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Musikalisch faszinierend, szenisch anspruchslos

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Wagners „Rienzi“ bei den Antikenfestspielen in Trier
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Wagners „Rienzi“ ist eine Rarität auf der Bühne. Nicht nur, weil Wagner selbst seinem Frühwerk später ausgesprochen distanziert gegenüberstand, nicht nur, weil die Anforderungen außerordentlich sind, sondern auch, weil das Werk zu den Lieblingsopern Adolf Hitlers gehörte, der sich in der Figur des selbst ernannten Volkstribunen und charismatischen Führers Cola di Rienzi wiederzuerkennen glaubte. „In jener Stunde begann es“, gestand einst Hitler in Erinnerung an eine Linzer „Rienzi“-Aufführung seinem Jugendfreund August Kubizek. Ein aufmerksamer Leser des „Rienzi“-Textbuches könnte zu dem ebenso kuriosen wie makaberen Schluss kommen, dass Hitler im Wesentlichen die Karriere des Opern-„Rienzi“ nachgespielt habe – bis hin zur endlichen „Götterdämmerung“ im brennenden Kapitol.

Dass eine Aufführung, zumal unter freiem Himmel, diesen Kontext reflektieren müsse, wird man nicht unbedingt verlangen. Auch dass es von Friedrich Engels einen Dramenentwurf „Cola di Rienzi“ gibt, muss man in der Geburtsstadt von Karl Marx nicht unbedingt wissen. Dass aber das politische Kräftespiel zwischen Volk, Adel und Kirche, dass Rienzi an die Staatsspitze befördert und am Ende zugrunde gehen lässt, deutlich wird, darf man erwarten. Und schön wäre es zu wissen, ob dieses Wagner’sche Jugendwerk uns in dieser Hinsicht heute noch etwas zu sagen hat.

Bei den diesjährigen Antikenfestspielen spielt man in Trier wieder im Amphitheater. Eine runde Scheibe mit zwei angedeuteten Portalen auf dem Nordhang dient Ausstatter Pet Halmen als Bühne, das Publikum sitzt im Inneren des Geländes auf einer konstruierten Bühne und blickt auf die römischen Relikte – atmosphärisch wie inhaltlich keine schlechte Lösung, denn auch der mittelalterliche Rienzi bewegte sich schon über klassischen Ruinen. Die vorhandenen und konstruierten Wege auf dem Gelände nutzt Regisseur Heinz Lukas-Kindermann für optisch reizvolle, im Falle der Blechbläser-Seitenbühne akustisch freilich etwas heikle Wirkungen. Stimmungsvoll ist die bei Eintritt der Dunkelheit mit Fackeln erhellte Szenerie ohne Frage; Unruhen und Kriegshandlungen werden atmosphärisch deutlich.

Wer aber mit wem und warum kämpft, wird nicht klar. Pet Halmens dunkle Einheitskleidung macht keine Unterschiede zwischen den Adelsfraktionen; und nur das rechte der beiden Portale lässt sich überhaupt öffnen und dient nun im raschen Wechsel als Stadttor, Eingang zur Laterankirche und Haustür des Rienzi. Reviere im politischen Machtkampf oder charakteristische Wege sind hier nicht auszumachen. Die Darsteller beschränken sich auf konventionelle Operngestik und die dramatische Zuspitzung zum Ende hin bleibt in Entwicklung und Ergebnis unklar. John Horton Murray als Rienzi begann sicher, verlor aber zunehmend an stimmlicher Spannkraft und Ausstrahlung. Die weit ausschwingenden Melodien des berühmten Gebetes im 5. Akt vermochte er dem Orchester nicht mehr bruchlos nachzusingen. Nancy Gustafson sang die Irene ansprechend, aber mit wenig Aussagekraft. In der Hosenrolle des zwischen den Fronten hin- und hergerissenen Adriano überzeugte Chariklia Mavropoulou. Markantes Profil entwickelten Peter Koppelmann und Andreas Scheel in den Nebenrollen des Baroncelli und Cecco del Vecchio. Der stark geforderte Festspielchor zeigte mitunter Schwächen in der Höhe. Erfreulich war insgesamt die Textverständlichkeit.

Ohne Einschränkung beeindruckend geriet die Leistung des Orchesters. Erstmals wirkten das Orchestre Symphonique et Lyrique de Nancy et de Lorraine aus dem benachbarten Frankreich und das Städtische Orchester Trier zusammen. Dass hieraus ein bruchloser, homogener Klangkörper entstand, ist keine Selbstverständlichkeit. Sebastian Lang-Lessing, musikalischer Direktor des Nancyer Orchesters, dirigiert präzise, beschwingt und mit wachem Gespür für dramatische und lyrische Momente. Selbst bei szenischem Leerlauf lässt diese Musik keine Langweile aufkommen. Und es ist faszinierend zu hören, wie viele großartige Melodien und spannende Ensembles in dieser Partitur stecken, wie stark die französische „grande opéra“ die Musik geprägt hat und wie nahe Wagner hier seinem späteren Antipoden Verdi ist. Schade nur, dass man in Trier bei den Antikenfestspielen bislang einen so niedrigen Anspruch an die Inszenierung stellt!

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