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29.7.: kulturelle bildung aktuell +++ rechtschreibreform

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Duden-Redaktion sieht «kein Zurück» bei Rechtschreibreform +++ Zweite KMK-Runde: Im Oktober steht Rechtschreibung erneut auf dem Plan +++ Ex-CDU-Kultusminister Gölter gegen Stopp der Rechtschreibreform


Duden-Redaktion sieht «kein Zurück» bei Rechtschreibreform
Mannheim (ddp). Die Duden-Redaktion warnt eindringlich vor einer Rücknahme der Rechtschreibreform. Dies würde bei den Betroffenen eine erhebliche Unruhe auslösen und hätte einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden zur Folge, sagte Redaktionsleiter Matthias Wermke der Nachrichtenagentur ddp in Mannheim. «Wir können nur empfehlen, dass die Kultusminister bei ihrer Entscheidung vom Juni bleiben», betonte er.
Die neue Rechtschreibung sei seit acht Jahren im Gebrauch und funktioniere im Alltag offensichtlich. Außerdem gebe es internationale Verpflichtungen, und in der Schweiz sowie in Österreich sei das Thema «durch». Die neue Auflage des Dudens werde wie geplant am 28. August in den Handel kommen.
Die Rückmeldungen an die Duden-Redaktion aus der Lehrerschaft wiesen nicht darauf hin, dass es bei Schülern große Probleme gebe, fügte Wermke hinzu. Neue Untersuchungen aus Österreich belegten, dass weniger Fehler gemacht werden. Er könne zwar verstehen, dass sich die ältere Generation schwer tue, sich auf die neuen Regeln einzustellen. Diese beträfen aber im Wesentlichen Schüler, die damit offensichtlich zurechtkämen. Er sehe keinen Grund, «jetzt das Rad zurückzudrehen», betonte Wermke.
«Außerdem verändern die neuen Regeln das Schriftbild nicht wesentlich», fügte er hinzu. «98 Prozent der neuen Rechtschreibung sind die alte Rechtschreibung.» In einem normalen Text seien die Neuerungen praktisch nicht erkennbar, ist er überzeugt.
Es sei nicht das erste Mal, dass die Reform «Sommerloch-Thema» sei, fügte Wermke hinzu. Auch über die alte, 1903 eingeführte Rechtschreibung sei all die Jahrzehnte heftig gestritten worden. Die Geschichte wiederhole sich. Die Diskussion sehe er deshalb «mit einiger Gelassenheit, weil es kein Zurück mehr gibt».
Bei der Duden-Sprachberatung wird nach den Worten von Wermke am häufigsten nach dem Ersatz von ß durch ss, der Verbindung aus Adjektiv und Partizip sowie der Kommasetzung bei der Infinitivgruppe gefragt. Letzteres Problem sei aber auch schon bei der alten Rechtschreibung immer wieder aufgetaucht.


Zweite KMK-Runde: Im Oktober steht Rechtschreibung erneut auf dem Plan
Berlin (ddp). Innerhalb von vier Monaten muss sich die Kultusministerkonferenz (KMK) zum zweiten Mal mit der Rechtschreibreform befassen. Nachdem das Gremium erst Anfang Juni einstimmig die verbindliche Einführung der neuen Schreibregeln ab August 2005 festgelegt hatte, formiert sich nach den Länderregierungschefs nunmehr auch Widerstand in den Reihen der Kultusminister selbst. Deshalb werde sich die KMK im Oktober erneut mit der Reform beschäftigen, kündigte die Präsidentin und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) am Mittwoch an. Nach einer Umfrage will jeder zweite Deutsche zurück zu den alten Regeln. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hingegen kritisierte die Diskussion als «so überflüssig wie ein Kropf».
Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken sagte, die Debatte sollte «ganz schnell dort versenkt werden, wo sie herkommt: im Sommerloch». Es sei nicht hinnehmbar, dass jetzt Landes- und Bundespolitiker die Reform Jahre nach ihrer Einführung zur Disposition stellten. Eine Rücknahme käme einer «völlig unsinnigen Geldvernichtung gleich». So hätten Verlage Millionenbeträge in neue Korrekturprogramme und Rechtschreiblexika investiert.
Ahnen nannte den Antrag ihres saarländischen Amtskollegen Jürgen Schreier (CDU) «etwas merkwürdig», da sich die KMK festgelegt habe. Schreier hatte in einem Brief gefordert, die Reform abermals zu behandeln, da sich inzwischen fünf Ministerpräsidenten von CDU und CSU sowie Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) für eine Reform der Reform ausgesprochen hatten. Dabei könnten die Kultusminister nicht unbeteiligt zusehen, sagte Schreier. Er forderte die unverzügliche Einsetzung eines neuen Rates für die deutsche Rechtschreibung an Stelle der bisherigen zwischenstaatlichen Kommission. Dieses Gremium solle mit «völlig offenem Ausgang» nochmals die Reform betrachten.
Auch sein niedersächsischer Amtskollege Bernd Busemann (CDU) sprach sich für eine Rücknahme aus. Busemann habe schon immer Probleme mit dem Zustandekommen der Reform gehabt, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Hannover. Auch mit inhaltlichen Details sei er nicht zufrieden. Wichtig sei, dass bald eine endgültige Entscheidung herbeigeführt werde. Das Verfahren dürfe nicht weiter unnötig in die Länge gezogen werden, betonte der Sprecher.
Ahnen geht hingegen nicht davon aus, dass sich an der Rechtschreibreform noch etwas ändern wird. Die meisten Kultusminister seien auch jetzt noch für die Reform. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Ute Schäfer (SPD) hatte zuvor schon die Rücknahme als «absurd» bezeichnet.
Die Mehrheit der Deutschen will jedoch zurück zur alten Rechtschreibung. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Hamburger Magazins «Stern» ergab, dass 55 Prozent der 1001 Befragten die Rechtschreibreform ablehnen. Nur jeder Dritte (38 Prozent) spricht sich für die neuen Regeln aus.
Wolfgang Schönwald

Ex-CDU-Kultusminister Gölter gegen Stopp der Rechtschreibreform
Mainz (ddp). Der frühere Kultusminister von Rheinland-Pfalz, Georg Gölter (CDU), hält die von Unions-Ministerpräsidenten geforderte Rücknahme der Rechtschreibreform für nicht verantwortbar. Ein solcher Schritt sei von der Sache her nicht zu rechtfertigen, sagte der rheinland-pfälzische CDU-Landtagsabgeordnete am Mittwoch im Fernsehen des Südwestrundfunks. Gölter war von 1981 bis 1991 Kultusminister in Mainz und gilt als einer der Väter der Rechtschreibreform.
Der CDU-Politiker sagte zu dem Vorstoß einiger Unions-Regierungschefs: «Das sieht sehr nach Sommertheater aus und nach einem Stück Populismus.» Gölter wirft der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) vor, sie habe die Rechtschreibreform von Anfang an verhindern wollen. Das Blatt spreche Politiker an und berichte ständig über dieses Thema.
Allerdings sieht auch Gölter «ein paar Punkte, die dringend der Korrektur bedürfen». In Details habe sich die Reform «ein bisschen verheddert». Jetzt wäre es aber vernünftig, nicht hektisch zu reagieren. Die Reform sollte in Kraft gesetzt werden. Nach zehn Jahren sollte man überprüfen,. ob es wirklich eine Reihe von Punkten gebe, die der Korrektur bedürfen.