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Die Ausbildung kommunikativ öffnen

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Zum Studium generale der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf · Von Wolfgang Rüdiger
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Die vornehmste Aufgabe einer Musikhochschule ist zweifellos die Sicherung unseres hochqualifizierten Musikernachwuchses für die vielfältigen Bereiche und Sparten des Musiklebens durch beständigen hervorragenden Unterricht. Dem kommen die Hochschulen seit Jahrzehnten höchst erfolgreich nach, unser hohes Orchester-, Musikschul- und Schulmusikniveau belegt dies eindrücklich.

  • sich öffentlich zu verständigen über ihre Situation und Stellung in der Gesellschaft;
  • ein Ort der Begegnung zu sein und eine geistige Bildungsstätte, an der künstlerisch geforscht, gelehrt und gelernt und dies einer breiten Öffentlichkeit vermittelt wird;
  • Bestehendes nicht bloß zu reproduzieren, sondern auf den tiefgreifenden Wandel unserer Musikkultur zu reagieren und die Initiative zur Entwicklung neuer Aufgaben- und Arbeitsbereiche zu ergreifen;
  • Fachbereiche zu entgrenzen, Fächer zu verbinden und spartenübergreifend in die Zukunft zu denken;
  • die Türen des Unterrichts zu öffnen, sich auszutauschen und Anteil zu nehmen an der Arbeit der Anderen;
  • die deputatsübergreifenden Qualitäten und Kompetenzen jeder einzelnen Lehrkraft zu nutzen, allen zugänglich zu machen und voneinander zu lernen;
  • Musik als gesellschaftsbildende, identitätsstiftende Kraft in den öffentlichen Diskurs, „aus dem Frieden des Feierabends an die Brennpunkte des Tages“ zu holen;
  • möglichst viele Menschen für Musik zu begeistern und zum Musikhören und -machen anzuregen.

Die Liste der kulturellen Aufgaben – des öffentlichen Selbstverständnisses über die gesellschaftliche Aufgabe der Hochschule und der in ihr Lehrenden und Lernenden – ließe sich sicherlich erweitern. In einem Punkte, der alle anderen mitbetrifft, ist sie indes besonders brisant: in dem der Musikvermittlung. Unser Musikmachen darf nicht länger selbstgenügsam für sich bleiben, der Künstler nicht länger kontaktarm und menschenscheu auf sich bezogen, auf fernem Podium ohne Kommunikation mit den Hörern. Das will das Publikum nicht mehr, die alten Konzertrituale haben abgedankt, die Krise des Konzerts – Hörerschwund, Überalterung, Elitarisierung – verlangt nach einer kommunikativen Öffnung, Ansprache des Publikums und fantasievollen Musikvermittlung. Dies entspricht nebenbei auch dem Wesen der Musik als soziale Praxis voll Sinn- und Vermittlungsgehalts, der entfaltet wird bei jedem Üben, Interpretieren, Vortragen und Vermitteln an ein breites, vielköpfiges Publikum jeglichen Alters und Milieus.

Dass Musikvermittlung ein zentrales kulturelles Bedürfnis unserer Zeit ist, darauf deuten viele Anzeichen und Aktivitäten in der internationalen Orchester- und Ausbildungslandschaft. Einige seien hier genannt:

  • da besuchen die Musikerinnen und Musiker des Royal Scottish National Orchestra regelmäßig Schulen und begeistern mit konzertpädagogisch aufbereiteten Programmen ein junges Publikum für klassische Musik;
  • da lernen die Studierenden der Londoner Guildhall School of Music „performance and communication skills“;
  • da richten die Berliner Philharmoniker ein „education department“ ein, engagieren einen Kinderkonzert-Experten und bekennen sich zur radikalen Öffnung und Kommunikation mit dem Publikum (O-Ton Simon Rattle: „Der Musiker der Zukunft wird auch ein ‚educator‘, ein Musikvermittler sein“);
  • da votiert der neue Generalsekretär des Deutschen Musikrats, Thomas Rietschel (vormals Jeunesses Musicales), für einen hohen Anteil von Musikvermittlungsaktivitäten im Dienstplan eines jeden Orchestermusikers;
  • da entwickeln Hochschulen und Musikuniversitäten konzertpädagogische Curricula und bieten Lehrveranstaltungen zur Programmdramaturgie und Präsentation für alle Studierenden an (so Detmold, Düsseldorf, Wien u. a.).

