Die Entwicklung zeitgemäßer und zukunftsorientierter Kinder- und Jugendkonzerte ist ein zentrales Anliegen der Jeunesse Österreich. Dies war Anlass den „Find it Ideenwettbewerb 2004“ zum zweiten Mal auszuschreiben. Künstler, Musiker und Vermittler waren eingeladen, Konzepte und Ideen zu entwickeln und einer international besetzten Jury zur Begutachtung vorzulegen.
Aus über 100 eingereichten Projekten aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Österreich, mit durchwegs interessanten Ansätzen, die von vertonten Märchen und Geschichten über thematisch-aufbereitete Moderationskonzerte bis hin zu Musikvisualisierungen und Tanzperformances reichten, wurden vier Projekte prämiert. Im Zentrum der Bewertung durch eine unabhängige Jury, bestehend aus führenden Musikvermittlern, Konzertpädagogen und -veranstaltern, standen die „Originalität der Idee“, der Musikanteil, die zielgruppenorientierte Aufarbeitung eines Themas und der Einsatz von Vermittlungskompetenz.
Im folgenden Interview mit den beiden zweiten Preisträgern, Elisabeth Naske und Stefan Dünser – erster Preis wurde keiner vergeben – werden Aspekte der Musikvermittlung beleuchtet.
: Frau Naske, Ihr Erfolg mit der Kinderoper „Die feuerrote Friederike“ auf dem Dach der Wiener Staatsoper hat ein sehr positives Echo hervorgerufen. Wo sehen Sie sich als Komponistin?Elisabeth Naske: Ich sehe mich als Suchende. „Was kann ich heute wie schreiben: Wofür, für wen, in welchem Rahmen wird ein Werk aufgeführt?“, sind zentrale Fragen meiner Arbeit. Ich bin ständig bemüht eine aktuelle Sprache zu finden, ich betrachte es nicht als meine Aufgabe ein neues Vokabular und damit verbundene Regeln aufzustellen, die dann vermittelt gehören. Ich will mit dem Material, das bereits da ist, neu umgehen und es so verwenden, dass es für mich Sinn macht. Kinder und Erwachsene sollen damit etwas anfangen können.
nmz: Herr Dünser, in den Blech-Arbeitern wird „sandwichartig“ Musik aus allen Jahrhunderten vermischt. Wo liegt der Hintergedanke Musik von Bach und Fantini mit Kompositionen von Herbert Willi (*1956) und Gerold Amann (*1939) zu kombinieren?
Stefan Dünser: Neuer Musik fehlen oft Sinngebungen, sie schwebt ohne jede Emotion vor sich hin, ohne Bilder hervorzurufen. Oft stellt sie Momente dar, die das Publikum nicht versteht. Es gibt allerdings hervorragende neue Werke, die unbedingt in Konzertprogramme integriert gehören. Das ist meine Philosophie: Neues mit bekanntem Vokabular zu kombinieren und so behutsam zur Musik zu führen. : Sowohl die Glücksfee als auch die Blech-Arbeiter versuchen Emotionen im Menschen auszulösen. Sehen Sie darin eine Möglichkeit Kinder für Musik zu begeistern?
: Musik ist ein hervorragendes Mittel um Emotionen zu transportieren! In der „Glücksfee“ versuche ich darüber hinaus die Sinne – Hören, Tasten, Schmecken, Sehen, Fühlen – auf eine musikalische Ebene zu übertragen, die Musik macht dazu Welten auf und schafft eine weitere Dimension der Wahrnehmung. Kindern kann man fast alles bieten, sie haben keinerlei Berührungsängste, solange ihnen Einstiegshilfen geboten werden – sie haben immer spontane Assoziationen. Kinderkonzerte müssen lediglich in einen formalen oder thematischen Kontext gestellt werden, der Kinder durch die Musik führt.
