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Interkontinentales Jubiläum: 150 Jahre Steinway Flügel
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Stellt man Pianisten die Frage, welches Instrument Sie wählen würden, wenn Ihnen die örtliche Situation oder der Veranstalter überhaupt eine Wahl lassen, dann antworten sie beinahe ohne Ausnahme „natürlich den Steinway“. Den sind sie gewohnt und wahrscheinlich steht auch zu Hause einer. Abgesehen von seinen ausgezeichneten Klang- und Spieleigenschaften, gilt der Steinway-Flügel auch als ein unglaublich robustes Klavier. Und nicht zuletzt schätzen Interpreten den guten, weltweiten Service, der zum Steinway-Flügel gehört. Im Zweifelsfall ist der Steinway eben die sichere Bank.

Im Jahre 1853 gründete Henry Engelhard Steinway, vormals Heinrich Engelhard Steinweg, aus Braunschweig die Aktiengesellschaft Steinway & Sons. Wie es dazu kam, dass 150 Jahre später Steinway-Flügel nicht nur die teuersten, sondern auch die weltweit am meisten gespielten Instrumente sind, will dieser Steinway Report skizzieren. Werner Husmann, Vize-Präsident von Steinway & Sons Hamburg mit einem Rückblick: „Nicht das Klavier wurde von Steinway erfunden, aber der moderne Klavierbau mit über hundert Patenten begründet. Vieles, was uns heute selbstverständlich an einem Flügel erscheint, ist Steinway zu verdanken. Wir sind heute mit der gleichen Philosophie wie vor 150 Jahren im Markt tätig: ‚Build the best piano possible – baut das bestmöglich Instrument‘.“ Die 150-Jahr-Feier begeht Steinway ausgiebig: Im Januar stellte man einen von Karl Lagerfeld gestalteten Flügel vor. Parallel präsentierte Steinway dieses Jahr aber auch einen historischen Jubiläumsflügel – eine Neuauflage des Instruments, das einst der polnische Pianist Ignaz Paderewski spielte. Beide Jubiläumsmodelle sind auf 150 Stück limitiert.

Der Bau selbst beruht auf dem Steinway-System, bei dem die Klavierbauer den Verlust von Schwingungsenergie so gering wie möglich zu halten versuchen. Das erreicht man durch eine besondere Statik des Instruments, aber auch durch die Auswahl der verwendeten Materialien und Hölzer. Die Herstellung eines Flügels dauert ein Jahr und ist ein Prozess, der ohne Qualitätsverlust nicht beschleunigt werden kann. Eine der wichtigsten Steinway-Erfindungen für den modernen Flügelbau war etwa die Kreuzbesaitung. Ein Steinway-Flügel wird noch heute aufwändig von außen nach innen zusammengebaut, verwendet wird dazu bis zu fünf Jahre abgelagertes Holz für Korpus und Resonanzboden. Nochmals Husmann: „Von 1885 bis heute hat sich strukturell an den Konstruktionsgrundlagen nichts geändert. Zum Beispiel der Gehäusebau: Hier benutzen wir nur Hartholz im horizontalen Faserverlauf, weil die Schwingung sich hier mit geringstmöglichem Energieverlust fortpflanzt. Wir benutzen ein besonderes Resonanzbodenholz, das wir auch ganz besonders bearbeiten: Wir dünnen zu den Enden hin aus, so dass der Resonanzboden wesentlich flexibler wird. Damit bekommen wir mehr Volumen, aber auch mehr Klangschönheit. Aufgrund der besonderen Mechanik, die Steinway über Jahrzehnte hin entwickelt hat, wird es dann überhaupt erst möglich, dass Sie als Interpret diese Töne modulieren können.“

