kolle.
Dresden (ddp-lsc). Das Publikum im Saal ist jung. Mit erwartungsvollem Blick sitzt es in den Kinosesseln und wartet ungeduldig. Doch eigentlich sollten die bereits der Jugend Entwachsenen den an diesem Abend vorgestellten Themenkomplex schon längst beherrschen. Das Filmfest Dresden - sonst Werkschau der Kurz- und Animationsfilmkunst - zeigte am Donnerstagabend alte DDR-Aufklärungsfilme. Nachdem in den Vorjahren bereits die «Stacheltier»- sowie die DDR-Diskofilme große Resonanz beim Festivalpublikum gefunden haben, wurde mit Hilfe der DEFA-Stiftung ein weiteres Kapital DDR-Filmgeschichte ausgegraben.Auch wenn für die meisten Mittzwanziger, die im Osten aufgewachsen sind, in Sachen Aufklärung wohl eher die Rubrik «Unter vier Augen» der «Jungen Welt» prägend war, so ist doch das Interesse an diesen Filmchen groß. Gezeigt werden drei Produktionen, die unterschiedlicher kaum sein können. Zwei Filme aus den frühen 60er Jahren richten sich an Erwachsene, die sich unsicher sind, wie sie nun ihrem Nachwuchs die Sache mit den Bienen und Blumen erklären sollen. Der dritte Film «Ist denn das schon Liebe» aus dem Jahr 1983 lässt Jugendliche selbst zu Wort kommen und zeigt, wie sich die Sexualmoral in 20 Jahren verändert hat.
Mit «Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen - Sagst Du\'s Deinem Kinde» produzierte Götz Oelschlägel 1963 den ersten Aufklärungsfilm der DDR - drei Jahre bevor Oswald Kolle im Westen mit seinen Filmen das Thema in Angriff nahm. Oelschlägels vierteilige Serie - von der beim Filmfest die erste und die letzte Episode gezeigt werden - will demonstrieren, dass das Tabuisieren von Themen nichts hilft und nur Offenheit freie und glückliche Menschen erzeugt. Mit teils verstaubt-naiv wirkender Rhetorik, teils mit überraschender Direktheit wird das Thema angegangen.
Die Stimme aus dem Off führt den Zuschauer durch die Filme. «Schauspieler demonstrieren, wie in einer Atmosphäre der Liebe auch die heikelsten Fragen beantwortet werden können», sagt der Sprecher in monotonem Gestus. Daraufhin kommt ein Zwölfjähriger Junge ins Bild: «Papa, stimmt es, dass Kinder von Männern gemacht werden?» Der Vater dreht das Radio aus, setzt sich mit seinem Sohn an einen Tisch, lässt sich von ihm eine Zigarette anzünden und führt in die Welt der Sexualität ein. Was heute stocksteif und unfreiwillig komisch wirkt, war damals eine von vielen Eltern dankbar angenommene Hilfe. Denn: «Dabei ist es doch so einfach, wenn man weiß, dass Kinder nicht aus sexuellem Interesse fragen.»
Der Film «Ist denn das schon Liebe?» von 1983 zeigt eine völlig andere Generation. Neuntklässler erzählen von ihren Erfahrungen und Erwartungen in Sachsen Liebe und Sexualität. Im Zuge der FKK-Bewegung hatte sich im Land eine Freizügigkeit entwickelt, in der die Jugendlichen selbstbewusst in ihre jungen Beziehungen gingen und auch darüber sprachen.
Ob das Publikum 2005 noch etwas gelernt hat? Nicht ausgeschlossen. Amüsiert hat es sich jedoch mit Sicherheit. Die Filme werden am Samstag um 13.30 Uhr im Dresdner Kino Metropolis ein weiteres Mal gezeigt. Danach gehen sie auf Nachspieltour durch Sachsen und ganz Deutschland.
http://www.filmfest-dresden.de