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Otello im Nowhere-Land

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Berlins Beitrag zum Verdi-Jahr im Digital-Format
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Verdi: Otello; Christian Franz (Otello), Emilly Magee (Desdemona), Valeri Alexejev (Jago), Stephan Rügamer (Cassio) und andere, Chor der Deutschen Staatsoper Berlin, Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim; Inszenierung: Jürgen Flimm, Bühne: George Tsypin, Kostüme: Doey Lüthi; Bildregie: Alexandre Tarta (2001, live)
Arthaus/Naxos DVD 100 346 (157‘)

Nach und nach erscheinen die Opern-Produktionen des Verdi-Jahres 2001 im Digital-Format: nach Falstaff-Produktionen aus Mailand und Aix-en-Provence und dem Züricher „Macbeth“ nun „Otello“ aus Berlin. Und man kann sich nur wundern, dass ein bedeutendes Haus wie die Staatsoper unter den Linden so wenig Grundlegendes beizutragen hatte: Regisseur Jürgen Flimm und sein Bühnenbildner George Tsypin verlagern das Geschehen auf ein Schiff. Ein schlüssiger Ansatz, denn natürlich ist das Protagonisten-Trio in Verdis „Otello“ aufeinander geworfen, ohne Chance auf Flucht. Dabei rücken die emotionalen Facetten der Oper für den Zuseher in weite Ferne – weil einen die durchgestylte Bühne mit jeder Menge Glas, Treppen und Podesten ziemlich kalt lässt und sicher auch wegen Flimms Personenführung: Sie pendelt zwischen passiver Rampenästhetik und einem ständigen Hin und Her, bei dem mir bis zuletzt nicht ganz klar wurde, worin die Verbindung zum Stück besteht – ein Luxusdampfer ins Nirgendwo.

Leider kann Daniel Barenboim das Ruder nur selten an sich reißen. Immer dann nämlich, wenn mit wenigen Takten eine Atmosphäre gezeichnet wird wie vor dem Liebesduett oder im Vorspiel zum 3. Akt. Nur: Dass man allein mit klanglicher Finesse und Kultiviertheit auch den Untiefen der Partitur gerecht wird, dürften all jene bezweifeln, die noch die brennenden Versionen von Toscanini, Serafin und Busch im Ohr haben.

Der Otello von Christian Franz ist eine seltsame Mischung aus kräftigen, manchmal gestemmten Tönen und zarten Lyrismen – oft glaubt man, zwei verschiedene Stimmen zu hören. Emily Magee als Desdemona ist eher das unschuldige Opfer als die starke, emanzipierte Frau und für mein Gefühl sehr leicht besetzt.

Enttäuschte Verdi-Fans sollten zumindest Valeri Alexejev eine Chance geben, der den Jago optisch und akustisch als kultivierten Schreibtisch-Täter gibt.

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