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Die Musik hält eben jung

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Tonkünstler-Konzert in der Schwartzschen Villa mit Rolf Kuhnert
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Das 33. Tonkünstler-Konzert fand am 15. Juni an gewohnter Stelle, im Großen Salon der Schwartzschen Villa in Steglitz statt. Einen thematischen Schwerpunkt gab es diesmal nicht, Organisator Markus Wenz hatte aus zahlreichen Vorschlägen Werke von Beethoven, Brahms, Liszt, aber auch von modernen Komponisten wie Schulhoff, Harizanos und Gál ausgewählt. Eine Besonderheit war die Uraufführung eines Klavierwerkes von Rolf Kuhnert durch den 80jährigen Komponisten selbst.

Das „Trio WoO 37“, mit dem der Abend eröffnet wurde, schrieb Beethoven in jungen Jahren, wahrscheinlich um 1786 noch während seiner Bonner Zeit. Solisten waren Mitglieder der gräflichen Familie von Westerholt-Gysenberg: der Fürst spielte Fagott, sein Sohn Querflöte und seine Tochter Maria Anna Wilhelmina, Schülerin Beethovens, Klavier. Entsprechend ist der Klavierpart eher virtuos figurativ gearbeitet. An vielen Stellen mutet das Werk noch wie Haydn an, doch einzelne thematische Ideen und kompositorische Lösungen in der Führung und Struktur der drei Stimmen weisen bereits auf das kommende Talent hin. Thea Nielsen (Querflöte), Jochen Schneider (Fagott) und Markus Wenz (Klavier) interpretierten das Frühwerk entsprechend seiner Ausrichtung mit animierender Spielfreude und repräsentativ an den Stilerwartungen der damaligen Zeit orientiertem Ausdrucksrahmen.
Im Anschluss gestaltete Uta Runne eine Liedauswahl von Johannes Brahms und erreichte insbesondere bei „Wie rafft ich mich auf“ eine hohe gestalterische Intensität. Ihrem Klavierpartner Fineas Dragomir gelang es, den dicht gesetzten Klavierpart bei aller Dramatik stets kommentierend und auslotend, nicht jedoch den Gesang überladend zu bewältigen.
Dankenswerterweise durfte das zahlreich erschienene Publikum auch in diesem Konzert einer Uraufführung beiwohnen: Rolf Kuhnert führte in seinen Haydnvariationen über das Thema aus dem 2. Satz von Haydns Sinfonie „Die Uhr“ plastisch vor, wie die Bestandteile eines Themas in vielfältiger Art und Weise neu und wieder spannend zusammengesetzt werden können. Neben dem akustischen blieb auch der visuelle Eindruck dieser Interpretation haften, sah man Kuhnert am Instrument doch in keiner Sekunde die immerhin 80 Lebensjahre an, auf die er zurückblickt. Vital und mit Spielwitz nahm er sich der Vermittlung seiner Komposition an – Musik hält eben jung.
Vor der Pause stand mit einer Liedauswahl von Franz Liszt erneut Vokalmusik auf den Programm, doch unterschieden sich sowohl Inhalt als auch Interpretation von dem zuvor Gehörten. Der Dramatik und eher düster-grüblerischen Grundfarbe der Brahms-Lieder setzten Ute Beckert und ihr Klavierpartner Andreas M. Wolter fein gewebte, harmonisch-satztechnisch durchaus visionär zu erlebende Lieder entgegen, die nicht in das klassische Liszt-Klischee des auftrumpfenden Showstars passen wollten. Besonders in „Ihr Glocken von Marling“ zeigten die Interpreten, mit wie wenig kompositorischen Mitteln es möglich ist, einen musikalischen Spannungsbogen zu spannen und die Zuhörer in Bann zu ziehen.
Im zweiten Programmteil kam die Moderne deutlicher als zuvor zu Wort. Sylvia Hinz (Blockflöte) und Cordula Heiland (Klavier) stellten zwei Kompositionen des 20. Jahrhunderts vor: In Nickos Harizanos’ „In the Mirror of Narcissus“ weben beide Instrumente eine dialogorientierte Struktur, während die „Drei Intermezzi“ von Hans Gál im Vergleich beinahe tonal wirken würden, wären da nicht die bezaubernden klanglichen Wendungen, die die Stücke aus der Masse der Werke der Neoromantik hervortreten lassen.
Zwischen die modernen instrumentalen Beiträge hatte Markus Wenz erneut das gesungene Wort gestellt: Gunter Wurell, begleitet von Johannes Ludwig am Klavier, interpretierte Lieder von Carl Friedrich Zelter, Felix Mendelssohn Bartholdy und Otto Nicolai. Besonders letztere können getrost als Raritäten der Liedkultur bezeichnet werden, die an diesem Abend nach langer Zeit wieder, wenn nicht sogar erstmalig zu hören waren. Angesiedelt sind die Nicolaischen Lieder im opernhaften Gestus und konnten so von Gunter Wurell mit dem ganzen Temperament seiner bühnenerfahrenen Persönlichkeit dargestellt werden.
Der Schluss des Konzerts gehörte wie der Anfang dem Instrument des Jahres 2012, dem Fagott. Wolfgang Bensmann zeigte mit zwei unterschiedlichen Werken die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten dieses Instruments auf. Zunächst spielte er drei Stücke von Eugène Bozza, um dann den Abend mit dem Paradestück für Kontrafagott, Erwin Schulhoffs „Bassnachtigall“, ausklingen zu lassen. Bensmann stellte seiner Interpretation einige launische Zitate des Komponisten voran, die dieser in Zusammenhang mit diesem Werk notiert hatte, um das Publikum dann mit der grotesk-gruseligen Welt des Abgründigen dieses Solostücks zu konfrontieren, die die Zuhörer von einem Extrem ins andere fallen lässt und nicht nur wörtlich in die tiefsten Regionen der Musik führt.
Das Publikum dankte den Künstlern für den kurzweiligen Abend mit herzlichem Applaus. 

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