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Deutschland zum Klingen gebracht

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Porträt „Musikunternehmer“: Das Tonstudio Bauer in Ludwigsburg
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„Wir sind ein absoluter Dienstleistungsbetrieb!” Übersetzt steht diese Kernaussage der Chefin der Ludwigsburger Bauer Studios, Eva Bauer-Oppelland, für „Arbeitszeiten nach Bedarf”. Dennoch bedeutet eine solche auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene Orientierung keineswegs, wie bei vielen Unternehmen der sogenannten „new economy”, bedingungsloser Einsatz bis zum Umfallen. Flexibles Eingehen auf Wünsche und Möglichkeiten der Künstler verlangt vielmehr Wochenend- oder auch nächtliche Schichten, vorwiegend von den Tonmeistern. Die Produktionszeit selbst, in der in einem der beiden hochmodern ausgestatteten Studios aufgenommen wird, ist dabei in der Regel auf zehn Stunden begrenzt. Das Limit geht auf Erfahrung zurück: Acht Stunden Aufnahme sind häufig zu wenig, mehr als zehn Stunden fast immer zuviel.

Und Erfahrung ist bei den Ludigsburgern eine Ressource, aus der sie üppiger schöpfen können als nahezu jedes andere Tonstudio in Deutschland. Im Frühjahr 1949 von Rolf Bauer, dem Vater von Eva Bauer-Oppelland, gegründet, gehört es zu den ältesten Aufnahmestudios in privaten Händen. Der Plural deshalb, weil Eva Bauer-Oppelland das Unternehmen 1989 zusammen mit ihrem Mann Reiner Oppelland vom Vater übernommen hat. Arbeitsteilig kümmert sich Reiner Oppelland, der als Toningenieur in der Firma begonnen hat, um das technische Management, während Eva Bauer-Oppelland den Studiobetrieb fest im Griff hat.

Von Anfang an gehörte Bauer zu den technischen Pionieren. Bei technologischen Neuerungen hatte er die Nase vorn. Bereits 1958, lange vor den Rundfunkstudios, hielt die Stereophonie Einzug, zehn Jahre später wurde die Mehrspurtechnik eingeführt. Ab 1970 bekam die Aufnahmetechnik Flügel, besser gesagt Räder. Bis heute gehören die Aufnahmen von Udo (Jürgens) ‘70 und Peter Alexander, die mit mobiler Technik gemacht wurden, zu den meistverlangten der Unterhaltungskünstler. Ein Meilenstein in musikalischer wie technischer Hinsicht bildete die Aufnahme des legendären „Köln Concerts“ des Jazzpianisten Keith Jarrett 1975 in der Kölner Oper. Bis heute gehört das Album zu den bestverkauften Jazzplatten aller Zeiten und begründete eine langjährige, enge Zusammenarbeit mit dem Münchner Produzenten Manfred Eicher und seinem ECM-Label.

Neben umfassendem Service mit technischer Spitzenleistung zu überzeugen, hat ebenfalls zum hervorragenden Ruf des Studios beigetragen, der weit über Deutschland hinaus geht. In einigen angloamerikanischen Kreisen gilt „The Tonstudio“ geradezu als Synonym für höchste Aufnahmekultur und brillante Klangqualität. Zum guten Image, den das Studio seit Jahrzehnten bei Produzenten und Musikern aus vielen Bereichen – Jazz, Rock, Klassik, Blasmusik und Schlager – genießt, gehört wesentlich die Arbeit der Tonmeister, die allesamt Musik studiert haben wie ihre Studiochefin. Ganz wichtig sei „die Chemie zwischen Tonmeister und Künstler“, betont Eva Bauer-Oppelland. Viel Fingerspitzengefühl ist deshalb nötig, um bei Musikern, die zum ersten Mal in Ludwigsburg aufnehmen, herauszufinden, mit welchem Tonmeister eine gedeihliche Zusammenarbeit möglich ist. Bei langjährigen Kunden bildet sich regelmäßig eine feste Verbindung mit einem bestimmten Tonmeister heraus, die auch nicht aufgebrochen werden kann. Fünf bis sechs dieser Klangmagier sind teils frei, teils als Angestellte in den Studios beschäftigt. Weitere zehn Leute kümmern sich um alles andere: Vertrieb und Vermarktung der hauseigenen Labels, Akquise, Organisation, Buchung und Koordination.

