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Die Begegnung war herzlich und es wurde schnell klar: Es würde eine Begegnung auf Augenhöhe werden. Avi Avital, Johann Stötzer, Luisa Schwegler, Anna Boida, Lionel Martin. (v.l.n.r.) Foto: privat
Die Begegnung war herzlich und es wurde schnell klar: Es würde eine Begegnung auf Augenhöhe werden. Avi Avital, Johann Stötzer, Luisa Schwegler, Anna Boida, Lionel Martin. (v.l.n.r.) Foto: privat
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Beglückende Begegnung mit einem Weltstar

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Beim Mozartfest in Würzburg konzertierten Nachwuchsmusiker*innen mit Avi Avital
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Das eigene Wissen und Können an die jüngere Generation weitergeben – darum geht es in dem Konzertformat »Meisterschüler – Meister«. Ausgewählt werden die »Meisterschüler« unter jungen Musikerinnen und Musikern, die zuvor erfolgreich am Wettbewerb »Jugend musiziert« teilgenommen haben. Sowohl die Konzertreihe als auch der Wettbewerb sind Teil des umfassenden Engagements der Sparkassen-Finanzgruppe. Im Jubiläumsjahr der Konzertreihe wurde das Meisterschüler-Meister-Format erstmalig beim Mozartfest in Würzburg präsentiert. Avi Avital begegnete als Meister der Mandoline der neuen Musikergeneration, vertreten durch Johann Stötzer (Violine), Luisa Schwegler (Violine), Anna Boida (Viola) und Lionel Martin (Violoncello). Hier folgt ihr Bericht:

Einige Tage vor dem Auftritt in Würzburg trafen wir uns als Quartett in Berlin. Wir hatten ein kleines Apartment gebucht, in dem wir die nächsten Tage auch proben wollten. Unser erster Geiger Johann war früher angereist, um in der Unterkunft noch ein paar Töne zu spielen. Nach einer halben Stunde üben klopfte es. Eine Mitarbeiterin des Hauses stand vor der Tür und meinte, dass die Geige in allen Etagen zu hören sei. „Und ihr hattet jetzt aber nicht vor, die nächsten Tage hier zu proben, oder? Sonst müssen wir die Buchung stornieren.“ Sie schlug noch vor, man könne ja im Park gegenüber proben und dabei vielleicht sogar noch ein kleines Taschengeld ergattern. Unsere Antwort fiel dann eher ausweichend aus. Als die anderen eintrafen, fingen wir erstmal an zu kochen. Nach gemeinsamem Brainstormen und etlichen Telefonaten hatten wir eine Lösung: Die WG eines Freundes und der Zugang zu einem Gemeindehaus durch eine Patin.

Annäherung an ein unbekanntes Repertoire

Das Repertoire war vollkommen neu, wir hatten noch nie mit Mandoline gespielt und es gab auch nicht von allem eine Aufnahme – so gab es vor Ort viel zu tun. Andererseits war es ein wirklich spannendes Programm mit besonderen Stücken, die man nicht alle Tage spielt und hört. Die Bearbeitung von Piazzollas Tango „Escualo“ forderte von uns höchste innere Spannung, um sich nicht zu einem immer schnelleren Tempo hinreißen zu lassen. Dann gab es ein Stück für Streichtrio und Laute von Giovanni Francesco Giuliani. Vom Komponisten hatten wir bisher noch nicht gehört und wir hatten den Eindruck, dass das auch seinen Grund haben könnte. Das Stück und einige interessante Druckfehler wurden zum Anlass vieler Albernheiten. (Erst später, durch Avi, ergab das Stück Sinn und viele Stellen erschlossen sich uns.) Das frühe Mozart-Quartett, das wir ohne Avi spielten, war dann vergleichsweise gewohntes Terrain und ein guter Spiegel für unser Zusammenspiel. Das längste und wichtigste Stück im Programm war „Cymbeline“ von David Bruce. David Bruce (*1970) ist ein britischer Komponist und guter Freund von Avi, er hatte das Stück 2013 für Avi komponiert. Unsere Bratsche Anna hatte im Vorfeld regen Mailwechsel mit David und so hatten wir abseits der besonderen Ausstrahlung des Stückes einen persönlichen Bezug. Außerdem stand noch eine Bearbeitung der jiddischen Volkweise „Arum dem Fayer“ auf dem Plan: Ein stimmungsvolles Stück mit einem virtuosen Geigensolo, das aus Versehen unsere beiden Geigen geübt hatten, weil sich einer die falschen Noten ausgedruckt hatte.

Schließlich kam der lang erwartete Tag der Begegnung mit Avi Avital. Waren wir gut genug vorbereitet? Er lud uns zum Proben zu sich nach Hause ein, mitten in Berlin. Wir wurden herzlich empfangen und es wurde schnell klar, dass es eine Begegnung auf Augenhöhe werden würde. Durch Avis Ruhe, Präsenz und natürliche Autorität waren die Proben sehr angenehm und konzentriert. Er leitete sie und gab uns klare Orientierung in den Stücken. Im Vorfeld hatten wir uns darauf eingestellt, uns klanglich vielerorts zurückzunehmen, um die Mandoline nicht zu überdecken. Doch es stellte sich heraus, dass sein Klang sehr tragend war und immer gut durchkam. Wir begannen mit Cymbeline, wo er eine sehr klare Vorstellung hatte, weil er es schon mit anderen Streichquartetten ge­spielt hatte. Sein Rhythmus-Empfinden beeindruckte uns alle. Die rhythmische Klarheit und Struktur, die von ihm ausging, machte das Zusammenspiel sehr einfach; es verstand sich beinahe von selbst. Zu unserer Freude schien ihm auch zu gefallen, wie wir spielten und nachdem wir den schweren zweiten Satz von Cymbeline einmal gespielt hatten, sagte er: „You guys came prepared“, was ihn anscheinend freudig überraschte.

