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Wormser Festspiele beginnen

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Nibelungentreue neu gesehen - Wedel entwirft für Uraufführung beklemmendes Szenario - Probenbesuch bei Wormser Festspielen


Worms (ddp). Die Welt ist ein Schachbrett, seine Figuren heißen Gier, Macht, Treue und Liebe. Und sie verfolgen rücksichtslos ihre Bestimmungen, getrieben von einem unwiderstehlichen Drang hin zur eigenen Zerstörung. Das ist das beklemmend-schöne Szenario, das Intendant Dieter Wedel bei den Nibelungenfestspielen 2007 entwirft.

Am Freitag hat vor dem ehrwürdigen Dom zu Worms das Stück «Die Nibelungen - Die letzten Tage von Burgund» Uraufführung. Es ist der zweite Teil des Nibelungen-Textes von Moritz Rinke, der vor fünf Jahren in Worms uraufgeführt wurde. Doch Buchstaben getreue Zuschauer werden sich verwundert die Augen reiben: Die Nibelungen warten dieses Jahr mit so mancher Überraschung auf, wie bei einem Probenbesuch sichtbar wird.

Es ist ein warmer Sommerabend in Worms - endlich. Seit Wochen hatte das Festspielteam mit Kälte und Regen zu kämpfen, immer wieder fielen Open-Air-Proben dem schlechten Wetter zum Opfer. Nun kann endlich vor der Originalkulisse geprobt werden, mit Kostümen, Schminke und allen Requisiten. Fast eine komplette Stunde lässt Regisseur Wedel die Probe laufen, bevor er wegen zu langsamer Kulissenschieberei Einhalt gebietet.

Zufrieden ist der Regisseur noch lange nicht. «Es gab noch etliches, was mir nicht gefallen hat», kritisiert Wedel im ddp-Gespräch. Die Nibelungen 2007, sie sind auch das vielleicht «anspruchsvollste Stück» der Reihe, wie Wedel betont.

Sicherlich ist das Drama um den Untergang der Burgunder eines der intensivsten Teile der Festspiele. Dabei hilft auch die strenge, hohe Nordfassade des Doms, die unmittelbar die Rückwand der Bühne bildet und Wedel erstmals als Kulisse dient. Direkt davor ragen die Tribünen mit 1600 Sitzplätzen in den Himmel, ein enges Rechteck dicht am Geschehen.

Unten zeichnet sich ein beklemmendes Drama ab. Nach Siegfrieds Ermordung durch den alten Recken Hagen (Dieter Mann), Diener und Strippenzieher der Burgunderkönige, hat Siegfrieds Frau Kriemhild Hunnenkönig Etzel (Dieter Laser) geheiratet.

An Etzels Hof trifft man sich Jahre später wieder - und prompt werden neue Allianzen geschmiedet. Da bietet Hagen Etzel den legendären Nibelungenschatz - den er der von Jasmin Tabatabai verkörperten Kriemhild abnahm - an, gegen Schutz für das schwach gewordene Burgunderreich. Den Burgunderkönigen ist das nur recht, zum Regieren hat die alberne Männertruppe sowieso keine Lust. Dass aber Hagen hinter ihrem Rücken verhandelt, nehmen sie übel und düpieren den, der ihnen am Treuesten ist.

«Ich habe das mit der Nibelungentreue nie geglaubt», sagt Wedel. Die Realität sei oft «sehr viel banaler» und richte sich zumeist «mehr nach ökonomischen Gesichtspunkten». Und so sucht bei den Nibelungen 2007 jeder den eigenen Vorteil und niemand mehr das Böse. Die Männer tragen schicke Anzüge wie Manager, und Frauen gelten noch immer als Pfand und Besitz.

Zwischendurch dürfen manche Figuren blödeln wie in einer Komödie, doch insgesamt sind die Showelemente weniger geworden. Auch Kriemhild hat sich verändert. Von der Rache besessenen Furie, gar der «Terroristin» von Wedels erstem Teil, ist sie zu einer Frau geworden, die den Albtraum erlebt, von ihrem alten Leben eingeholt zu werden.

«Kommt ihr wieder, mir meinen Mann zu nehmen? Marschiert ihr wieder in mein Leben?», lautet Kriemhilds verzweifelter Aufschrei. An die Wand gedrängt von Hagen und seiner Armee, lässt auch Kriemhild die Soldaten marschieren. Am Ende, so zeichnet es sich ab, steht das unvermeidliche Blutvergießen und der Untergang.

Die Nibelungentreue, sagt Wedel, sei doch nur «eine dichterische Überhöhung» des Nibelungen-Autors. Vom Ergebnis können sich die Zuschauer bis 5. August in 15 Vorstellungen überzeugen. 70 Prozent der insgesamt 24 000 Karten sind nach Angaben der Veranstalter bereits verkauft.

Gisela Kirschstein