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Üben, üben, üben…

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Einer Meldung in der englischen Zeitung „Daily Telegraph“ ließ sich entnehmen, dass die Musikband „Creed“ von ihrem Publikum in Chicago verklagt wurde, weil ihr Sänger nicht in der Lage gewesen sei, auch nur ein einziges Stück einigermaßen über die Bühne zu bringen. Dabei geht es insgesamt um immerhin 1,3 Millionen englische Pfund, welche die 18.500 Zuhörer dieses Konzertes nun zurückerstattet haben wollen. Angeblich war der Sänger betrunken oder anderweitig „medizinisch vergiftet“.

Die Folgen, die aus einer eventuell erfolgreichen Klage resultieren könnten, würden dramatisch zur Reinigung der gesamten Musikbranche führen. Häufig muss man schließlich nicht einmal betrunken sein, sondern einfach nur gar nicht singen können – was ohnehin fast niemand mehr tut: Heute tut man bekanntlich auch in Deutschland „performen“. Die durch das Milli-Vanilli-Syndrom zur Sicherheit in allen Fernsehshows (von Viva bis „Wetten dass“) eingeführte Prozedur, vermittels A-cappella-Einlagen die gegenwärtig gepuschten Live-Style-Sänger zur musikalischen Kasse zu bitten, trägt leider nur zur weiteren Verunsicherung bei, weil viele Sänger nicht einmal einen einstimmigen Gesang beherrschen. Das hätte mal den Beatles oder Simon Rattle passieren sollen: „Hey John, hey Paul und George, könnt ihr mal auch ohne Instrumente singen?“ – „Hey Sir Simon, kannste auch ohne Orchester dirigieren, würden wir gerne mal sehen! – Ist ja toll, Wahnsinn (klatsch, klatsch, klatsch).“

Doch das eigentlich Interessante des Vorfalls aus Chicago ist vielmehr, dass dem Publikum überhaupt aufgefallen ist, was für ein Murks da stattgefunden hat und sich dagegen, wer hätte das gedacht, zur Wehr setzt. Das lässt hoffen, dass das momentane Künstlerdesign der Musikwerbeagenturen doch nicht so platt hingenommen wird. Also mehr üben, weniger saufen, sonst kann es teuer werden. Auch Tätowierungen und diverse andere chirurgische Körperveränderungen überdecken längst nicht musikalische Nullen.

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