Dünser: Erwachsene katalogisieren Musik, geben sie in Schubladen, das ist Bach, Mozart oder Musik des 21. Jahrhunderts. Kinder sind viel offener, egal ob Musik alt oder neu, laut oder leise ist. Stil und Epoche sind für Kinder nicht relevant, Musik muss Gefühle, Bilder und Gedanken auslösen. Wir versuchen in den Blech-Arbeitern ausschließlich Musik einzubauen, die ausgezeichnet komponiert oder arrangiert ist. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder und Jugendliche mit einer Bach-Fuge mehr anfangen können als mit einer schlechten Musicalmelodie. Schlicht und einfach: Über die Qualität der Musik, verpackt in eine Geschichte, sprechen wir Kinder direkt an und wollen ihnen ein künstlerisches Erlebnis bieten und so Emotionen auslösen. : Kinderkonzerte funktionieren für Kinder von drei bis zwölf sehr gut. Danach brechen Jugendliche meistens weg. Woran liegt dieses Phänomen: Sind die Dominanz der Bilder (MTV-Generation), neue Medien, das Verlorengehen der Stille und das Freizeitverhalten stärker oder ist es einfach natürliches Verhalten von Teenagern?
: Jugendliche brechen nicht weg, sie befinden sich in einem natürlichen Reifeprozess, sie werden selbstständig und lassen sich nicht mehr von den Eltern an der Hand ins Konzert führen. Ich finde das nicht weiter dramatisch. Teenager wollen selber entscheiden, was sie machen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass man diese Altersschicht erreichen kann. Aber über andere Mittel. Das beginnt bei der Wahl des Konzertortes. Wir werden sie nur schwer in ein Konzerthaus bringen, ein Konzert an einer ausgefallenen Location, wie auf einem Skaterplatz, ist viel realistischer.
Dünser: Jugendliche dürfen nicht zwangsbeglückt werden. Warum kommen sie nicht? Es ist „uncool“ ins Konzert zu gehen. Es geht um einen Lockvogel, wie hole ich sie ab. Wir werden nicht umhinkommen, uns mit „deren“ Themen und Problemen, uns mit „deren“ Gedankenwelt zu beschäftigen. : Das Feld Kinderkonzerte weitet sich immer mehr aus. Trotzdem ist zu beobachten, dass Kinder oft „nur“ als Publikum von morgen gesehen werden. Wie sehen Sie Kinder als Publikum?
: Gerade Kinder als Publikum sind ernst zu nehmen und keineswegs als Publikum von morgen zu betrachten. Ich will sie zum aktiven Hören und Erleben sensibilisieren, ich will einen Beitrag zu einem intensiven Konzerterlebnis schaffen und sie mit einfachsten Mitteln mitreißen. Musik soll zum Grundbedürfnis, ein Konzert zu einem essentiell bereichernden Teil unseres Lebens werden.
Dünser: Bei einem Kinderkonzert versuche ich mir immer die Kinder vorzustellen, ich überlege mir, wer sitzt mir gegenüber, wie kann ich sie „jetzt“ erreichen? Musiker, Schauspieler und Vermittler zugleich zu sein, ist meine Idealvorstellung. Es ist ein zauberhafter Moment, wenn ich Kinder im Publikum sehe und ihre Begeisterung spüre.
nmz: Musik hautnah erleben, neues Publikum ansprechen, offen sein für Neues? Sind inszenierte Konzerte für Erwachsene eine Chance der Zukunft?
: Ich stelle den Konzertbetrieb an sich in Frage. Krawatte, Abendkleid, dasitzen und das klassische Standardprogramm anhören – Werke, die oft als Gebrauchsmusik gedacht und von den Komponisten niemals für den Konzertsaal, so wie wir ihn heute kennen, vorgesehen waren – ich finde es absurd, wenn gerade diese Werke zelebriert werden. Viel lieber möchte ich Erwachsenen Einstiegshilfen über eine Choreographie, literarische Ergänzungen oder bildende Kunst bieten, die das Hörerlebnis vertiefen können. Ich will dazu beitragen, dass Musikvermittlung ein wichtiges Gestaltungselement des modernen Konzertlebens wird.
