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Blick in die Kugel

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Rückblick auf die letzte Amtsperiode und ein Ausblick – ein Gespräch mit Heike Schulte-Michaelis
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Bei der kommenden Landesdelegiertenversammlung des DTKV Hessen im März wird ein neuer Vorstand gewählt: Dies ist Anlass, mit der amtierenden Vorsitzenden des DTKV Hessen, Heike Schulte-Michaelis, auf die zu Ende gehende Amtsperiode zurückzublicken und einen vorsichtigen Blick in die Zukunft zu wagen.

neue musikzeitung: Liebe Heike, du bist jetzt seit drei Jahren 1. Vorsitzende des DTKV Hessen. Ganz einfach war der Anfang nicht. Was hat sich seit Beginn deiner Amtsübernahme verändert und was sind die wichtigsten Veränderungen im Landesverband in deiner Amtszeit?

Heike Schulte-Michaelis: Oh, da hat sich unglaublich viel getan! Vor 4 Jahren wurde ich zunächst als 2. Vorsitzende in den Vorstand des DTKV Hessen gewählt. Zu dieser Zeit lag die Verbandsarbeit fast vollständig darnieder. Auch die Zusammenarbeit der hessischen Regionalverbände untereinander war gestört. Schon im ersten Jahr versuchte ich Strukturen wieder aufzubauen, Vertrauen zu schaffen und fähige Mitglieder für die Arbeit im Landesverband zu gewinnen. Seit meiner Übernahme des 1. Vorsitzes vor 3 Jahren haben wir nun einen guten und engagierten Landesvorstand, der alle Regionalverbände repräsentiert und mit dem sehr viel erreicht werden konnte:
Wir haben mit Britta Wetzler, der Vorsitzenden des RV Osthessen, eine hochengagierte Projektleiterin gewinnen können, mit der wir unter anderem das EMP Netzwerk Hessen aufbauen konnten. Die Kontaktpflege zu anderen Kulturverbänden konnte auch durch diese neue Position besser ausgebaut und gepflegt werden, da oft der Mangel an verfügbarer Zeit manches behindert hat. Wir sind nun im ständigen Austausch mit ver.di, dem VdM und bdfm und arbeiten inzwischen fest beim LMR und der LKB in diversen Ausschüssen mit. Diese verstärkte Kontaktpflege hat sich für uns als segensreich herausgestellt: So konnten wir unsere Positionen etwa bei der Erstellung des Landesforderungspapiers zur musikalischen Bildung und dem Musikplan Hessen einbringen. Auch Kontakte in die Politik und mit Vertretern der für uns wichtigen Ministerien konnten aufgebaut werden. Das hat uns im letzten Jahr sehr geholfen.
Aber nicht nur für die Wahrung der Interessen unserer Mitglieder sind diese Kooperationen wichtig. Sie zeigen sich auch monetär z.B. in den Rabatten bei ausgewählten Fortbildungen der Landesmusikakademie und dem VdM für die Mitglieder des DTKV Hessen.
Durch meine Wahl als Ländersprecherin sind wir auch auf Bundesebene bestens innerhalb des DTKV integriert. Durch dieses Amt hat sich ein intensiver Kontakt zu den anderen Landesverbänden und dem Präsidium ergeben. Herausheben möchte ich hier auch die Veranstaltung der Länderkonferenz und des Thementages 2019, bei dem wir für die Podiumsdiskussion zum ersten Mal Vertreter aller maßgeblichen Musikverbände im Profibereich an einen Tisch bringen konnten.
Wir haben außerdem in dieser recht kurzen Zeit unsere Website neu gestaltet und 2020 unseren Newsletter initiiert, in dem wir über wichtige Neuerungen informieren und der übrigens sehr gut angenommen wird.

nmz: Das letzte Jahr war für die Verbandsarbeit unglaublich fordernd. Corona hat die vielen strukturellen Probleme unseres Berufsstandes, die wir seit Jahren versuchen zu verbessern, wie unter einem Brennglas ver­stärkt. Was konnte der DTKV hier speziell bewirken?

