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Titelseite der nmz 2018/10.
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Theo Geißler über Alarmsignale in und aus der Musikpädagogik
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Musikunterricht in der dörflichen Grundschule. Mitte der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Unser Allround-Lehrer hatte seine pädagogischen Zentralprinzipien wohl noch auf dem Nürnberger Reichsparteitags-Gelände erworben. Sein Ein-Meter-Lineal jedenfalls nutzte er beim allmorgendlichen Absingen des „Liedes der Bayern“ ausgiebig als Drum-Stick auf den Köpfen melodie- und/oder textunsicherer Mitschüler. Aber immerhin: Es wurde gesungen. Und es gab (zumindest in Oberbayern) Lehrerinnen und Lehrer für zirka dreißigköpfige Klassen.

Jahrzehnte später erreichen uns unablässig Alarmsignale. Musikunterricht scheint – falls er überhaupt noch erteilt wird – das beliebteste Ausfall-Fach in allen Schultypen. Weil sich der Lehrermangel entgegen den Beschwörungen bundesländlicher Kultur- und Bildungsministerien mittlerweile auf fast alle Fächer und Schultypen ausgedehnt hat, pendeln die Pädagogen-Fehl-Zahlen derzeit um die vierzigtausend. Vermutlich sind die Bildungs-Personalplaner in den entsprechenden Ministerien noch mit zerkratzten Rechenschiebern ausgerüstet.

Wie dem auch sei: Abhilfe tut not. Und so schickt man zwar, motivationsvernichtend, Junglehrer/-innen während der großen Ferien in die Arbeitslosigkeit. Lockt aber möglichst arbeitslose Akademiker/-innen, es können aber auch gestandene Handwerker/-innen sein – mit süßen Worten, wenig Cash und idealismustriefendem Verbalgesülze zum „Quereinsteigen“ als Hilfslehrkräfte. Der Baggerfahrer als Gesangslehrer? Gundermann hätte es gekonnt – wäre aber wohl eine Ausnahmeerscheinung geblieben. Also Waldarbeiter – ran ans Hackbrett, Regierungsräte – prädestiniert für rhythmische Sportgymnastik, und natürlich Banker – das Fach heißt dann: „Sich gekonnt zum eigenen Nutzen verrechnen“ – und dann moraleshalber den Choral „Ach Herr, vergib uns unsere Schuld“ (BWV 127) anstimmen, den auch die gut tausend wegen bedenklicher sittlicher Haltung soeben freigestellten katholischen Geistlichen (ausgezeichnete Hilfs-Altphilologen) mitsingen dürfen.

Sicher, erst mal nur eine Zwischenlösung, um die Bildungskatastrophe zu mildern. In zwei, drei Jahren nämlich ist spätestens serienreif, was bereits unsere Kleinkinder wie auch unsere Greise zum jeweils angemessenen Lebens- oder Ablebens-Zeitpunkt begleitet: kuschelige Roboter-Hündchen, die aktuelle Hitparaden im Mix mit althergebrachten Kinderliedern trällern. Nahezu humanoide weichhäutige Pfleger/-innen aus Chips und Polymeren (natürlich recycelter Plastik-Müll), die sanft ins Bett und auf den Topf helfen. Einige wenige Updates und Modifikationen – und schon haben wir dank künstlicher Intelligenz alle Bildungsproblematiken kostengünstig behoben.

Im Musiksektor haben erste Modelle bereits unerkannt sowohl beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ wie beim Wettbewerb der ARD erste und zweite Preise errungen. Weitere Modelle mischen sich beim Kongress des Bundesverbandes Musikunterricht unter Teilnehmer/-innen und Akteure. Was für ein tolles Pädagogen-Material.

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