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Abschlusspräsentation im Nürnberger EMP-Studiengang 2019. Foto: Sören Balendat/HfM Nürnberg
Abschlusspräsentation im Nürnberger EMP-Studiengang 2019. Foto: Sören Balendat/HfM Nürnberg
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Denkprozesse explizit machen

Untertitel
Unterrichtsgestaltung in der Elementaren Musikpädagogik: Reflexion einer fachdidaktischen Intensivwoche
Publikationsdatum
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Mit ihrer Masterarbeit „EMP-Alltag üben: Unterrichtsgestaltung als kreativer Prozess“ gewann Rebekka Deckart den Bayerischen Kulturpreis 2020. Die Arbeit dokumentiert und reflektiert die Entstehung und Durchführung einer fachdidaktischen Intensivwoche mit den Studierenden der Elementaren Musikpädagogik der Hochschule für Musik Nürnberg zum Thema Unterrichtsvorbereitung und Stundenkonzeption.

Notwendigkeit und Zielsetzung

Ein wesentlicher Teil der Ausbildung im Studium der Elementaren Musikpädagogik an der Hochschule für Musik Nürnberg ist der Lehrpraxisunterricht. Die Studierenden erproben mit verschiedenen Zielgruppen die Planung und Durchführung ihres Unterrichts und werden dabei von Lehrenden und Kommilitonen unterstützt. In Gesprächen und in der Auswertung von Fragebögen stellte sich jedoch heraus, dass die Studierenden mitunter nicht wissen, wie sie die Stundenkonzeption beginnen oder ihre Ideen strukturieren sollen. Besonders problematisch wird dieser Befund, wenn man den Alltag der Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger bedenkt, der entweder ein großes bereits vorhandenes Repertoire an Unterrichtsstunden oder wöchentlich neue Stunden verlangt. So entstand die Idee, als Masterprojekt eine Intensivwoche zur Stundenkonzeption für die Studierenden der EMP zu entwerfen. Sie sollte ein theoretisches Auseinandersetzen mit den eigenen Ideen ermöglichen – zusätzlich zu dem vom Studienplan vorgesehenen Lehrpraxisunterricht. Ein Ziel der Projektwoche war somit, Denkprozesse explizit zu machen, die im praktischen Tun während des Studienalltags zwar vorhanden sind, aber selten konkret thematisiert werden. Prof. Rainer Kotzian ermöglichte es, die so entstandene fachdidaktische Intensivwoche im Januar 2019 als Exkursion an der Musikakademie Hammelburg für fast 30 Studierende umzusetzen.

Während der Projektwoche sollten die Studierenden eine eigene Unterrichtsstunde entwerfen. Anhand verschiedener fachdidaktischer Konzepte sollten Hilfestellungen und Lösungsansätze zur Ideenfindung und -ausarbeitung sowie zur Stundengestaltung erarbeitet werden. Schon gemachte Erfahrungen sollten analysiert und somit längerfristige Denk- und Reflexionsprozesse für den Studien- und späteren Berufsalltag angeregt werden.

Konzeptionelles Grundgerüst

Als theoretische Basis der Projektwoche diente ein umfangreiches Konzept zur Stundenplanung für den Unterricht im Bereich der Elementaren Musikpädagogik, das in einem Zeitraum von etwa drei Semestern entwickelt wurde. Es entstand aus einer ausführlichen Literaturrecherche, der Beobachtung der Lehre an der Hochschule für Musik Nürnberg und aus persönlicher Erfahrung. Das Grundgerüst teilt die Stundenkonzeption in übersichtliche Einzelschritte. Interessanterweise ist hier zu vermerken, dass es im Bereich der Schulpädagogik eine Fülle an Büchern zur Stundenplanung gibt, die Elementare Musikpädagogik diesen Kernaspekt des Berufslebens aber immer nur als Unterkapitel behandelt.

