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Die Hochkultur-Zentrale

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Unsere nmz steht gewiss nicht im Verdacht, eine wohlfeile Plattform für industrie-musikalische Produkte aus dem Dekadenz-Prozessor der Major-Con-troller abzugeben. Gern aber pfriemeln wir aus den Schlamm-Torten vom Hitparaden-Fließband die gar nicht so seltenen authentischen Rosinen, haben längst erklärt, dass der Unterschied zwischen „U” und „E” mit musikalischer Wirklichkeit wenig zu tun hat. Klang-Konstrukte, die stinkend zum Himmel dröhnen, werden – proportional betrachtet – von gewissen Ausstattern Donaueschinger Experimentalflächen in gleicher Masse produziert wie von Dieter Bohlen. Dass die Haupt-Quelle des wirtschaftlichen Ertrages allerdings übel röche, konnten wir den immer noch auf Zuwachs getrimmten Jahresberichten der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (vulgo GEMA) keinesfalls entnehmen. Eher schien sich eine nasenschleimhaut-verhornte Non-olet-Mentalität breitgemacht zu haben. Die paar in Stiftungen und Fonds abgezwackten Sozial- oder Kultur-Kröten erregen nicht mal mehr die Begehrlichkeit ansonsten verbissen centfuchsender Jingle-Generateure. Ausgerechnet bei der Feier zum hundertsten Gema-Geburtstag wurden wir drastisch eines Besseren belehrt. Die Gema sieht sich als Hochkultur-Zentrale. Anders lässt sich die Programmgestaltung zum Jubelfest im Schinkel-Bau des Berliner Konzerthauses (vom Volksmund inzwischen – wegen der zahlreichen Moden-Shows dort in „Schinken-Burg” umgetauft) nicht erklären.

Strauss, Matthus, Rihm, Henze, Weill – hießen die Komponisten des musikalischen Rahmenprogrammes. Und im verbalen griff “Wunder-gibt-es immer-wieder”-Erfinder und Gema-Vorstandsvorsitzender Christian Bruhn weit auf Eichendorff und Ebner-Eschenbach zurück, um seinem Fest-Vortrag den offenbar anempfohlenen Tiefgang zu verleihen. Null Rock, null Pop, null Musical. Uns soll es recht sein. Wenn so dokumentiert ist, dass es die eher immer noch sperrigen, klassischen Experimentalfelder der Musik inzwischen zum offiziellen ästhetischen Outlook der Gema gebracht haben, schmelzen unsere materiellen Sorgen ums deutsche Musikleben dahin. Denn dieses hohe Bewusstsein wird demnächst gewiss Ausdruck in veränderten Verteilungsschlüsseln finden: Neunzig Prozent der Gema-Erträge gehen künftig in Nachwuchs-Förderung, Musikerziehung, Forschung und Experiment. Zehn Prozent – und das ist deutlich mehr, als es sich Beim Gema-Jubiläum akustisch widerspiegelte, verbleiben den Erzeugern unseres musikalischen Alltags-Ambientes. Hand aufs Ohr: Das ist auch mehr als genug.

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