„Low Fidelity“ besteht aus einer Sammlung von Newslettern eines hamburgischen Plattenladens mit dem für sich selbst sprechenden Namen „Hanseplatte“. Verfasser der mitunter für Uneingeweihte oft seltsam anmutenden Texte ist ein ominöser Hans E. Platte. Dahinter verbirgt sich Gereon Klug, der im letzten Jahr auf Low Fidelity bei Haffmans&Tolkemitt ein „Best of“ seiner Newsletter mit skurrilen Botschaften versammelt hat. Nach „Zum Scheißen reichts“, einem 2011 von ihm entwickelten, essbaren Kochbuch, gedruckt auf Lasagnescheiben, ist diese zwischen zwei Buchdeckel gepackte Sammlung seiner sonst per E-Mail versendeten literarischen Prachtstücke über Musik, Popkultur, Gott und die Welt seine erste Veröffentlichung.
1969 in Siegen geboren, verschlug es Gereon Klug über Göttingen nach Hamburg, 2006 war er Mitbegründer der Hanseplatte und leitete den Plattenladen zwischen Schanzen- und Karoviertel bis 2012. Die Hanseplatte vertreibt seitdem Musik, Literatur, Kleidung, Kunst und Schmuck, um und über Hamburg, auch mit Online-Shop. Mittlerweile beschränkt sich Klug nur noch auf das, was er am besten kann: das Schreiben der Newsletter. Seit 2008 flattern bei den Abonnenten Klugs Anpreisungen der neuesten Artikel in den E-Mail-Postkasten. Irgendwann wurde die Sache inhaltlich immer freier gehalten, was man auch in „Low Fidelity“ spürt. Man könnte das negativ sehen und fragen, was es etwa mit Musik zu tun hat, wenn sich ein Hamburger Musiknerd ironisch über die übertriebene Prozessbegleitung von Uli Hoeneß auslässt. Aber auch solche Themen tangieren die Popkultur.
Außerdem sind Gereon Klugs Texte mit einem ungemein direkten und brachialen Humor ausgestattet, der am Ende die unterschiedlichen Textsorten zusammenhält. Da freut man sich, wenn etwa neben einer literarischen Ehrung des hamburgischen Universalkünstlers Felix Kubin, den Regeln des Rock’n’Roll oder Bemerkungen zum Plattenspieler bei Aldi auch etwas über ein imaginiertes Dschungelcamp mit Klugs favourite Hansemusikern oder ein ausgedachtes Horoskop mit gutgemeinten Tipps zur Correctness im Alltag zu lesen sind.
Was trotz allem stört, ist das Paradox, mehrere Jahre alte Newsletter zu lesen mit Informationen zu einstigen Neuigkeiten. Das Praktische an den Newslettern im E-Mail-Postfach sind ja gerade die Verlinkungen zu den vorgestellten Neuigkeiten, die man direkt und bequem anklicken kann.
Gereon Klug gibt sich in einigen Texten immer wieder als eine Art popaffiner Punk im Retro-Nerdpelz zu erkennen, was für viele den Zeitgeist treffen dürfte. Da er sich seiner Zielgruppe bewusst ist, wird gleich im Untertitel des Buches für eine Abgrenzung vom Mainstream plädiert. Klug gelingt diese Abgrenzung durch seinen vor nichts zurückschreckenden Humor und den trotz absurder Themen stark elaborierten Wortschatz mit vielen Anglizismen und Neulogismen. Das muss man aber natürlich auch mögen.
- Gereon Klug: Low Fidelity. Hans E. Plattes Briefe gegen den Mainstream, Haffmans und Tolkemitt, Berlin 2014, 240 S., € 19,95, ISBN 978-3-942989-76-3