Drei wichtige Ausgangspunkte: Thema, Inhalt, Ziel

Als drei Grundbausteine der Stundenkonzeption dienen Thema, Inhalt und Ziel. Das außermusikalische Thema kann als Rahmen für die Stunde dienen und zieht sich als roter Faden für die Teilnehmenden durch die Aktivitäten des Unterrichts. Mit „Inhalt“ ist das konkrete musikalische/tänzerische Material gemeint, also Lieder, Sprechverse, Tänze, Hörbeispiele et cetera, die im Unterricht behandelt werden sollen und darüber hinaus die Art und Weise, wie im Unterricht damit umgegangen wird – musizieren, tanzen, hören, improvisieren… Ein essenzielles Werkzeug hierfür ist die Analyse des Materials. Als weiterer Ausgangspunkt dient das Lernziel der einzelnen Stunde. Welche musikalischen/tänzerischen Fähigkeiten oder Kenntnisse neu gelernt oder geübt werden sollen, beeinflusst den Verlauf der Unterrichtsstunde. Je präziser das Ziel formuliert ist, desto leichter lassen sich Zwischenziele finden, die in Unterrichtsschritte umgewandelt werden können.

Bedingungsfelder: Organisatorische Rahmenbedingungen, die Zielgruppe und die Lehrperson

Die Auswahl eines bestimmten Themas, Inhalts oder die Formulierung eines Stundenziels geschieht vor dem Hintergrund verschiedener Bedingungsfelder. Es muss untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen der Unterricht stattfindet: Welche organisatorischen Rahmenbedingungen sind vorhanden (Raumgröße, -layout, Ausstattung, Dauer, Bezahlung etc.) und wie ist die Zielgruppe (Gruppengröße, Alter, Persönlichkeit und Vorlieben der Teilnehmenden, etc.) beschaffen? Eine strukturierte Bedingungsanalyse, die den Status Quo der Unterrichtssituation detailliert aufzeigt, kann helfen das volle Potenzial dieser „Äußerlichkeiten“ voll auszuschöpfen. Einen besonders großen Einfluss auf die Unterrichtskonzeption hat die Lehrperson – sie ist der Entscheidungsträger. Neben fachlichem, didaktischem und pädagogischem Wissen sowie Unterrichtserfahrung spielen auch persönliche Vorlieben, Einstellungen und Überzeugungen eine wichtige Rolle. Zu analysieren ist dieses Bedingungsfeld vor allem in der Selbstreflexion: Gezieltes Hinterfragen und Beobachten der eigenen Handlungen, Aussagen und Reaktionen gibt Aufschluss über die eigenen Ansichten und Vorgehensweisen.

Stundenverlaufsplanung

All das wirkt sich auf die Planung einer konkreten Stunde und deren Verlauf aus. Die Analyse des Bedingungsfelds hilft außerdem bei der Beantwortung von W-Fragen zur Planung des Unterrichts, die auch schon Hilbert Meyer in ähnlicher Form im „Leitfaden zur Unterrichtsplanung“ stellt. Für mein Konzept bedeutet dies konkret: Was? fragt danach, was gelehrt werden soll. Die zu Beginn ermittelten Zwischenziele werden in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht und pro Unterrichtsschritt anhand bestimmter Aktivitäten bearbeitet. Die Fragen Wo? Wer? Wie? helfen dabei, das Augenmerk auf verschiedene Gesichtspunkte der Methodik zu legen. Die Frage Warum? wird aus Sicht der Teilnehmenden gestellt und fragt danach, ob die einzelnen Unterrichtsschritte einem thematischen, roten Faden logisch folgen.

Vermittlung und Gestaltung der Projektwoche

Kreativität im Fokus

Bei der Stundenkonzeption steht das Finden und Weiterentwickeln von Ideen im Vordergrund. Selbstverständlich spielt auch didaktisches und fachliches Wissen eine wichtige Rolle, aber es ist unabdingbar, Strategien zu kennen, um eine Ausgangsidee zu finden und weiterzuentwickeln. Um der anfangs erwähnten Schwierigkeit der Studierenden, einen Einstieg in den Konzeptionsprozess zu finden, entgegen zu wirken, stand die Kreativität während der Projektwoche im Fokus: „Exciting the mind“ war dafür das Stichwort, das aus Brewster Ghiselins Textsammlung „The Creative Process“ stammt. Durch vielfältige und abwechslungsreiche Aufgaben, wachsame und intensive Beschäftigung mit der Umwelt sowie durch neues Wissen und neue Erfahrungen sollte ein kreativer Prozess angestoßen werden.

Ablauf

Am Ankunftstag stand das kreative Denken und Tun im Vordergrund. Die Lösungswörter der etwa einstündigen Schnitzeljagd leiteten uns in eine ausführliche Besprechung des kreativen Prozesses. Wir besprachen Voraussetzungen und mögliche Einzelschritte und übten diese allein und in der Gruppe. Außerdem wurde das Konzept zur Stundenplanung grob umrissen. Beim folgenden Bastelabend gestalteten die Studierenden unter anderem Selbstporträts, die zur Selbstreflexion anregen sollten.

