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Peter Kiesewetter. Foto: Martin Hufner
Peter Kiesewetter. Foto: Martin Hufner
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Geistesbildung und musikalische Eloquenz

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Zum Tod des Komponisten Peter Kiesewetter
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Ende 2012 verstarben in kurzer Folge mit Hans Werner Henze und Theo Brandmüller zwei der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten Deutschlands. Am 3. Dezember 2012 folgte ihnen der süddeutsche Meister Peter Kiesewetter nach.

Seit Jahren durch seine fortgeschrittene Parkinson-Erkrankung ans Bett gefesselt, verstummte er künstlerisch bereits Mitte der Nullerjahre des neuen Jahrtausends. Dennoch umfasst sein Werkkatalog mehr als einhundert Werke, dazu viele Früh- und Nebenwerke ohne Opuszahl. Für Kiesewetter war die Ausübung seines Berufes im wahrsten Sinne ernste Musik, mögen auch waschechte Kompositionen von gehobener Unterhaltungsmusik vorliegen. Von den herausragenden Tonsetzern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war er einer der wenigen, der seine Musik im Sinne der Tradition streng in geistliche und weltliche Musik unterteilte. Die Auseinandersetzung mit biblischen und geistlichen Motiven durchzieht seine gesamte kompositorische Emanation. Sein Faible für Gesang entdeckte er selbst als profunder Sänger in zugleich kritischer wie entflammter Beschäftigung mit der Welt des Gregorianischen Chorals als junger Musikstudent. Bis zuletzt galt sein Hauptaugenmerk gesungener Musik, ist seine zweite Ehefrau Adelheid Thanner Sängerin und erste Interpretin vieler Kompositionen. Peter Kiesewetter erlernte Mitte der Sechziger Jahre sein Handwerk in der Kompositionsklasse von Günter Bialas an der Musikhochschule in München. Ersten expressionistischen Kammermusiken und Gesangsszenen folgten bald größer besetzte Orchesterwerke bis hin zu Sinfonien. Als Dozent für Musiktheorie, Gehörbildung und später auch Komposition bildete er ungezählte Musiker profund aus. Zu seinen wichtigsten Schülern zählen so grundverschiedene Charaktere wie zum Beispiel Klaus K. Hübler und Helga Pogatschar oder der aktuell bekannter werdende Leopold Hurt. Anfang der Neunziger Jahre wurde er im Jahresabstand zuerst Honorarprofessor an der Musikhochschule München und unmittelbar darauf ordentlicher Professor an der Musikhochschule Hannover. Dies wurde allerdings jäh durch die Diagnose seiner Parkinson-Erkrankung unterbrochen, was neben der existentiellen, mit immer schmaleren Finanzen zudem auch eine künstlerische Kehrtwende bedeutete und den immer kränkeren Künstler zu einem freiberuflichen Dasein zwang. Allerdings schenkte er uns dadurch seine wichtigsten Stücke.

Einerseits gelangte er mit seinem opus magnum, dem Oratorium „Bereshit“, hypnotisch zu einer  vollkommen autarken Ausformung des Reduktionismus der Neuen Musik. Andererseits kannte seine enorme umfassende Geistesbildung und musikalische Eloquenz keine Grenzen in Werken, die einen fröhlicheren Ton als seine Frühwerke anschlugen und in ihrer Leichtigkeit das glatte Gegenteil seiner geistlichen Werke waren. Er verband leichte Muse mit Formen des Barock und der Frühklassik und bildete so eine eigene Lesart postmodernen Komponierens, das die angerissenen Stile aber weniger unverbunden nebeneinander reihte als eigenständig zu neuen Spielarten verband, worin er an Kunstfertigkeit sogar seinen ihm darin ähnlichen Kollegen Henze manchmal übertreffen dürfte. Derweil Letzterer noch weit bekannter als Peter Kiesewetter ist, bleibt jetzt zu hoffen, dass das Œuvre dieses zu früh verstummten Meisters hoffentlich in Bälde ein größeres Publikum kennenlernt und sein Gesamtwerk zeitgemäß gewürdigt und herausgegeben wird.

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