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Foto: Bundesakademie Trossingen/Antonia Emde
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„Habibi … oder was?“

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Bundesakademie Trossingen: Musikprojekte mit Jugendlichen
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Auf musikalischen Angeboten für Jugendliche in all ihren Facetten liegt derzeit ein Schwerpunkt der Bundesakademie Trossingen. Wie können passende Formate für Jugendliche aussehen? Welche Kompetenzen benötigen Multiplikator/-innen, um entsprechende Konzepte zu entwickeln und umzusetzen? Um unmittelbar in der Praxis zu erproben, wie die musikpädagogische Arbeit mit Jugendlichen insbesondere mit geringen oder keinen musikalischen Vorkenntnissen gestaltet werden kann, führte die Bundesakade-mie u.a. das Modellprojekt „Habibi…oder was?“ durch.

Über mehrere Monate entwickelten die Teilnehmenden, begleitet von zwei Pädagogen, ihr eigenes Theaterstück mit Musik. Im Dialog mit den Fachkräften zieht die Bundesakademie nun Rückschlüsse auf die Kompetenzen, die Multiplikatoren für die Durchführung ähnlicher Projekte benötigen, und lässt diese in die Konzeption ihrer Weiterbildungen einfließen. Das Modellprojekt, das die Bundesakademie mit dem Jugendhilfeverbund Kinderheim Rodt durchführte, wurde von der Werkstatt Vielfalt der Robert Bosch Stiftung als Projekt des Monats ausgezeichnet. 

Arbeit mit heterogenen Gruppen

An dem Projekt nahmen junge Menschen unterschiedlichster Hintergründe teil – Jugendliche aus Wohngruppen des Jugendhilfeverbunds, unter ihnen auch minderjährige Geflüchtete, ebenso wie Schüler und Studierende aus der Region. Musikpädagogen sollten kompetent mit heterogenen Gruppen arbeiten können, um die in der Vielfalt liegenden Chancen zu nutzen: Gerade durch die bunt gemischte Gruppe ergaben sich spannende Momente. Multiplikatoren sollten die Grundlagen der Musik anderer Kulturen kennen und diese im Rahmen einer interkulturellen Musikpädagogik anwenden können.

Um Teilnehmende ohne musikalische Vorkenntnisse zu beteiligen, ist es hilfreich, mit dem elementaren Instrumentarium vertraut zu sein.

Projektarbeit statt kontinuierlicher Angebote

Projekthafte Angebote kommen den Anforderungen jugendlicher Teilnehmender entgegen: Sie werden ihren vielfältigen, oft auch wechselnden Interessen am besten gerecht. Zudem sind sie niedrigschwelliger als beispielsweise die Mitwirkung in einem Orchester oder Chor. Über Kooperationen mit Akteuren etwa aus der freien Jugendarbeit ist es möglich, Jugendliche abseits formaler Bildungseinrichtungen zu erreichen und neue Zugänge zu kultureller Bildung zu schaffen.

Der partizipative Charakter des Projekts ermöglichte es den Teilnehmenden, sich mit ihnen wichtigen Themen auseinanderzusetzen – Heimat, Identität, Freundschaft, Familie, eine (zunächst) fremde Gesellschaft. Auch musikalisch wurden die Teilnehmenden eingeladen, eigene Begabungen einzubringen und weiterzuentwickeln: Statt Kompositionen einzustudieren, wurden aus dem Moment heraus freie Gestaltungen entwickelt. Dabei ließ sich die Gruppe von Musikstilen aller Kulturen inspirieren und lernte unterschiedlichste Instrumente kennen.

Projektleitende sollten künstlerische Mittel (z.B. Musik, Bewegung) situativ einsetzen können, sodass Teilnehmende in kommunikativ-musikalischen Übungen nicht überfordert werden und den Prozess mitgestalten können. Sinnvoll ist oft auch der Einsatz improvisatorischer Mittel.

Interdisziplinärer Ansatz

Durch die Verbindung zwischen Musik und Theater entstanden neue Erfahrungsräume: Oft schloss das Musizieren an die theaterpädagogischen Übungen an. So kam das kreative Potenzial der heterogenen Gruppe ideal zum Tragen. Im Theaterstück fungierten die musikalischen Konzepte als Übergang oder eigenständiger Programmpunkt. Für Multiplikatoren kann es sinnvoll sein, eigene Erfahrungen etwa in der Theater- oder Tanzpädagogik zu sammeln. Auch die gemeinsame Projektleitung mit Fachkräften aus an-deren Künsten ist eine Möglichkeit.

Projektleitende haben eine Moderationsfunktion: Sie gestalten eine Struktur, in der jeder Vorschläge einbringen kann. Wissen über kommunikative Prozesse in der Gruppe sowie partizipative Methoden ist hierfür hilfreich. Musikpädagogen sollten sich zudem Kenntnisse im Projektmanagement sowie interkulturelle Kompetenzen aneignen. So zeigte die Projektarbeit beispielsweise, dass für die geflüchteten Jugendlichen ein öffentlicher Auftritt eine große Herausforderung war. Oft waren Kompromisse möglich, zum Beispiel durch Rollen ohne Text. Hier gilt es, sensibel zu sein für kulturelle Hintergründe und daraus resultierende Bedürfnisse.

Perspektiven

Partizipative Angebote bieten einen vielversprechenden Weg, um in musikalischen Kontakt zu jungen Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zu kommen. Ziel ist es dabei weniger, ein festgelegtes Programm einzustudieren, als vielmehr, die Individualität der Teilnehmenden in den Mittelpunkt zu stellen und die gemeinsame Arbeit so zu gestalten, dass sich jeder entsprechend der eigenen Kompetenzen und Interessen einbringen kann. Die Bundesakademie setzt auch zukünftig Impulse für die musikpädagogische Praxis, um Zugänge zu kultureller Bildung für alle Kinder und Jugendlichen zu schaffen, und erprobt weitere dialogorientierte Ansätze unter anderem in ihrem Modellprojekt „Community Music“. 


Informationen: www.bundesakademie-trossingen.de. Die Bundesakademie wird gefördert vom Bundesminis-terium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

 

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