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Eleganter Übergang – „Win-Win-Situation“

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Thüringer Opernstudio: vier Thüringer Theater kooperieren mit Hochschule
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Seit 2008 existiert der postgraduale Studiengang Thüringer Opernstudio (TOS). Als eine Kooperation der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar mit vier Thüringer Theatern wird jungen Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit eröffnet, wertvolle Bühnenerfahrungen und professionellen Gesangsunterricht an der Hochschule zu kombinieren. Die Leitung des TOS hat der Weimarer Gesangsprofessor Siegfried Gohritz. Johanna Heber sprach mit den Verantwortlichen der Theater in Weimar, Erfurt, Nordhausen und Gera über das Erfolgsmodell.

„Die Kooperation an sich hat eine ganz große Besonderheit, denn im Gegensatz zu anderen Opernstudios in Deutschland arbeiten hier mehrere Theater zusammen“, beschreibt Hans-Georg Wegner, Operndirektor am Deutschen Nationaltheater Weimar, das Thüringer Opernstudio. Bei einem Kaffee in seinem Büro plaudert er über die Spezifika des Programms: „Dadurch, dass wir so viele Theater sind, haben wir ein sehr großes Opernstudio mit bis zu sieben Stellen. Das ist ungewöhnlich viel und das könnten wir uns alleine natürlich gar nicht leisten.“

Die Kooperationspartner des Thüringer Opernstudios sind das Deutsche Nationaltheater Weimar, das Theater Erfurt, das Theater Nordhausen/Loh-Orchester Sonderhausen sowie seit 2014 das Theater & Philharmonie Thüringen mit den Bühnen der Stadt Gera und dem Landestheater Altenburg. Diese vier Thüringer Theater bieten jungen, begabten Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit, professionelle Berufserfahrungen auf der Opernbühne zu sammeln. Intensiv vorbereitet und begleitet werden die Stipendiatinnen und Stipendiaten durch Gesangsunterricht an der Weimarer Musikhochschule.
„Das Alleinstellungsmerkmal des Thüringer Opernstudios ist dabei, dass die Studierenden in der Regel an verschiedenen Häusern zum Einsatz kommen und dadurch mit unterschiedlichen künstlerischen Handschriften und Strukturen in Kontakt kommen“, hebt Kay Kuntze, Generalintendant, künstlerischer Geschäftsführer und Operndirektor in Gera, die Vorzüge hervor.

Festengagement als Ziel

Bei einem Besuch am Theater Erfurt zeigt sich auch Chefdramaturg Dr. Arne Langer an seinem Arbeitsplatz zwischen Notenstapeln und Fachbüchern mit Blick auf den Erfurter Dom begeistert von der Bereicherung durch die Kooperation. Es sei eindrucksvoll, wie die TOSler sich in eine Produktion einfügen. Trotz des großen zeitlichen Aufwands und der vielen Fahrerei seien die jungen Sängerinnen und Sänger immer höchst professionell und mit Begeisterung dabei. Und das in dem Bewusstsein, das Programm als Chance wahrzunehmen, um sich auf diesem Weg für höhere Aufgaben zu empfehlen – was in vielen Fällen auch funktioniert und in einem Festengagement geendet habe, so Langer. Für die Theater ist das Opernstudiokonzept eine hervorragende Möglichkeit, mit jungen Sängerinnen und Sängern zusammenzuarbeiten. Kay Kuntze äußert: „Wir am Theater Altenburg/Gera finden es wichtig, hier lückenschließende Brücken zu bauen.“ Diese Brücken entstehen, indem es den TOSlern ermöglicht wird, im „quasi geschützten Studierendenstatus Proben und Aufführungsprozesse in den Ansprüchen und Bedingungen eines professionellen Theaters zu erleben“, so Kuntze. Ziel dieser Kooperation sei es, einen geschmeidigen Übergang ins feste Engagement zu ermöglichen.

