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Aufklärung ist am wichtigsten - In Leipzig soll in den kommenden Jahren ein Holocaust-Museum von internationalem Rang entstehen
Leipzig (ddp-lsc). Der rote Stern auf dem spitzen goldenen Turm erinnert noch an jene längst vergangenen Zeiten im Russischen Pavillon, als zweimal im Jahr zu den Leipziger Messen der Handel mit dem Westen blühte. Inzwischen steht der denkmalgeschützte Bau auf dem Gelände der alten Leipziger Messe seit vielen Jahren leer. Bald aber soll die ehemalige Ausstellungshalle wieder genutzt werden: In dem Pavillon wird in den kommenden Jahren ein Holocaust-Museum errichtet, das es in dieser Form bisher in Deutschland noch nicht gab. Das Leipziger Dokumentationszentrum zur Geschichte der NS-Diktatur soll in einer Reihe mit den weltweit bekannten Holocaust-Museen in Washington sowie dem Yad Vashem in Jerusalem stehen, so das Ziel der Initiatoren von der Stiftung Deutsches Holocaust-Museum. Derzeit beginnt die Planung für den Umbau des Gebäudes.
Bis in frühestens drei Jahren der erste Abschnitt des Museums eröffnet werden kann, gibt es für den Hannoveraner Hans-Jürgen Häßler und die anderen Mitglieder der Stiftung noch einiges zu tun. Der 67-Jährige brachte die Idee eines solchen Museums vor zehn Jahren ins Gespräch. «In Washington gibt es ein Holocaust-Museum. Deshalb muss es auch im Land der Täter so etwas geben», sagt der engagierte Privatmann im ddp-Gespräch. Zunächst wollte er das Aufklärungszentrum mit Hilfe staatlicher Mittel aufbauen. Als die Bundesregierung wegen der angespannten Haushaltslage abwinkte, mussten neue Wege gefunden werden. Die Stiftung beschloss, das Projekt mit privaten Mitteln zu realisieren.
Viele bekannte Persönlichkeiten haben bereits den Aufruf der Stiftung zur Gründung eines Holocaust-Museums unterschrieben. Weil die Resonanz so riesig war, glaubt Häßler, dass der Wunsch in der Gesellschaft nach einer solchen umfassenden Aufklärungsstätte groß ist. Berlin kam als Standort für das Museum wegen der Dichte an Erinnerungsstätten dieser Art bald nicht mehr in Frage. Als Leipzig und Erfurt Interesse bekundeten, entschied sich die Stiftung im Oktober vergangenen Jahres wegen der günstigen Infrastruktur und der zentralen Lage für die sächsische Stadt.
Nun suchen die Initiatoren nach großzügigen Sponsoren für das Holocaust-Museum. Häßler hofft, bis Ende dieses Jahres eine Broschüre mit den konkreten Umsetzungsplänen sowie der Kostenplanung für das Projekt herausgeben zu können. Wie viel Geld für die Realisierung notwendig ist, könne er jetzt noch gar nicht sagen. «Wir planen eine umfassende Abhandlung aller Opfergruppen der NS-Diktatur - nicht nur der Juden, sondern auch Homosexueller und anderer», sagt er. Während viele Gedenkstätten in Deutschland in erster Linie die Erinnerungskultur pflegten, gehe es dem Leipziger Museum hauptsächlich um die umfassende Aufklärungsarbeit in den verschiedensten Bereichen.
Geplant sind Häßler zufolge 13 Themenbereiche, angefangen bei den Ursachen für die Machtergreifung der Nazis, über die Angriffskriege der NS-Diktatur und die einzelnen Verästelungen des Naziregimes bis in die Zivilgesellschaft, aber auch die Aufklärung über die neuen Erscheinungsformen von Rassismus und Nationalsozialismus in der Gesellschaft. Der Stiftung gehe es mit ihrem Museum um Aufklärung und Ursachenforschung - objektiv und emotional neutral. «Wir wollen nicht so sehr die Leichenberge zeigen wie die KZ-Gedenkstätten», sagt der Mann, der dem Wissensdefizit über diese Epoche vor allem bei jüngeren Menschen begegnen will. «Viele Schüler wissen heutzutage gar nicht mehr, wer Hitler war», sagt Häßler. Viele von ihnen schauten bei diesem Thema einfach weg, was der Initiator des Museums für sehr gefährlich hält.
Nach dem Umbau des Pavillons durch ein renommiertes Architektenbüro sollen auf einer Ausstellungsfläche von 10 000 bis 12 000 Quadratmetern alle wichtigen Aspekte dieses großen Themenkomplexes beleuchtet werden. Dafür kauft die Stiftung Dokumente und Exponate an, hofft aber auch auf Spenden aus der Bevölkerung. «Aus dieser Zeit ist noch viel im Umlauf», weiß Häßler. Die Grobplanung sehe unter anderem einen Filmvorführ- und einen Vortragsraum sowie eine Bibliothek, Räumlichkeiten für die Verwaltung
und ein Archiv vor. Vielleicht wird es auch einen eigenen Ausstellungsraum zur Geschichte des Pavillons geben, der zunächst das Hakenkreuz der Nazis und später den roten Sowjetstern trug.
Eines weiß Häßler schon jetzt: Der Stern muss ab vom Dach. Er soll später im Gebäude ausgestellt werden und etwas über die Geschichte des Hauses erzählen.
Susann Huster