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Vor 50 Jahren

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Gebrauchsgegenstand Schallplatte
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Werner Goldschmidt gehört zu den Pionieren unter den Schallplattenherstellern, denn er verschrieb sich und seine WERGO-Produktion ausschließlich der zeitgenössischen Musik. Inzwischen sind andere Firmen mit umfangreichen, mehr dem Markt als der Sache dienenden Repräsentationsalben nachgestoßen, doch Goldschmidt ist schon wieder vorn: Er startete eine „Taschendiskothek Neuer Musik“ mit 17cm/33 U/min-Schallplatten, die nur 6,90 DM kosten und damit die Platte endlich zu dem machen, was sie schon längst hätte sein sollen: zum Gebrauchsgegenstand für wirklich an der Sache Interessierte, zudem für solche, denen 25 DM immer noch eine Menge Geld ist, und das sind mehr, als man gemeinhin glaubt.

Vorbildlich auch die beigefügten Texte, die sofort „mitten drin“ sind und das Wesentliche über die Intention des Komponisten und die Struktur des Werkes aussagen. Unter den Neuheiten vom Herbst 1969 seien besonders hervorgehoben: Luciano Berio (Platten-Nr. WER 319) mit dem fast klassizistischen Frühwerk „Due Pezzi“ für Violine und Klavier, das sich doch wohltuend von jenen Fließbandproduktionen konzertanter „Erneuerung“ abhebt, in denen die Hohe Schule des Kontrapunkts im leeren Stroh geritten wird; ferner enthält diese Platte „Sequenza I“ für Flöte solo, das Werk stammt aus dem Jahre 1958 und ist natürlich viel besser und präziser artikuliert als die Dutzendware der späteren Flötensolo-Schwemme. Ebenfalls sehr zu empfehlen ist Gottfried Michael Koenigs „Funktion Gelb“ (WER 324), eine gut überschaubare Komposition elektronischer Klangfiguren. Boulez’ Flötensonatine von 1946 (WER 320) gehört schon zu den Klassikern der Moderne, noch mehr natürlich Bergs 3 Orchesterstücke in der ausgezeichneten Interpretation durch Hans Rosbaud (WER 321).

Erst jüngst für die neue Musik entdeckt wurde das Cembalo und die Blockflöte, die Taschendiskothek trägt dem Rechnung mit zwei reizvollen Cembalostücken von Isang Yun und Earle Brown (WER 323) sowie einer Platte, die der Blockflötist Michael Vetter mit zwei allerdings recht belanglosen Werken von Stockhausen und Bussotti bespielt hat (WER 325). Polen ist immer noch modern: Pendereckis „Capriccio für Oboe und Streicher“ und Serockis „Segmenti“ sind hier zusammengefaßt (WER 314). Etwas modisch in Klangfarben wühlt Cristobal Halffter in seinem Orchesterstück „Anillos“ (WER 318), dieses Stück mußte ebenso wie György Ligetis „Lontano“ (WER 322) aus platztechnischen Gründen leider entzweigeschnitten werden: solches Verfahren ist der Sache nicht dienlich und sollte in Zukunft vermieden werden.

Hartmut Lück, Neue Musikzeitung, XIX. Jg., 1970, Nr. 2

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