Wertvoller Stimmenpool

Da sich die Ensembles durch das Thüringer Opernstudio vergrößern, ergeben sich für die Theater natürlich weitere Besetzungsoptionen. „Man will oft groß besetzte Stücke haben, was die Größe der Ensembles bei uns und den anderen Häusern allerdings nicht hergibt. Deshalb ist es praktisch, einen Pool an Leuten zu haben, die man dann hinzuziehen kann“, fasst Dr. Arne Langer die Krux der aktuellen Situation zusammen. Hans-Georg Wegner sieht ebenfalls eine wunderbare Möglichkeit darin, für die Besetzung bestimmter Rollen mit jungen Menschen auf das Opernstudio zurückgreifen zu können.
Daniel Klajner, Intendant und Geschäftsführer des Theaters Nordhausen und des Loh-Orchesters Sondershausen, weiß um die mitunter schwierige Situation junger Sängerinnen und Sänger, nach dem Studium mühsam um ein Festengagement kämpfen zu müssen. Denn feste Stellen gibt es nur mit Erfahrung – und Erfahrung nur durch eine feste Stelle. Das Opernstudio schaffe eine Plattform, so Klajner, durch die diese paradoxe Situation gelöst werden könne. Er betont die Vorzüge für die jungen Künstlerinnen und Künstler: „Sie sammeln Erfahrungen, bekommen ein Vorsingen und stellen sich quasi über ihre Arbeit komplett vor. Das ist eine Win-Win-Situation.“

Hans-Georg Wegner stimmt dem zu: „Es geht vor allen Dingen um diesen ersten Schritt miteinander in die Praxis. Für uns ist es einfach fantastisch, wenn wir junge Leute übers Studio kennenlernen können.“ Für Daniel Klajner ist es besonders wichtig, dass alle Beteiligten bestätigt aus der Zusammenarbeit herausgehen. Dazu gehöre es, den TOSlern interessante Rollen anzubieten, in denen sie ihre Potentiale in einem Fach oder Genre zeigen und sich weiterentwickeln können: „Das ist der moralische Anspruch, den wir uns selbst stellen.“ Von daher sieht Klajner im Opernstudiokonzept viel „kreativen Spielraum.“
Die Auswahl der TOS-Mitglieder für eine neue Saison erfolgt bei einem Vorsingen von etwa 50 bis 60 Kandidatinnen und Kandidaten. Vertreter der Hochschule und der vier beteiligten Theater, die gleichermaßen stimmberechtigt sind, bilden die Jury. „Ich denke, dass es dabei von großem Vorteil ist, dass wir Thüringer Intendanten einen regelmäßigen, von großer Kollegialität geprägten Kontakt pflegen“, betont Kay Kuntze. „Die Verständigung untereinander ist von viel Humor getragen und extrem im Sinne der Sache“, findet auch Klajner. Kurze Wege, intensiver Austausch und enger Kontakt zwischen den Thüringer Theatern seien ein schönes Nebenprodukt und ein großer Zugewinn.

Effektive Absprachen

Erfurts stellvertretender Generalintendant Johannes Beckmann lobt die gute Zusammenarbeit ebenfalls. Allen sei klar, dass es im besten Fall auf ein Festengagement an einem der vier Theater für die Stipendiatinnen und Stipendiaten hinauslaufen könne, weswegen es keinen Streit und gute Absprachen untereinander gebe. Auch in Bezug auf die Kommunikation mit der Hochschule werden der direkte Kontakt zur Leitung und das gute Verhältnis zu den Gesangsprofessorinnen und -professoren geschätzt. Daniel Klajner hebt hervor: „Mit den Leuten, die jetzt in der Verantwortung sind, ist es super. Es funktioniert effektiv, freundschaftlich und sachbezogen. Besser kann man es sich nicht wünschen.“
Junge Sängerinnen und Sänger können bis zu zwei Jahre Mitglieder des Thüringer Opernstudios sein. Sie erarbeiten geeignete Partien sowohl in Neuinszenierungen als auch im Repertoire und stehen regelmäßig in den Aufführungen der vier Theater auf der Bühne. Parallel werden sie durch Unterrichte an der Weimarer Musikhochschule nach individueller Festlegung im Hauptfach Gesang sowie im Werkstudium, Sprechen und Szene betreut. Das Stipendium in Höhe von 1.000 Euro monatlich ermöglicht ihnen, in finanzieller Unabhängigkeit konzentriert ihre künstlerischen Kompetenzen zu erweitern und durch den Vorsprung in der Berufspraxis ihre Chancen bei der Suche nach Engagements zu erhöhen. „Da man sie im ersten Jahr gut kennenlernen kann, bekommen sie im zweiten Jahr oft verantwortungsvollere Aufgaben“, erklärt Kay Kuntze. „Sie übernehmen dann durchaus auch Hauptrollen, aber natürlich auch mittlere und kleinere Rollen.“

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