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Eine zarte Pflanze verwurzelt sich nach und nach

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Lydia Grün vom netzwerk junge ohren im Gespräch über den junge ohren preis 2014
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neue musikzeitung: Im Laufe der Jahre gab es immer wieder neue, veränderte Kategorien. Was ist 2014 neu am Konzeptpreis LabOhr? Was wurde aus der Kategorie Musik und Medien?

Lydia Grün: Das Besondere des junge ohren preis ist, dass er auf die Dynamik der Szene reagieren kann – und das auch unbedingt tun sollte. Der Wettbewerb war schon bei seiner Gründung 2006 selbst eine Art Experiment. Es war nicht sicher, ob sich überhaupt Projekte bewerben würden? Und wenn ja, welche? Der junge ohren preis bildet die „Landschaft“ der Musikvermittlung ab – und die ist ständig in Bewegung. Eine statische Ausschreibung, die sich über Jahre nicht verändert, ist völlig fehl am Platz. Denken Sie auch daran, dass die meisten Produktionen in der Musikvermittlung projektfinanziert sind. Ob zielführend oder nicht, ohne es werten zu wollen: Da wird jedes Mal ein neues Konzept eingefordert. Für den junge ohren preis ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) der Hauptförderer. Die Kategorie „Musik & Medien“ war eine Projektförderung durch das BKM. Und zum Wesen eines Projekts gehört ein Anfang und ein Ende – auch in diesem Fall. Wir hatten einen wunderbaren Schlusspunkt mit der Fachkonferenz in Leipzig im letzten Jahr, die das BKM großzügig unterstützt hat.

nmz: „Taktwechsel – Innovation im Musikbetrieb“ ist heuer der Titel der  Tagung bei den Veranstaltungen zum junge ohren preis in Stuttgart. Welche Impulse kann Musikvermittlung bei der Erneuerung des Musikbetriebs geben? In welcher Rolle sieht sich dabei der junge ohren preis? 

Grün: Mit der Tagung setzen wir gemeinsam mit der Musikhochschule Stuttgart den Aspekt der Innovation von Formaten, im Repertoire und in Strukturen des Musikbetriebs, auf die Agenda. In jedem kulturpolitischen Mas-
terplan und Förderrahmen begegnet uns der Begriff der „Innovation“ – und ehrlich gesagt, wir würden gerne wissen, was er eigentlich bedeutet, welche Lesarten es gibt, was „Innovation“ in der Praxis für einen Kulturbetrieb heißt. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit Wettbewerben geht es darum, immer wieder „Neues“ auszuzeichnen. Damit tragen natürlich auch wir unser Scherflein bei, dass sich das Karussell des Projektezirkus schneller dreht. Aber wir wissen auch, dass eine Nominierung für das Standing eines Musikvermittlers gegenüber einem Förderer oder in einer Institution extrem weiterhilft – und damit auch Ermutigung und Motivation für die weitere Arbeit ist. Wir reden hier nach wie vor nicht über einen etablierten Bereich, sondern über eine zarte, sich immer stärker verwurzelnde Pflanze „Musikvermittlung“, die aber noch viel Dünger braucht, um sich im (Selbst)Verständnis von Künstlern und Kultur-Machern festzusetzen. Musikvermittlung ist in diesem Sinne nichts anderes als ständige Erneuerung. Wir denken hier ja nicht nur über neues Publikum nach. Sondern das hat Folgen! Wie gehe ich mit meinem Repertoire um? Wie kann ich inhaltlich und auch räumlich meinen Aktionsradius als Musikerin ausloten? Musikvermittlung bietet ganz neue Spielräume für die kreative Persönlichkeit der Musiker, die – sind wir ehrlich – im normalen Betrieb von professioneller Routine umgeben sind.

nmz: Thema Finanzierung und Förderung: Hauptgeldgeber ist derzeit das BMFSFJ. Nur etwa 10 Prozent des Budgets machen die Beiträge der über 200 Teilnehmer und Mitglieder aus. Wie sind die jungen Ohren aufgestellt?

Grün: Erst einmal: Ich bin froh, dass wir von unserer Basis mit zehn Prozent getragen werden! Wir sprechen hier von Kulturakteuren, Kleinen und Großen: Sie sind für mich kein „Nur“, sondern täglicher Ansporn. Der Gesamthaushalt des netzwerk junge ohren ist das perfekte Abbild einer klassischen Mischfinanzierung. Die anderen 90 Prozent kommen in Form von jährlichen Projektfinanzierungen von einer Vielzahl an Förderern, die uns helfen, unser Anliegen, möglichst vielen Menschen Zugang zur Musik zu geben, umzusetzen. Und zwar nicht nur finanziell, sondern auch mit ideeller Hilfe. Das sind für mich wirkliche „Förder“-Partnerschaften – und das meine ich wörtlich. Unsere Form der Finanzierung heißt für uns, wie für die meisten Kulturträger auch, dass wir unser Angebot immer wieder aufs Neue analysieren, bewerten und neu denken. Klar ist das ein Balanceakt: Natürlich möchten wir Erfolgsmodelle wie den junge ohren preis fortsetzen. Aber das neu Erfinden ohne Scheuklappen gehört zu unserem Geschäft: Insofern begleiten uns manche Projekte über einen längeren Zeitraum, anderes hat eher einmaligen Charakter und wird von neuen Ideen abgelöst. Für uns im Team bedeutet das eine hohe Dynamik, schnelles Reagieren und Denken; ich liebe das und sehe das sportlich. Und ganz im Ernst: Suchte ich Routine, würde ich woanders arbeiten.

nmz: 2015 wird der junge ohren preis zum 10. Mal vergeben werden. Im Magazin „Best of junge Ohren“ kündigen Sie an, dass man sich „neu erfinden“ will? Stellt sich das Netzwerk neu auf?

Grün: Das kommende Jahr ist das Jubiläumsjahr des junge ohren preis – und Anlässe zum Feiern sollte man nie auslassen! Zugleich nehmen wir neuen Schwung: Die regionalen Arbeitskreise (bisher in Berlin und NRW) werden mit unseren Teilnehmern vor Ort als fachliche Ressource weiterentwickelt, erstmal Richtung Süden. Auch die internationalen Partnerschaften nehmen wir noch mehr in den Fokus: Da ist zum einen das Kompetenznetzwerk Musikvermittlung Schweiz+ und zum anderen die YEAH! Botschafter, die wir in ganz Europa suchen und finden. Mit dem YEAH! haben wir natürlich die einmalige Gelegenheit, die europäische Community mit ihren so unterschiedlichen Ansätzen der Vermittlung zu integrieren. Gerade vor den Herausforderungen, vor denen auch ein kulturelles Europa steht, ist das für uns Pflicht statt Kür!

Zum zweiten stellen wir das in den Fokus, was unsere einmalige Stärke ist – nämlich die Arbeit der Teilnehmer vor Ort. Was passiert an Produktionen, an Projekten? Die sind alle enorm bildstark, voller Enthusiasmus und Passion. Das Ohr an der Basis wird vor allem unsere Kommunikation nach außen stark führen.

Interview: Andreas Kolb

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