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Sven Ferchow. Foto: Selfie
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Do they know it’s Easter time?

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Ferchows Fenstersturz 2022/06
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Bin enttäuscht. Während sich das Volk die Seele aus dem Leib spendet, sich pausenlos solidarisiert und ukrainische Kriegsflüchtlinge mit Hilfsgütern überflutet (kann das weg oder ist das schon Ukraine?), scheint der Krieg mitten in Europa noch nicht in der Musikbranche angekommen zu sein. Okay, wäre nicht der erste Trend, den die Branche verpennt. Aber Benefiz und Solidarität als Geschäftsmodell gingen doch immer oder?

Wo ist Ralf Siegel, wenn man ihn braucht? Wann gibt es „Ein bisschen Frieden“ in der „Megapark-Volle-Pulle-Re-Opening-Benefiz-Edition“? Und kann Nicole endlich ihre weiße Friedensakustikklampfe vom „Grand Prix“-Sieg 1982 versteigern? Wo treibt sich eigentlich Bob Geldof rum? Hat er das Wembley Stadion schon gemietet oder siebdruckt er die „Make poverty history“-Plakate in „Make Putin history“ um? Nicht einmal zu Ostern gab es irgendeine CD, von der ein paar Cent für ukrainische Waffen, äh internationale Hilfsorganisationen abgezogen wurde. Wobei. Wenn Olaf weiter nur Steinschleudern liefert, muss man tatsächlich bei Westernhagen anfragen, ob er „Freiheit“ benefizmäßig mit Rammstein neu auflegt. Damit alle Himmelsrichtungen des Spendenvolkes abgedeckt sind.

Sorry, liebe Musikbranche. Selbst die Fußballprolls kreiden den Anstoßkreis als Peace-Zeichen. Obwohl viele Fans die Mittellinie schon vor dem Spiel doppelt sehen. Überhaupt, die Fußballer. Die knien gegen Rassismus, die schweigen bei Kriegsbeginn und wenn der Schäferhund eines Mitglieds stirbt, klatschen sie rührselig Beifall. Es gibt sogar Gerüchte, nach denen sich der FC Bayern aus Solidarität zur Ukraine bei der diesjährigen Meisterfeier nur 250 Liter Weißbier statt der üblichen 750 Liter über die Köppe, hinter die Binde und in die aus Ozeanmüll recycelten Trikots kippte. Man muss den Krieg auch mal kurz wegschütten können.

Nur aus dem Musikbusiness kommt nichts. Keine Gala. Kein Spendenmarathon. Keine Oster-Trucker. Wo sind denn die von Lars Windhorst finanzierten Konzerte am Brandenburger Tor, bei denen das Volk bechern und spenden soll. Klar, Eurovision Songcontest am Brandenburger Tor geht immer. Da können uns die ehemaligen russischen Teilrepubliken gerne wie 2004 (wir erinnern die ukrainische Siegerin Ruslana) mit gegenseitigem Punkteschachern über den Tisch ziehen. Aber Krieg? Nö, lass mal.

Es muss ein Ruck durch das Business gehen. Sofort. Ich sehe Bono in einem Minenräumpanzer. Er sitzt am Steuer. Dahinter ukrainische Soldaten. Und alle so: „In the name of love, what more in the name of love“. Okay. Streiche „love“. Ersetze durch „peace“. Läuft. Oder was ist mit Bob Dylans „Masters of war“? Wird sich doch einer finden, der ein Cover spielt. Möglicherweise eine Kollaboration aus Conchita Wurst und einer asiatischen Boyband. Dann wäre man diskriminierungsmäßig safe. Könnte allerdings auch sein, dass es die Musikbranche diesmal ernst meint. Getreu dem Motto: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner verdient“.

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