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Titelseite der nmz 2022/07-08
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Die Kraft der Kommunen ist entscheidend

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Eine Umfrage der neuen musikzeitung zu den Kulturetats · Von Andreas Kolb
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Am Dienstag, den 28. Juni, wurde diese Sommerausgabe der nmz gedruckt, demselben Tag, an dem in Nordrhein-Westfalen die Wahl des Ministerpräsidenten anstand. Auch wenn die nmz-Rotation nicht auf das Ergebnis warten konnte, wird bei der komfortablen Mehrheit von 115 der 195 Mandate der Kandidat der ersten Schwarz-Grünen-Koalition in NRW, Hendrik Wüst, keine Überraschungen zu befürchten haben.

Unangenehme Überraschungen befürchteten aber die Kulturakteure in NRW, nachdem durchgestochen worden war, dass es offenbar Pläne der Koalitionsparteien gab, das bislang erfolgreich agierende Kulturministerium unter der Leitung von Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) „wegzusondieren“ und in ein „Sammelbecken zwischen Wissenschaft, Medien, Sport und Ehrenamt" zu packen. Ein offener Brief von NRW-Landeskulturrat, Deutscher Kulturrat und dem Deutschen Komponist:innenverband erläutert die Hintergründe (siehe Seite 6).

Am 29. Juni 2022 wurde das komplette neue Landeskabinett öffentlich vorgestellt und im Landtag vereidigt. Der Koalitionsvertrag sieht acht Ministerien für die CDU vor, vier für die Grünen. Diese haben bereits bekannt gegeben, wen sie ins Kabinett entsenden möchte – die CDU hat ihre Personalgeheimnisse noch streng gehütet, als diese Zeilen in Druck gingen. Man kann also nur hoffen, dass die Abschaffung des NRW Kulturminis­teriums abgewendet werden konnte.

Schon bekannt ist, dass im Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN steht, dass „der Kulturetat schrittweise noch einmal um 50 Prozent angehoben werden soll. Diese Erhöhung darf aber nicht zu Einsparungen bei der kommunalen Kulturförderung führen. Die Kooperation zwischen Freier Szene und öffentlichen Kultureinrichtungen werden wir fördern.“ Auch Fragen der sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern gemäß dem NRW Kulturgesetzbuch sollen auf der Agenda stehen.

Das für NRW bisher einmalige Kulturgesetzbuch zählt zu Pfeiffer-Poensgens großen Verdiensten; als Vorsitzende der Kulturministerkonferenz kündigte sie an, dass die Länder Standards für Mindesthonorare verabschieden wollten, um die soziale Lage der Künstler zu verbessern. Zudem wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das prüfen soll, wie selbstständige Künstlerinnen in die Arbeitslosenversicherung integriert werden können.

Gefühlt waren diese Initiativen Pfeiffer-Poensgens aber fast die einzigen sichtbaren Aktivitäten dieses neuen Gremiums, das 2019 installiert wurde, um die Kulturförderung der Länder zu stärken und gegenüber der Bundeskulturförderung sowie den Trägern der Hauptlast der Kulturförderung, den Städten und Kommunen, klarer zu profilieren.

Der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hatte das Amt als Erster inne, ihm folgte der bayerische Kultur- und Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU). Dieser wurde in den Sog des Pandemiemanagements gezogen und konnte sich weder seinem Leib- und Magen-Thema Föderalismus widmen noch einer mittelfristigen Kulturförderungsstrategie. Klaus Lederer (LINKE) war der dritte Vorsitzende. Doch statt die Digitalisierung voranzutreiben, wie von ihm geplant, hatte er einen Wahlkampf in Berlin zu führen – und natürlich weiterhin die Coronakrise und deren fatale Auswirkungen auf die Kulturetats „am Hals“. Isabel Pfeiffer-Poensgen als vierter Vorsitzender gelang es endlich, die Konferenz sichtbar zu machen und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Ihr Nachfolger wird aus Niedersachsen stammen, mehr ist noch nicht bekannt.

Große Hoffnungen waren auch auf die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth (GRÜNE) gerichtet, doch auch diese scheint sich im Alltagsgeschäft mit Altlasten wie dem Humboldt Forum, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder dem Wiederaufbau der Garnisonskirche in Potsdam aufzureiben und fällt bestenfalls mit kämpferischen Debattenbeiträgen zu aktuellen Themen wie Rassismus und Antisemitismus auf. Zum Thema Musikförderung gab es aus ihrem Haus bislang nichts zu vermelden – längerfristige strategische Konzepte der Kulturpolitik? Fehlanzeige.

Für das Gegenüber der Kulturpolitik, in unserem Fall für die Verbände der Musik, gibt es also derzeit jede Menge Handlungsbedarf wie Politikberatung, Lobbying sowie die Durchsetzung kulturpolitischer Forderungen. Dass dies mit Expertise und auch im Dialog mit der Kulturpolitik geschieht, dazu soll das Dossier dieser nmz unter dem Titel „Kulturetats in Krisenzeiten“ beitragen.

Die Coronapandemie brachte für zwei Jahre das Kulturleben zum Erliegen. Der Neustart hat begonnen, ist aber oft zäher als erhofft. Über allem hängt die Angst vor einer Winterwelle 2022/23 mit der neuen Omikron-Variante BA.5. Seit beinahe fünf Monaten herrscht überdies Krieg in Europa: Tausende von Geflüchteten kommen auch in Deutschland an und belasten die Etats der Kommunen enorm.

Das alles lässt auch die Kulturetats und die Musikförderung nicht unberührt. Um unseren Leserinnen und Lesern belastbare Fakten zu bieten, machte die Redaktion der nmz eine Umfrage unter zwölf Kulturreferaten beziehungsweise Kulturämtern. Angefragt wurden: Berlin, Bremen, Bonn, Dortmund, Dresden Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, Mannheim, München und Regensburg, die Stadt, in der unsere Redaktion beheimatet ist.

Das pessimistische Bild, das wir erwartet hatten, erfüllte sich auf jeden Fall nicht. Der Anlass für die Umfrage machte auch bei den Antworten den größten Unsicherheitsfaktor aus: Keiner weiß zurzeit, wie sich Pandemie, Ukraine-Krieg und auch Themen wie Mindestlohn auf die Etats auswirken. Lesen Sie mehr auf den Seiten 17 und 18.

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