Dünser: Die Sinngebungen bei Erwachsenen sind ähnlich wie bei Kindern. Wenn es uns gelingt Qualität mit Vermittlung zu kombinieren, haben wir eine große Chance Erwachsene für Musik zu gewinnen und zu begeistern. Alle Sinne ansprechen, wie ein mehrgängiges Menü eines Haubenkoches: nicht von der Musik ablenken, sondern zur Musik hinführen!
Glücksfeen, Blecharbeiter und verlorene Töne
Die prämierten Projekte des „Find it Ideenwettbewerbes 2004“
wurde keiner vergeben
Die Glücksfee von Elisabeth Naske
Musiktheater, das alle Sinne schärft!
Wie klingt Kakao, wie schlechte Laune? Wie klingt die Liebe?
Für Kinder von 5 bis 8, nach einem Buch von Cornelia Funke. Die „Glücksfee“ erzählt nicht nur die Geschichte von Lukas, der immer schlechte Laune hat und allmählich das Glücklichsein erlernt, sondern bringt fast alle Sinne gleichzeitig zum Schwingen: Hören, Tasten, Schmecken, Sehen.
Dabei sind die Kinder, die zuhören, aktiv miteinbezogen: Sie ziehen Lukas die Decke weg, streuen ihm Feenstaub in die Augen, verwandeln seine graue Welt Stück für Stück in eine bunte.
Die Blech-Arbeiter von Stefan Dünser
Musik, die Fassaden fallen lässt.
Musik über die kindlichen Wünsche, Träume, Ängste und Sehnsüchte!
Musik für Kinder von 8 bis 11
Fünf Blech-Arbeiter in blauer Arbeitskluft machen Musik zum Geburtstag ihres Direktors. Man merkt ihnen die jahrelange, harte Arbeit in der Fabrik an, und deshalb streiten, diskutieren, rebellieren sie – auf ihren Instrumenten. Doch schließlich zeigt jeder, wie er sonst noch ist, wenn er nicht gerade arbeiten und schuften muss: Wünsche, Träume, Ängste und Sehnsüchte kommen zum Klingen. Und die Kinder, die das Konzert entschieden mitgestalten, stiften zu Fanfaren, Ständchen, Schrammelmusik, Jazz, Blecharbeiter-Rap oder Walzermusik an. »Ehrliche« Musik: Schräg, schön und eigen!
Manege frei für 100 und 4 von Bernhard Costa
Polyphonie auf der Zirkusplane
Viele Stimmen, ein Klang!
Musik für Kinder von 8 bis 12
Der Innsbrucker Musiker Bernhard Costa, Kinderliedermacher, Geigenbauer und erfahrener Musikvermittler, macht wenig Worte und wenig Geschichten. Lieber lässt er die Musik kursieren, genauer gesagt: die Musik singen und eine ganz bestimmte Mehrstimmigkeit erzeugen. Ein kreisförmiger Manegeteppich mit vier kleeblattförmigen angeordneten Feldern in vier verschiedenen Farben ist seine Zauberfläche, um die Wahrnehmung der Kinder zu trainieren. Dass sie dabei verzaubert werden, versteht sich von selbst.
Sonderpreis mit Einladung zum Jeunesse-Festival 2004 in Wien vom 8. bis 10. Oktober:
mubuntu – oder das Geheimnis um den verlorenen Ton, ensemble mubuntu
Musik für Kinder von 5 bis 8
„Was ist passiert? Sind wir die einzigen, die hier noch Musik machen?“, fragt ein Musiker seine Bassklarinette.
Gerade hatten sich fünf Freunde zum gemeinsamen Musizieren auf der Bühne gefunden, schon ließ ein wilder Klangsturm sie wieder verstummen ... Inspiriert von dem afrikanischen Wort „mubuntu“ für Menschsein ist es den fünf Mitgliedern des Hamburger ensemble mubuntu ein großes Anliegen, besonders die menschlich-kommunikative Seite des gemeinsamen Musizierens in ihren Konzerten hervortreten zu lassen. Das abwechslungsreiche Programm verbindet vielfältige Spiel- und Klangszenen mit improvisatorischen, kammermusikalischen und experimentellen Elementen unterschiedlicher Musikstile.