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«Randfach» Musik - Verband fürchtet um musischen Unterricht +++ Mehr Mut zu Musik - Schulmusiker und Musikschullehrer fordern für Kinder Recht auf musische Bildung und ein Instrument +++ Schule mit Warteliste - Andrang auf einen Platz in der Musikschule
«Randfach» Musik - Verband fürchtet um musischen UnterrichtRostock/Schwerin (ddp-nrd). Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern deutscher Schulmusiker (vds) hat davor gewarnt, den Musikunterricht «in eine der hintersten schulischen Ecken» zu stellen. Mit der neuen Oberstufenverordnung des Landes drohe genau diese Gefahr, sagte vds-Landesvorsitzender Markus Riemer in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp. Musik sei schon jetzt leider «absolut ein Randfach» jedoch zu Unrecht.
Nach Verbandsschätzungen werden in Deutschland bis zu 92 Prozent des Musikunterrichts nicht fachgerecht oder auch gar nicht erteilt. Für Mecklenburg-Vorpommern seien die Prozentzahlen wahrscheinlich nicht ganz so hoch, die Situation bleibe aber besonders an den Grundschulen «fatal», betonte Riemer.
Außerdem kritisierte der vds-Landesverband, dass die neue Oberstufenverordnung die Projektkurse abschafft. Dies werde das Aus für zahlreiche Chöre, Bands und musisch-ästhetische Projekte bedeuten.
Mehr Mut zu Musik - Schulmusiker und Musikschullehrer fordern für Kinder Recht auf musische Bildung und ein Instrument
Schwerin (ddp-nrd). «Schauen Sie sich doch einmal unsere neuen Computer an», sagt der Schuldirektor stolz. «Die haben insgesamt 100 000 Euro gekostet.» Doch als die Rede auf Geld für den Kauf von Instrumenten kommt, zuckt der Schulleiter nur bedauernd die Schultern. Kein Einzelfall: An Schulen wird mehr Wert auf die Ausstattung mit Technik und Sportgeräten gelegt als auf verbesserte Möglichkeiten zur musischen Erziehung. «Es gibt zu wenig musikalische Bildung», beschreibt Christiane Krüger, Vorsitzende des Musikschul-Landesverbandes und selbst Chefin der Kreismusikschule Uecker-Randow, die Situation. Doch das sei kurzsichtig gedacht. Denn der Zugang zu musikalischer Bildung sei nicht nur ein von der UNESCO gefordertes Grundrecht, sondern vor allem ein wichtiges Element der Persönlichkeitsentwicklung.
Die Gelegenheit zur möglichst frühzeitigen aktiven Beschäftigung mit Musik fordert auch der Landesvorsitzende der Schulmusiker, Markus Riemer, der an einem Rostocker Gymnasium Musik unterrichtet. Musik dürfe nicht als Ware betrachtet werden, sie sei ein Selbstwert. Musikunterricht und musikalische Erziehung müssten Musik erlebbar machen und die musikalische Kompetenz fördern. Erst diese Kompetenz ermögliche Orientierung im musikalischen Dschungel der Mediengesellschaft.
Krüger sieht ein weiteres Problem: «Wenn wir nicht sehr früh den Umgang mit dem Medium Musik beginnen, dann kann es uns passieren, dass wir bald ein musikarmes Land sind. Denn unsere Arbeit ist ja vorausgedacht.» Es gehe den Musiklehrern und Musikpädagogen auch um die nächsten Generationen, die genau so gute Musik hören wollten wie die heutige. Im Mittelpunkt müsse dabei das praktische Musik-Erfahren, das eigene Musik-Machen stehen. Nur wer tatsächlich selbst ein Instrument erlerne und sich im besten Sinne des Wortes spielerisch ausprobieren könne, der werde den emotionalen Wert von Musik auch wirklich fühlen. Erst so habe die Musik eine Chance, ins Herz zu gehen, sagt Krüger.
Nur aus Büchern lasse sich das nicht lernen, sind sich die Experten einig. Schließlich käme wohl auch niemand auf die Idee, fügt Krüger hinzu, Sport nur an der Tafel zu unterrichten. Erst das Musik-Machen bringe den großen Spaß und befördere das Miteinander beim Musizieren. «Und wo erst einmal mit der musikalischen Ausbildung angefangen wurde, da wird die musikalische Beschäftigung sehr schnell zum Selbstläufer», erklärt Riemer. Kinder und Jugendliche übernähmen selbst die Initiative, der Lehrer werde im positiven Sinne sehr schnell zur «Randfigur». Und das sei doch schön, sagt der Lehrer.
Für eine solche Entwicklung braucht es zum einen den Mut, solche musikalischen Prozesse anzufangen, und zum anderen genügend finanzielle Mittel - nicht zuletzt für die Anschaffung von Musikinstrumenten. Schließlich belegen zum Beispiel Erfahrungen aus dem erfolgreichen PISA-Teilnehmerland Finnland - dort hat jedes Grundschulkind die Chance, ein Instrument zu erlernen - den langfristigen und weit über das Spezialgebiet hinaus reichenden Nutzen einer solchen Beschäftigung.
Gemeinsam planen die beiden Landesverbände deshalb eine landesweite «Kooperation Musikschule - allgemein bildende Schulen in Mecklenburg-Vorpommern», wobei kompetente Schulmusiker und Musikschulpädagogen vor Ort partnerschaftlich zusammenarbeiten. Dazu gehören gemeinsame Konzerte, Ensembles und Orchester. Angedacht sind Auftritte von Musikschülern oder Musikschullehrern im Unterricht allgemein bildender Schulen und Workshops wie «Kinder komponieren für Kinder» und «Afrikanisches Trommeln». Und spätestens dann dürfte dieser kulturellere Dialog nicht mehr zu überhören sein - auch für eher unmusikalische Ohren.
Jürgen Seidel
Schule mit Warteliste - Andrang auf einen Platz in der Musikschule
Schwerin (ddp-nrd). An den insgesamt 20 Musikschulen in Mecklenburg-Vorpommern werden zurzeit mehr als 17 000 Schüler unterrichtet, darunter etwa ein Viertel in der musikalischen Früherziehung und in der musikalischen Grundausbildung. Mehr als 12 000 Schüler nehmen instrumentalen oder vokalen Hauptfachunterricht. Beim Landessausscheid «Jugend musiziert», der in diesem Jahr am 20. und 21. März 2004 in Torgelow im Landkreis Uecker-Randow stattfindet, kommen die rund 200 Teilnehmer fast ausnahmslos aus den Musikschulen. Das Interesse an einem Platz in den musischen Einrichtungen ist groß. Derzeit stehen rund 2000 Kinder und Jugendliche auf den Wartelisten.
An den Musikschulen des Landes sind 732 Lehrkräfte tätig, darunter 282 hauptamtlich beschäftigte Musikpädagogen. 17 der Schulen sind in kommunaler Trägerschaft, nur 3 arbeiten unter dem Dach von Vereinen. Die Finanzierung tragen Kommunen oder Träger zu etwa 45 Prozent, das Land mit 22 Prozent und die Nutzer, die dafür Unterrichtsgebühren bezahlen, zu 33 Prozent. Im Landesdurchschnitt mussten die Schüler 2002 einen Jahresbeitrag von rund 500 Euro entrichten, an einigen Musikschulen lagen Spitzenwerte bei rund 700 Euro. Das ist der zweithöchste Satz im Vergleich der neuen Bundesländer.
http://www.musikschulen.de / http://www.vds-mv.de