Schulte-Michaelis: Das war vor allem die recht schnelle Wiedereröffnung des Einzel-Instrumentalunterrichts nach dem Lockdown im Frühjahr. Hier haben alle Musikverbände und der LMR sehr gut zusammen gearbeitet. Der LMR hat mit seinem von den Musikverbänden initiierten offenen Brief an die Landesregierung ein Umdenken in Gang setzen können. Im Teillockdown im November wurde dann der Einzelunterricht von vornherein gestattet. Die pauschale Schließung der Musikschulen wurde nach entsprechender Intervention nach nur einer Woche zurückgenommen.
Die indirekte Förderung der Kulturschaffenden durch die Stipendien der Hessischen Kulturstiftung ist auch durch den regen Austausch mit den maßgeblichen Stellen hin entwickelt worden. So konnten viele Kulturschaffende ein kleines zusätzliches Einkommen erhalten.
Letztendlich hat Corona im letzten Jahr unserer Verbandsarbeit zu größerer Bedeutung verholfen: Wir werden nun von Seiten der Politik in Entscheidungsprozesse mit einbezogen und auch zunehmend von den Medien wahrgenommen. So wurde ich vor Kurzem in einer Sendung von hr info als Interessenvertreterin der freiberuflichen Musiker*innen interviewt.

nmz: #alarmstuferot hat viel mediale Aufmerksamkeit erwirkt. Hat der DTKV in diesem Bereich den Anschluss verpasst? Warum spricht man in der Öffentlichkeit so wenig über die Arbeit der Berufsverbände?

Schulte-Michaelis: Nein, der DTKV hat sicher nicht den Anschluss verpasst. Nur arbeiten wir eher „hinter den Kulissen“. Wir sind der Meinung, dass wir im Dialog mit den maßgeblichen Entscheidungsträgern mehr erreichen und nachhaltigere Erfolge erzielen können, als durch Konfrontation.
Es gibt im kulturellen und musikalischen Bereich eine Vielzahl von Verbänden, die die Interessen der Musiker­Innen und KünstlerInnen vertreten. Diese Vielzahl bildet die vielen unterschiedlichen Richtungen und teilweise divergierenden Bedürfnisse der künstlerisch Tätigen in unserem Land ab. Wenn sich medienwirksam populäre Kollegen wie etwa Till Brönner zu Wort melden, ist dies sicherlich nicht falsch. Wichtig wäre es aber, wenn sich die vielen künstlerischen Individuen in diesem Land in den Verbänden zusammenschließen würden. So könnte man eine wirkliche Interessenvertretung aufbauen. Jetzt ist nur ein Bruchteil der Kulturschaffenden organisiert. Wie wichtig aber eine schlagkräftige Organisation ist, um Missstände aufzudecken und für Abhilfe zu schaffen, haben wir gerade im letzten Jahr schmerzlich erfahren müssen. Daher mein Appell an alle Kulturschaffenden: Tretet in einen der vielen Berufsverbände ein und arbeitet dort aktiv mit! Nur so können wir Veränderungen schaffen. Und die Verbände möchte ich auffordern, die gute Zusammenarbeit weiter zu führen. Gemeinsam können wir vieles bewirken. Wir möchten alle, dass auch in Zukunft Musik und Kultur in diesem Land bestehen können. Dafür müssen wir aber alle zusammenarbeiten. Es ist inzwischen 5 nach 12 und wenn wir nur unsere Einzelinteressen vertreten, haben wir bald nichts mehr, was sich zu vertreten lohnt!

nmz: Was sind deine wichtigsten Anliegen für die Zukunft? Wie wird es ab März im DTKV Hessen weitergehen?

Schulte-Michaelis: Ich hoffe, dass wir nach den Wahlen weiterhin einen so engagierten Landesvorstand haben werden und unsere konstruktive Arbeit fortsetzen können. Ich möchte die Zusammenarbeit mit den Regionalverbänden weiter vertiefen, den Kontakt zu den Einzelmitgliedern stärken, quasi näher mit dem „Ohr an die Basis“. Es stehen wichtige, richtungsweisende Veränderungen in Hessen an. Diese möchten wir gerne aktiv mitgestalten: Im Frühjahr wird zum Beispiel über ein Musikschulgesetz im Landtag debattiert werden.
Die Ausgestaltung der im Februar 2020 getroffenen Rahmenvereinbarung für den Unterricht an den Ganztagsschulen sollte so gestaltet werden, dass auch die vielen Soloselbstständigen im musikpädagogischen Bereich eingebunden werden können und bei der Erstellung der Kulturförderrichtlinien des Kulturatlas ist unsere Mitarbeit gefragt. Es verspricht spannend zu werden!

Das Interview mit der 1. Vorsitzenden des DTKV Hessen Heike Michaelis-Schulte führte Ute-Gabriela Schneppat

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