Am zweiten Tag wurden die theoretischen Grundlagen der Stundenkonzeption erarbeitet und gefestigt. Nach einem spielerischen Einstieg zu Thema und Inhalt folgten Denkaufgaben zur Lernzielorientierung. Anhand von Beispielen wurden Ziele und Zwischenziele formuliert und in Unterrichtsaktivitäten umgewandelt. Am Abend wurde beim „Stammtisch“ eine angeregte Diskussion über die Rolle und Aufgaben der Lehrperson geführt – angeregt durch einen Text von Hilbert Meyer.

Am Folgetag lag das Augenmerk auf Selbstreflexion. Es gab viele Gelegenheiten über die eigenen Überzeugungen, Vorlieben und Interessen nachzudenken und sie im Austausch in der Gruppe oder mit einzelnen Mitstudierenden zu hinterfragen. Nach dem Mittagessen begannen die Studierenden die selbstständige Arbeit zu ihren eigenen Stundenideen. Sie hatten in den vorausgegangenen Einheiten Ideen und theoretische Ansatzpunkte gesammelt, die sie nun weiterentwickeln konnten. Für die Zeit der Freiarbeit lagen Liederbücher, Arbeitsblätter zur Strukturierung der Stundenverläufe, Übersichten von Sozialformen und andere Hilfsmaterialen bereit. In Eigeninitiative organisierten die Studierenden kleine Gruppen, in welchen sie ihre Ideen ausprobierten und besprachen. Der Spieleabend ließ dann die Anstrengung der letzten Tage abklingen.

Am vierten Tag gab es nur noch kurze Einheiten im Plenum zum konstruktiven Feedback und zum idealen schriftlichen Stundenentwurf. Die meis­te Zeit war für eigenständige Arbeit vorgesehen. Einige zogen sich zurück und arbeiteten still, wieder andere trafen sich zum Ideenaustausch und Ausprobieren. Für die „Listening Night“ hatten die Studierenden ein Musikstück ausgesucht, das sie den Mitstudierenden präsentieren wollten.

Am letzten Tag stand die Präsentation der Ideen aller Studierenden bevor. Mündlich berichteten die Studierenden welches Thema, welcher Inhalt und welches Stundenziel ihrer Idee zugrunde lag. Manche Studierenden konnten einzelne Aktivitäten für ihren Unterricht, andere einen fast vollständigen Ablauf präsentieren. Etwa ein Drittel der Teilnehmenden hatte im Laufe der Woche ein eigenes Lied komponiert, einen eigenen Sprechvers geschrieben oder ein bekanntes Lied umgedichtet. Es entstanden Unterrichtsstunden zu Musik aus vielen verschiedenen Genres und solche, in welchen mit den Teilnehmenden selbst Musik entwickelt wird. In den gewählten Themen und Inhalten sind die vielfältigen persönlichen Vorlieben genauso zu erkennen wie mögliche Interessen der Zielgruppen.

Fazit

Natürlich lief nicht immer alles wie geplant: Manchmal mussten Elemente aus Zeitgründen weggelassen werden, andere ergaben sich spontan aus dem Miteinander. Für einen zweiten Durchgang müssten auch bestimmte Inhalte und Methoden überdacht und eventuell verändert werden. Die Atmosphäre jedoch, in der auch die verrückteste Idee ernst genommen wird und auf einmal alles zum Inhalt einer wertvollen Musikstunde werden konnte, entstand wie gewünscht. Außerdem bestätigen die Rückmeldungen der Studierenden die Relevanz des Themas der Intensivwoche, wie zum Beispiel der folgende Kommentar auf einem Feedbackbogen: „Deine Art, Dinge zu strukturieren hat mir unglaublich viel geholfen, Sachen klarer zu sehen und mir Wege an die Hand gegeben, mithilfe derer ich mich durch die Stundenkonzeption hangeln kann, ohne das Gefühl zu haben, im Prozess irgendwo verloren zu gehen.“ Insofern hat das Projekt das Studium und längerfristig den folgenden Berufsalltag der Studierenden um zusätzliche Inhalte und Ideen sowie um ein neues Format bereichert.

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