Der Übergang von der klassischen Vinylplatte, die auch heute noch zur Angebotspalette des Studios gehört, zur CD hat in den 80er-Jahren zu einem richtigen Auftrieb bei Aufnahmen geführt. Dagegen hat die Verbreitung von DAT-Rekordern, preiswerten Homestudios und immer besseren Computern zu einem deutlichen Einschnitt geführt. Für Künstler aus dem Bereich elektronischer Popmusik und des HipHop wird oft nur noch die Postproduktion oder die Abwicklung der LP-Pressung übernommen.

Verstärkt sind die Firmenleiter deshalb in den 90er-Jahren in neue Bereiche vorgestoßen, wo lebendige Musiker benötigt werden und High-End-Technik für akustische Aufnahmen mit anspruchsvollen Klangvorstellungen zum Einsatz kommt. So entstanden in der letzten Zeit vermehrt Filmmusiken, unter anderem Soundtracks für Filme wie „Anatomie“ und „Freunde“. Mit dem „German Pops Orchestra“ verfügt das Studio über einen Fundus hochqualifizierter Orchestermusiker und Solisten, aus dem verschiedene Orchester und Bläser- oder Streichersätze individuell zusammengestellt werden können. „Langsam setzt sich auch im deutschen Filmgewerbe durch, richtige Orchesteraufnahmen zu benutzen“, beschreibt Bauer-Oppelland eine Entwicklung „weg von den Midi-Geschichten“. Dazu gehört auch, dass an der Weiterentwicklung des DVD-Audio gearbeitet wird.

Dennoch bilden Jazz, symphonische Blasmusik – die Hälfte aller Heeresmusikkorps verlässt sich auf das künstlerische Verständnis und das versierte Handwerk der Bauer-Leute – und klassische Aufnahmen unter anderem mit dem Staatsorchester Stuttgart nach wie vor wichtige Standbeine des Studiobetriebs. Bei jungen Jazzmusikern betätigen sich die Bauers sogar des öfteren mit Sonderkonditionen und beachtlichem Engagement als Förderer. Auf der Referenzliste stehen (neben zahlreichen anderen) Namen wie Lionel Hampton, Miles Davis, Chick Corea und Cassandra Wilson, Yehudi Menuhin und Philipp Glas aus der Klassik, Pe Werner, Herbert Grönemeyer und Pur aus der Pop-Rock-Ecke und World- Music-Größen wie Mikis Theodorakis und Giora Feidman, die in Ludwigsburg aufgenommen haben.

Vier eigene Verlage unterm Dach der Bauer Studios runden das Serviceangebot für Musiker ab. Kräftige Konkurrenz ist dem Studio seit einigen Jahren durch Rundfunkstationen erwachsen, die vermehrt auch außerhalb ihres Kernbereichs aufnehmen und selbst Labels betreiben. Bange ist den Studiobetreibern darum kein bisschen, verfügen sie doch mit einer Neve VXS 60/60-Konsole über den Ferrari unter den bestklingenden Mischpulten.

Seit fünfzig Jahren zählen die Bauer-Studios zu den führenden der Branche. Für das Manager-Duo ist es erklärtes Ziel, diese Stellung zu behaupten. Von der herausragenden Klangqualität zeugt eine unverkäufliche Doppel-CD, die mit Aufnahmen von fast drei Dutzend verschiedener Künstler zum 50. Jubiläum erschienen ist. Ein aufregendes und spannendes Dokument.

Weiter Informationen im Internet: www.bauerstudios.de
CD: 50 Jahre Jazz@Bauer

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