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Klaus Doldinger erhält am 8. Juli 2016 in Stuttgart die German Jazz Trophy für sein Lebenswerk. Die Laudatio hält der Plattenproduzent Siggi Loch. Foto: Ralf Dombrowski
Klaus Doldinger erhält am 8. Juli 2016 in Stuttgart die German Jazz Trophy für sein Lebenswerk. Die Laudatio hält der Plattenproduzent Siggi Loch. Foto: Ralf Dombrowski
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Ein Passport für ein ganzes Bühnenleben

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Klaus Doldinger wird achtzig und erhält im Sommer die German Jazz Trophy
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Spricht man mit Klaus Doldinger über Biografisches, wirkt er überrascht. Eigentlich kann er es kaum fassen, dass schon 80 Jahre ins Land gegangen sind, seit er am 12. Mai 1936 in Berlin geboren wurde. Auch deshalb nicht, weil er seit wiederum 63 Jahren auf der Bühne steht und nicht vor hat, daran in absehbarer Zeit etwas zu ändern.

Stichwort Passport, noch so ein Phänomen, 1971 gegründet, inzwischen eine der beständigsten Bands der internationalen Musikszene überhaupt. Dann ist da Inge Beck, seine Frau, mit der Klaus Doldinger seit 1960 verheiratet ist, die wichtigste Konstante in seinem Leben und der verborgene Bezugspunkt einer Energie, die ihn weiterhin vorantreibt. Und natürlich die Musik als Elixier der Unmittelbarkeit, die ihn fest in der Gegenwart verankert. „Ich habe das Zusammenspiel mit anderen Musikern immer als etwas Besonderes, etwas Beglückendes empfunden,“ meint Doldinger zu Grundlagen seines künstlerischen Lebenswegs. „Man kann ja auch viel mit Worten sagen, aber es ist dennoch kein Vergleich zu Tönen. Sie reichen über alles andere hinaus und sind von unbeschreiblicher Ausdrucksmöglichkeit. Das ist die Grundessenz, die man mit dem Jazz in die Wiege gelegt bekommt und sich erhalten muss. Ich habe immer gespielt und keine Ambitionen, mich zurückzulehnen.“

Doldingers erste musikalische Eindrücke reichen bis in eine Kindheit zurück, die durch Krieg, Flucht, Heimatverlust geprägt war. Geboren in Berlin, aufgewachsen in Wien, machte sich seine Familie wieder auf den Weg, als die russischen Besatzungstruppen in Österreich einmarschierten. Ziel war Bayern und dort kam der Knabe erstmals nicht nur mit Kaugummi, sondern auch mit Swing im Marschgepäck der amerikanischen Alliierten in Kontakt. Das hat ihn fasziniert und dazu bewogen, wenige Jahre später in Düsseldorf, nach einer Klarinetten-, Klavier- und Kompositionsausbildung am dortigen Konservatorium 1952 mit „The Feetwarmers“ seine erste Band zu gründen. Doldinger ging den umgekehrten Weg, wie man es von einem Teenager eigentlich erwartet: Er fing mit Oldtime und Dixieland an, sammelte damit erste Preise ein und wurde im Laufe der Jahre immer wagemutiger. Anfang der Sechziger spielte er Soul Jazz, als andere versuchten, in der Auflösung der Form ihr künstlerisches Heil zu finden. Das erste Quartett unter eigenem Namen debütierte 1962 mit Bossa Nova, der Kontakt zu einem pfiffigen Talentscout bei Philips namens Siggi Loch führte zu dem Album „Doldinger – Jazz Made In Germany“ (1963), das immerhin in 20 Ländern veröffentlicht wurde.

Es wurde eine produktive Allianz. Loch machte zügig Karriere, kümmerte sich beispielsweise um den Hamburger „Star Club“, und Doldinger fungierte dabei zeitweilig als künstlerischer Leiter des Programms. Mit Soul Jazz und tanzbaren Sounds ließ sich Geld verdienen, und so wurde Doldinger zu Paul Nero, wenn er nicht gerade unter eigenem Namen für das Goethe-Institut als Jazz-Botschafter Deutschlands um die Welt reiste. Vieles probierte er aus, auch die Vertonung von Zeichentrickfilmen, dann Werbe-Musik und die ers­ten Soundtracks für Filme, etwa „Negresco“ (1969) des Regisseurs Klaus Lemke. Es war ein autodidaktisches Herantasten an ein neues Feld. Über den Regisseur Will Tremper lernte Doldinger junge Filmemacher wie Volker Schlöndorff, Margarete von Trotta, Hans Wilhelm Geißeldörfer kennen, und der Weg führte schließlich zu Wolfgang Petersen, zum „Boot“ (1981), der „Unendlichen Geschichte“ (1984) oder auch zu TV-Aufträgen wie der Titelmusik für die Reihe „Tatort“.

Der Erfolg als Filmkomponist hätte wahrscheinlich den Musiker Doldinger auf die Dauer in den Hintergrund gedrängt, wäre da nicht Passport gewesen. Gegründet 1971, nachdem die Vorgängercombo „Motherhood“ sich schnell an der Vielfalt der Charaktere aufgerieben hatte, wurde sie zur jazzrockigen Homebase Doldingers. International galt die Band als deutsches Pendant zu Weather Report und war so erfolgreich, dass während einer Australientournee schon mal eine junge Rockcombo namens AC/DC als deren Vorgruppe fungierte. Passport wurde zum Klanglabor, zur Talentschmiede für junge Musiker, zur Basisstation, an die Doldinger immer wieder mit neuen Impulsen andockte. Mal war es Brasilien, Marokko, die Karibik, dann wieder Elektronische Musik, Symphonik oder der Fusionsound der Achtziger, der das Repertoire prägte. Das Geburtstags-Album „Doldinger“ führt daher mit Neuaufnahmen von Stücken aus dem umfangreichen Fundus der Band und reichlich Gästen von Dominic Miller bis Helge Schneider durch diesen Kosmos der Doldinger-Melodien. Und eine Tour über den Sommer hinweg bringt die Songs auf die Bühnen. Denn das Kribbeln, nie genau zu wissen, was ein Abend wirklich bringt, die Herausforderung, trotz tausender Konzerte letztlich immer wieder neu anzufangen, und das Erlebnis, ein wenig von dem profunden Glück zu erhaschen, das gelungene Musik zu vermitteln vermag, treibt Klaus Doldinger weiter. Es ist der Kern der Neugier, die ihn zum Instrument hat greifen und zu einem leidenschaftlichen Künstler hat werden lassen.

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