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Dem musikalischen Ausdruck auf der Spur

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Quartett live – Musik zu viert: Ein Projekt mit dem Nomos-Quartett in Hannover
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Jugendlichen eine Musik zu eröffnen, für die sie seit über 15 Jahren zusammen leben und arbeiten. Dabei aber nicht von der Bühne herunter zu einem stummen Publikum zu spielen, sondern in einen persönlichen Austausch und lebendigen Dialog einzutreten – das war die Anfangsidee des Nomos-Quartetts für ein Projekt, das durch die produktive Zusammenarbeit von Musikern, Vermittlern und Lehrenden und vor allem dank großzügigen Sponsorings (Kulturregion Hannover, Region Hannover und Hochschule für Musik und Theater Hannnover) im Januar und Februar erfolgreich in die Tat umgesetzt werden konnte: An acht Schulen der Region Hannover war das Nomos-Quartett je einen Vormittag zu Gast und gestaltete in Workshops eine besondere Art von Musikunterricht.

Jugendlichen eine Musik zu eröffnen, für die sie seit über 15 Jahren zusammen leben und arbeiten. Dabei aber nicht von der Bühne herunter zu einem stummen Publikum zu spielen, sondern in einen persönlichen Austausch und lebendigen Dialog einzutreten – das war die Anfangsidee des Nomos-Quartetts für ein Projekt, das durch die produktive Zusammenarbeit von Musikern, Vermittlern und Lehrenden und vor allem dank großzügigen Sponsorings (Kulturregion Hannover, Region Hannover und Hochschule für Musik und Theater Hannnover) im Januar und Februar erfolgreich in die Tat umgesetzt werden konnte: An acht Schulen der Region Hannover war das Nomos-Quartett je einen Vormittag zu Gast und gestaltete in Workshops eine besondere Art von Musikunterricht.Um dabei mit den Schülerinnen und Schülern direkt und gezielt arbeiten zu können, stand ein didaktisch-methodischer Rahmen zuvor fest, durch den die Musikerinnen und Musiker freier waren, auf die einzelnen Lerngruppen reagieren zu können, ohne den großen Bogen aus dem Blick zu verlieren (Konzeption: S. Meine). In den Klassen 7 bis 10 wurde am romantischen Repertoire, in Oberstufenworkshops an zeitgenössischer Musik gearbeitet.

Gleich zu Beginn lud das Quartett die Schüler dazu ein, sich mit ihren persönlichen Gefühlen auf das Musikhören einzulassen und dabei die Musiker an ihren Vorstellungen teilhaben zu lassen, wodurch sofort zum direkten Austausch mit den Gästen ermutigt werden sollte – ein Ansatz, der aufging und von den Schülern honoriert wurde, wie etwa ein Kommentar aus einer 8. Klasse zeigt: „Ich fand gut, dass man Gefühle und Vorstellungen äußern konnte“. In den Mittelstufenworkshops bewegten sich die Schüler über eigene Bilder und Ideen zum Ausdruck kurzer, kontrastierender Ausschnitte ganz natürlich in die Musik selbst hinein. Jetzt wollte man herausfinden, warum die Musik mal wie ein ruhiger Fluss oder eine amerikanische Kleinfamilienidylle im Film, dann aber wie ein Unwetter oder eine düstere Kriegsszene wirkte: „Die Ausschnitte waren gut gewählt, man wollte dann auch das Ganze hören“ (8. Klasse).

Meist gelang es dabei auch, eine Brücke zur musikalischen Analyse zu schlagen und mit den Musikern gemeinsam zu untersuchen, wie Ausdrucksunterschiede zustande kommen. Je nach musikalischer Vorerfahrung war aber an diesem Punkt die Gefahr der Spaltung innerhalb der Gruppe besonders bemerkbar. Vielen enthusiastisch mitdenkenden Schülern stand die Beklemmung schlagartig im Gesicht, als sie beim Blick in die Noten quasi außer Gefecht gesetzt waren und die Diskussion den wenigen Kennern überlassen mussten. So der Kommentar aus einer 9. Klasse: „Ich hatte Sorge, dass ich die richtigen Begriffe nicht kannte“. Wenn da nicht zukünftig ein regelmäßiger Musikunterricht Abhilfe schafft und man nicht das Gros der Jugendlichen verlieren will, wird dieses Dilemma wohl nur über den Verzicht an der Sache selbst zu lösen sein. Wie in diesen Workshops zu erleben war, muss dadurch aber die Sensibilität und Genauigkeit im Umgang mit Musik noch längst nicht am Ende sein. Als es darum ging, zum langsamen Satz aus Smetanas „Aus meinem Leben“ ein eigenes Programm zu entwickeln, war es faszinierend zu beobachten, wie aufmerksam und fantasievoll die Schüler aller Altersstufen der Musik folgten und deren Ausdruck oft auf den Punkt genau trafen. Mal lag das Programm im Persönlichen, in Familien- und Paar-Geschichten, im Wilden Western oder auch ganz in der Natur, doch immer erkannten sie die entscheidenden Topoi, die der Komponist selbst der Musik angedichtet hatte.

Dies war auch bei dem amerikanischen Streichquartett „Black Angels“ (1970) von George Crumb der Fall, das zwar ungewohnt und daher schwierig, aber doch plastisch und spektakulär genug ist, um jedes Publikum mitten ins Hören hineinzuziehen. Durch den elektrisch verstärkten Streichquartett-Sound, diffizil gestimmte Glasharfen, zusätzliche Tamtams, magisches Zählen und Rufen und die mit Fingerhüten gezirpten Saitenglissandi gibt es ständig Dinge zu hören und sehen, durch die man automatisch auf die Spur des Ausdrucks kommt. Ohne zunächst zu wissen, dass es Crumb hier auch um Klangeindrücke aus dem Vietnam-Krieg ging (Crumb spricht von „electric insects“ und assoziiert damit die im Vietnam-Krieg neu eingesetzten beweglichen Kampf-Hubschrauber), assoziierten die Schülerinnen und Schüler fantastisch sprechende Bilder zur Musik: eine elektrisierte verseuchte Luft, in der auch die ruhigen Momente innere Nervosität ausstrahlen, dunkle und helle umherschwirrende Vögel, Ungeheuer, Himmel und Hölle, Hoffnung und Angst.

Dass ein Großteil von ihnen noch nie ein Streichquartett gehört oder gesehen hatte, hinderte sie nicht, sich in kurzer Zeit in dessen Sprache einzufühlen und sie aufs Individuellste zu deuten – ein Phänomen, dass eindeutig für die Schüler spricht, aber auch für die Zugänglichkeit der Musik: „Ich fand gut, dass die hergekommen sind. Ich bin sonst zwar nicht so fürs Klassische, aber dies habe ich doch sehr gerne gehört.“ (Kommentar 8/9. Klasse).

So ist davon auszugehen, dass sich die meisten auch auf den Abschluss des Projekts freuen, wenn sie das Nomos-Quartett auf seinem gewohnten Platz, der Bühne, mit dem ganzen moderierten Konzertprogramm in der Hochschule für Musik und Theater Hannover hören werden. Um das klassische Konzertpublikum von morgen auch langfristig zu verjüngen, reicht natürlich ein einmaliges Projekt wie dieses nicht aus. Weil es aber Erlebnisse dieser Art sein dürften, die ein mögliches Interesse entscheidend begünstigen, wäre eine Wiederholung mehr als empfehlenswert.

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