Body
Mit einem Festakt in der Oberen Rathaushalle feiert die Freie Hansestadt Bremen ihre Stadtbibliothek. Am 15. Mai vor einhundert Jahren wurde auf dem Ansgarikirchhof die erste "Lesehalle" eröffnet, ein Vorläufer der heutigen Bibliothek.
Bremen (ddp-nrd). Heute führt diese Einrichtung mehr als 600 000 Bücher, Zeitschriften und elektronische Medien, und sie gilt als eine der größten öffentlichen Leihbüchereien Deutschlands. "100 Jahre Zukunft - Urbanes Bildungszentrum für alle - Erst recht im Internet-Zeitalter" hat der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel als Titel für seine Festrede gewählt, mit der er auf die Vergangenheit zurückblicken und gleichzeitig einen Ausblick in die Zukunft der Stadtbibliothek wagen will.Die Anfänge der Bibliothek waren bescheiden. Als sich im Januar 1901 eine illustre Herrenrunde in Bremen versammelte, konnte sich keiner von ihnen die Entwicklung ausmalen, die ihre Idee einer öffentlichen Lesehalle nehmen würde. Der ehemalige Sparkassendirektor Georg H. Claussen, der streitbare Pastor Albert Kalthoff und der Senator und spätere Bürgermeister Victor Wilhelm Marcus gründeten in diesen Tagen einen Verein namens "Lesehalle". Ihre Vision: Sie wollten zum ersten Mal in der Geschichte Bremens eine Bibliothek gründen, die der ganzen Bevölkerung offen stand.
Nur wenige Monate später hatten sie es geschafft: Am 15. Mai 1902 eröffnete in einem Neubau am Ansgarikirchhof in der Bremer Innenstadt die Vorgängerin der heutigen Stadtbibliothek Bremen, die Lesehalle.
Voller Hoffnung begrüßte der erste Direktor, Arthur Heidenhain, damals die Besucher. Wie viele andere Kultureinrichtungen der Hansestadt war die Lesehalle die Gründung einer Bürgerinitiative. Und wie viele andere lebte sie vor allem von Spenden. Neben der Sparkasse stiftete in erster Linie der Mitgründer und langjährige Vorsitzende des Vereins Lesehalle, Victor Wilhelm Marcus, der Bibliothek immer wieder ein halbes Vermögen.
Zunächst verzeichnete die Lesehalle ein rasantes Wachstum in allen Bereichen. Durch Inflation und Weltwirtschaftskrise brach der Betrieb in den 1920er Jahren jedoch zweimal fast völlig zusammen. Die Schrecken der NS-Zeit prägten auch die Geschichte der Stadtbibliothek Bremen und ihrer Vorgängerin. Die die Säuberungen durch die Nationalsozialisten und schließlich die Bombardements des Zweiten Weltkrieges richteten enorme Schäden an.
Der erneute Aufstieg der Stadtbibliothek Bremen begann unter dem neuen Namen "Volksbüchereien der Freien Hansestadt Bremen" erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Buchstäblich mitten in der Trümmerwüste baute der damalige Bibliotheksdirektor Werner Mevissen eines der größten und jahrelang vorbildlichen Bibliotheksnetze der Bundesrepublik auf. Bis Ende der 70er Jahre entstanden über die Stadt verteilt 44 Bibliothekseinrichtungen. Dann kam Anfang der 80er Jahre der jähe Einbruch: Bremen war pleite; die einst so vorbildliche Stadtbibliothek wurde in den folgenden zehn Jahren regelrecht heruntergespart.
Nach den Sparbemühungen begannen Anfang der 90er Jahre Modernisierung und Wiederaufbau der Einrichtung. Die seit 1992 amtierende Direktorin Barbara Lison musste zunächst zwar weitere Filialen schließen. Doch zugleich wurden unter ihrer Leitung die Elektronische Datenverarbeitung eingeführt und das Angebot um Filme auf Video und DVD sowie um Musik-CDs und CD-ROMs erweitert.
Nach der Eröffnung des Stadtteilbibliothek West im Jahr 1999 steht nun ein weiterer Ausbau der Stadtbibliothek auf dem Plan. Im Herbst 2003 soll die Zentralbibliothek aus ihren beengten Räumlichkeiten am Schüsselkorb in die bis dahin umgebauten historischen Gemäuer des ehemaligen Polizeihauses umziehen. Dort soll dann ein Medien- und Veranstaltungszentrum entstehen. Denn auch mit dem 100-jährigen Bestehen soll es noch lange keinen Stillstand für die Einrichtung geben.
Michael Köster