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Titelseite der nmz 2019/05.
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Teil-Habe

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Andreas Kolb über Framing und Wahlwahl
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Ob europaweit oder kommunal: Wahlkampf ist nicht nur ein Wettbewerb der besseren Ideen und Programme, sondern auch ein Wettbewerb der Werbeagenturen. Nach den Wahlen folgt die mühsame Zeit des politischen Alltags, in der Politiker mit mehr oder weniger Verve und Glück versuchen, ihre Wahlkampfversprechen in Gesetze umzumünzen. Auch diese Detailarbeit kann man werbetechnisch merklich aufbessern.

„Framing“ nennt sich das Verfahren im Werbe-Fachjargon und so reiht sich das „Starke-Familien-Gesetz“ zwischen dem „Gute-Kita-Gesetz“ und dem „Familienentlastungsgesetz“ ein. Klingt doch besser als „Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und der Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe“; oder als „Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung“; oder gar „Gesetz zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen“.

Dass der Bundestag am 21. März den Gesetzentwurf zum sogenannten „Starke-Familien-Gesetz“ beschlossen hatte, war für die neue musikzeitung Anlass, das Thema Teilhabe bei einer Veranstaltungsreihe auf der Leipziger Buchmesse kontrovers zu diskutieren. Unter dem Framing „Kultur für alle? Wie viel Kultur braucht der Mensch“ debattierten Fachleute aus Opern- und Konzerthäusern, Stiftungen und Fachverbänden über kulturelle Teilhabe beziehungsweise Ursachen nicht gelingender Teilhabe. Welch große Rolle das Einkommen der Eltern bei der kulturellen Teilhabe spielt – und somit auch bei der kulturellen Bildung –, belegt eine Jugendbefragung, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im Rahmen des Sozioökonomischen Panels durchführte. Die Ergebnisse wusste man bereits zuvor: Nur wer die Mittel hat, kann teilhaben.

Wenn Sie als Leser der nmz an dem mühsamen Prozess partizipieren wollen, hinter die Framings und Slogans unserer an der Wiederwahl interessierten Kulturpolitiker zu schauen, dann finden Sie im Dossier auf den Seiten 17 und 18 dazu einige Anregungen. Und dass ein Begabtenförderungs- und -entdeckungsunternehmen wie die Wettbewerbe von „Jugend musiziert“ ganz zentral die kulturelle Teilhabe im Blick haben muss, unter­streicht der „Jugend musiziert“-Vorsitzende und Bundesvorsitzende des Verbandes deutscher Musikschulen, Ulrich Rademacher, im Interview rechts und weiter auf Seite 25.

„‚Jugend musiziert‘ ist überhaupt nicht elitär“, sagt er. Auch wie Teilhabe möglich wird, führt er aus: „Musikschulen müssen Gebührensys­teme haben, die sozial gestaffelt sind. Musikschulleitungen müssen ihren Lehrenden erlauben, viel Zeit aufzubringen, Jugendliche auf ‚Jugend musiziert‘ vorzubereiten. Stiftungen und Sponsoren müssen weiterhin bereit sein, Instrumente für begabte Kinder zu stiften, die sich diese selber nicht kaufen können. Wir müssen bei Anschlussmaßnahmen darauf achten, dass die Preise nicht zu einer sozialen Auslese führen. Und wir dürfen niemals zulassen, dass es für ‚Jugend musiziert‘ eine Anmeldegebühr gibt.“

Framing ist nicht nötig bei diesem Klartext.

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