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Die Akademien der Künste in Berlin, München und Dresden erheben Einspruch dagegen, die reformierte Rechtschreibung am 1. August zur Pflicht an den Schulen zu machen. Sie kritisierten den Beschluß der Kultusministerkonferenz in einer gemeinsamen Erklärung, die sie gestern, einen Tag vor dem Treffen der Ministerpräsidenten in Berlin, veröffentlichten.
Die Erklärung im Wortlaut:Gemeinsame Erklärung zur vorzeitigen Inkraftsetzung der Rechtschreibreform durch die deutschen Kultusminister
Aus Anlaß der bevorstehenden Zusammenkunft der Ministerpräsidentenkonferenz erklären wir:
Mit ihrem jüngst gefällten Beschluß, Teile der Rechtschreibreform vom kommenden Schuljahr an notenwirksam werden zu lassen, stellen die Kultusminister der deutschen Bundesländer Schüler und Lehrer vor eine unlösbare Aufgabe.
Die neue Rechtschreibung liegt in zwei Fassungen von 1996 und 2004 vor; die Fassung vom Juni 2004, welche nun zum Teil verbindlich werden soll, ist unseres Wissens noch in keinem Schulbuch vollständig dargestellt. Jene Bereiche der Neuregelung, welche die Kultusminister eigenmächtig für unstrittig erklären, waren es nie und sind es auch heute nicht. Sie enthalten zum Teil sogar Verstöße gegen die Regeln der Grammatik und Wortbildung des Deutschen. Die Lehrkräfte dürfen nicht gezwungen werden, als falsch zu werten, was eigentlich richtig ist und nach wie vor in Zeitungen und Büchern gedruckt wird.
Die bisherigen Arbeitsergebnisse des Rats für deutsche Rechtschreibung laufen in wesentlichen Teilen auf eine Wiederherstellung der Rechtschreibung hinaus, die durch die Reform aufgehoben werden sollte. Das entspricht der Position, die die sich vereinigenden Stimmen der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Künste 2003 und 2004 in drei Briefen an die Kultusminister der deutschsprachigen Länder vorgetragen haben. Die Akademien sind weiterhin bereit, bei der Ausarbeitung einer konsensfähigen Rechtschreibregelung mitzuwirken, wie es für andere Kulturnationen, so Frankreich, Spanien und Schweden, selbstverständlich ist; diese haben die Pflege der Orthographie in die Hände ihrer traditionsreichen Akademien gelegt. In diesen Ländern herrscht Rechtschreibfrieden; demgegenüber haben die deutschen Kultusminister den deutschen Akademien nur drei Sitze in einem achtunddreißig Sitze umfassenden Gremium eingeräumt.
Die einheitliche deutsche Orthographie läßt sich nicht durch einen überstürzten Administrationsakt wiederherstellen. Solange die Reform der Reform im Schul- und Amtsbereich nicht vollzogen ist, wäre es in hohem Maße fahrlässig, Partiallösungen mit Amtsgewalt zu fixieren.
Prof. Dr. Adolf Muschg, Akademie der Künste (Berlin)
Prof. Dr. Dieter Borchmeyer, Bayerische Akademie der Schönen Künste (München)
Prof. Dr. Ingo Zimmermann, Sächsische Akademie der Künste (Dresden)