Die beiden Bearbeitungen waren auch für ihn neu und er hielt sich beim ersten Durchspiel immer zurück um das Stück zu verstehen. Dann hatte er aber auch schon eine erstaunlich genaue Idee, die wir dann ausarbeiteten. Am zweiten Probentag (und Tag vor dem Konzert) wechselten wir vom Wohnzimmer ins Arbeitszimmer, wo ein Schlagzeug aufgebaut war und eine Echo-Trophäe als Fenster-Stopper diente. „Giuliani is one of the pieces, that we have to make interesting“ – lange Phrasierungsbögen und „zoom out“ halfen dabei. Als wir mit den Stücken soweit durch waren und alles nochmal wiederholt hatten, schlug Avi vor, eine Zugabe vorzubereiten und druckte schließlich zwei kleine Stücke aus. Wir entschieden uns für das kurzweilige georgische Tanzstück „Sachidao“ von Sulkhan Tsintsadze.

Es war eine besondere Erfahrung: Wir hatten schon viel von Avi gehört und nun sahen wir ihn nicht nur vor uns auf der Bühne, sondern probten mit ihm und erlebten ihn mit seiner Frau und seinem Kind in seiner Wohnung. Alles zusammen, auch die Spuren einer fernen Kultur, die man bei Avis Art zu musizieren spürt, erzeugten bei uns etwas wie Sehnsucht.

Eine beeindruckende Begegnung

Es folgte die letzte Etappe: Wir reis­ten nach Würzburg. Kurz in der Unterkunft einchecken, einen Coronatest im örtlichen Testzelt machen, Essen gehen, in der Unterkunft durch unisono-Tonleitern verärgertes Klopfen der Nachbarn provozieren und schon ging es zur Anspielprobe. Das eindrucksvolle Residenzschloss war nicht zu verfehlen und von innen durch die hohen, reich verzierten Decken, nicht minder prachtvoll. Ein paar klangliche Anpassungen an die Akustik und wenige Korrekturen in den Stücken füllten die Anspielprobe. Nun kam eine feierliche Stimmung auf, und hinter der Bühne vergegenwärtigten wir uns gemeinsam den Giuliani – das erste Stück auf dem Programm. Wir traten auf, wobei Avis Souveränität für uns mit reichte. Der Giuliani ließ viel Spiel- und Gestaltungsfreude zu und ergab auf der Bühne so viel Sinn wie vorher noch nie.

Danach ging Avi ab und es gab einen Extraapplaus für den Aufgang unserer zweiten Geige Luisa. Der wunderschöne zweite Satz von Mozarts Streichquartett ließ uns tief erleben, fühlen und zusammenfinden. Das letzte Tageslicht beleuchtete die Bühne stimmungsvoll und tat seinen Teil dazu.

Vor Cymbeline richtete sich Avi noch kurz ans Publikum: Er erzählte, dass David Bruce damals ein Stück für ihn komponieren wollte. Avi habe ihn daraufhin gefragt, was er denn mit Mandoline assoziiere. David habe geantwortet, dass er die Farbe Gold assoziiere: Das Gold der Sonne. Diese Einführung stimmte nicht nur das Publikum ein, sondern war auch für uns neu und inspirierte uns beim Spielen ungemein – Das Stück war wohl das Highlight des Abends.

Tango und Arum dem Fayer waren dann einfach pure Freude. Beide Stücke waren jeweils ein kurzer Besuch in völlig unterschiedlichen Welten und kamen gut beim Publikum an. Applaus, Zugabe, nochmal Applaus, nochmal auf die Bühne und dann – „Let‘s have a beer“ Avi lud uns zum Essen ein und unter einem großen Schirm im Freien hatten wir zum ersten Mal Zeit tief ins Gespräch zu kommen. Wir sprachen über David Bruce, Lernzeit, Lerngeschwindigkeit in den verschiedenen Lebensaltern und Karriere, über seine Karriere und seine Geschichte, über unseren bisherigen Werdegang, übers Studium und natürlich über Musik. Als es anfing zu regnen, retteten wir unsere Instrumente unter den Tisch. Wenn man etwas vermisst, merkt man das oft erst im Nachhinein. So ging es auch uns: Es war einer der Konzertabende, wo sich auf der Bühne vieles fügte und erschloss. Besonders nach der langen Corona-Pause konnten wir das sehr genießen. Und wir hatten den Eindruck: Es ging nicht nur uns so.

  • Johann Stötzer, Violine; Luisa Schwegler, Violine; Anna Boida, Viola, und Lionel Martin, Violoncello
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