Weltweit gibt es nur zwei Produktionsstätten für den Steinway: das Mutterhaus in New York und, seit 1880, eine Produktionsstätte in Hamburg. Etwa 3.200 Flügel und etwa 700 Klaviere verlassen jedes Jahr die beiden Werkstätten. Es folgten Gründungen der Steinway-(Verkaufs-)Häuser in Hamburg (1904), Berlin (1909) und München (2000). New York beliefert die Neue Welt und Hamburg ist für Europa und Asien zuständig. Beide Niederlassungen bieten baugleich sieben Flügel- und zwei Klaviermodelle an. In Deutschland liegen die Preise für Klaviere zwischen 19.300 und 22.440 Euro, für Flügel zwischen 42.650 und 95.400 Euro. Von 1853 bis heute wurden über 550.000 Instrumente gebaut. Insgesamt sind heute etwa 1.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Die derzeitige Wirtschaftsflaute verschont aber auch die Nobelmarke nicht. Grundsätzlich ist Steinway genauso marktabhängig wie jedes herstellende Unternehmen. Die Kunden kommen zu 50 Prozent aus dem institutionellen musischen Bereich – darunter Musikhochschulen, Konzerthallen. Hier macht sich der Sparkurs der öffentlichen Hand bemerkbar. Doch auch die andere Hälfte der Käufer, die Privatkunden, sind kein Fels in der Brandung mehr: „Wenn Sie an Menschen denken, die so oder so das Beste kaufen, und deshalb eben auch den besseren Steinway-Flügel haben möchten, dann brauche ich Ihnen auch nicht sagen, was in den letzten drei Jahren an der Börse geschehen ist. Das waren auch Zielgruppen, die besonders Steinway kauften.“

Die Zuwachsraten in Europa sind beschränkt. Dies dokumentieren auch die jüngsten Quartalszahlen. Das Unternehmen gab einen um 21 Prozent gestiegenen Absatz in den USA im Vergleich zum Vorjahr an – das allerdings durch den 11. September überschattet war –, während in Europa und Asien der Absatz von Steinway Flügeln um 10 Prozent fiel. Konsolidiert ergab sich eine achtprozentige Absatzsteigerung weltweit. Werner Husmann sieht die Zukunft dennoch in Asien: „Wir haben heute ein eigenes Haus in Tokio, wir werden in diesem Jahr ein eigenes Haus in China eröffnen, wir haben als einziger westdeutscher Klavierhersteller den Markt dort erfolgreich bearbeitet und eine eigene Niederlassung dort.“

Doch auch hierzulande sieht man Zukunft, wenn auch unter veränderten Vorzeichen: Der klassische Musikbetrieb steckt derzeit in einer Krise, alteingesessene Konzertreihen müssen um ihr Publikum bangen, selbst große Namen füllen heute nicht mehr unbedingt die Konzerthäuser. Die CD-Branche verkauft keine Klassik-CDs mehr und auch die Zahl der Neueinspielungen sank drastisch. Husman verweist auf zwei Hauptstränge, die für das Marketing im Inland von Bedeutung sind. „Aktivitäten wie Wettbewerbe sind heute wichtiger als früher. Da möchte ich auch die Zusammenarbeit mit unseren Handelspartnern erwähnen. Wir haben in jeder größeren Stadt in Deutschland und weltweit einen Händler, der nach bestimmten Kriterien ausgesucht wird. Für alle diese Handelspartner sind Wettbewerbe für Kinder und Jugendliche oder Konzerte für Studenten ein ganz wichtiger Bestandteil in ihren Marketingaktivitäten.“

Betrachtet man die Statistiken der Musikschulen, dann zählt das Klavier nach wie vor zu den Favoriten. Aber mit über neunzig Prozent ist die Quit-Rate hoch. Woran liegt das? An den Unterrichtsmethoden? Am Repertoire, das zu weit weg vom Musikgeschmack der Jugend ist? Für Husman ist es klar, dass ein Flügel- und Klavierhersteller heute nicht nur in das Produkt selber investieren muss, sondern auch in die enge Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Musikschule, Hochschule, Medien, Handel und Kunde: „Muss wirklich jedes Kind, das mit fünf beginnt, Klavier zu lernen, ein Pollini werden? In vielen Ländern gibt es Amateurwettbewerbe und es ist überhaupt nicht notwendig, dass jeder eine Profikarriere anstrebt. Es ist viel wichtiger, dass die Musik als eine Sinn stiftende Freizeitbeschäftigung gesehen wird, die Spaß macht.“

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