Dies alles berechtigt, von einem umfassenden „Paradigmenwechsel“ (Thomas Rietschel) im Verständnis von Musik und Musikersein zu sprechen: Vom einseitig auf sein Instrument fixierten Solisten und Orchestermusiker hin zum vielseitig engagierten Musiker, der zugleich Musikvermittler in ausgewählten Bereichen ist und seine Kunst als Mitteilung, Botschaft, Kommunikation versteht.

Dazu bedarf es aber einer neuen Einstellung und Ausbildung, die die Trennung von Künstlern und Pädagogen aufhebt und die traditionelle künstlerische Ausbildung in Richtung Vermittlungskompetenzen öffnet: durch gesteigerte Reflexion und Inhalte wie kluge Übe-, Interpretations-, Auftritts-, Konzertinszenierungs-, Verbalisierungs- und Präsentationspraxis, die zugleich das eigene künstlerisch-instrumentale Lernen und Handeln befruchten und das Studium wieder so geistfähig und gesellschaftsrelevant machen, wie es dem Wesen der Musik und den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Jeder Musiker und jede Musikerin muss heute fähig sein, mit dem Publikum in Kontakt zu treten, ein Konzert zu moderieren, die Hintergründe der Musik, die er spielt, zu erklären und seine Interpretation didaktisch zu begründen. Wo immer er aktiv ist, im Orchester, auf der Bühne, in Hochschule, Musikschule oder Schule – dies alles gehört zum Beruf des Musikers, denn Vermittlung ist ein Wesenskern von Musik als soziale Praxis und klingende Verständigung über die Probleme unserer Zeit.

Unser Studium generale zum Thema „Neue Wege der Musik-Vermittlung“ entspringt dem Motiv und der Zielsetzung einer solchen kommunikativen Öffnung, einer geistigen Selbstbesinnung und (Aus-)Bildung unserer Studierenden zu offenen, wachen, vielseitig interessierten Musikern und Musikvermittlern. Im praxisorientierten Nachdenken über den Sinn des Musikmachens und neue Wege der Vermittlung stellen Lehrkräfte der Robert Schumann Hochschule und auswärtige Gäste aus den Bereichen Künstlerische Ausbildung, Musikwissenschaft, Musikpädagogik, Management, Medienästhetik und Musikjournalismus Schwerpunkte ihrer Arbeit in Klang, Wort und Bild vor.

Die Vorträge finden jeweils Mittwochs um 19.30 Uhr im Kammermusiksaal, Fischerstraße 110, statt:

23. 10. Prof. Claus Reichardt, Violoncello
30. 10. Prof. Dr. Dr. Volker Kalisch, Musikwissenschaft
6. 11. Prof. Barbara Stiller, Initiative Konzerte für Kinder der JMD
13. 11. Prof. Raimund Wippermann, Chorleitung
20. 11. Prof. Georg Friedrich Schenck, Kammermusik
27. 11. Wolfram Goertz, Musikjournalismus
4. 12. Prof. Jürgen Kussmaul, Viola
11. 12. Prof. Michaela Krämer, Gesang
18. 12. Prof. Kerstin Grötsch, Klarinette
8. 1. Prof. Manfred Waffender, Medienästhetik
15. 1. Prof. Dr. Wolfgang Rüdiger, Musikpädagogik/Musikvermittlung
22. 1. Vera van Hazebrouck, Konzertveranstaltung/Intendanz Tonhalle
29. 1. Dr. Winrich Hopp, Kunststiftung NRW
5. 2. Prof. Barbara Szczepanska/Irmhild Wörner, Klavier/Rhythmik

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