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„Die Hochschulen drohen in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu ersticken. Sie bedürfen dringend staatlicher Hilfe“, erklärte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, der Kölner Völkerrechtler Professor Dr. Bernhard Kempen.
Die derzeitige Lage der Hochschulen sei durch folgende Faktoren gekennzeichnet: Nahezu 50 Prozent aller Studiengänge seien zulassungsbeschränkt – mit zunehmender Tendenz. In den nächsten Jahren seien zusätzlich mindestens eine halbe Million Studierende zu erwarten. Hinzu komme, daß ein doppelter Abiturjahrgang in die Hochschulen dränge. Gleichzeitig würden durch die Umgestaltung auf Bachelor-/Masterstudiengänge zusätzliche Ressourcen in Anspruch genommen. „Wenn nichts Durchgreifendes passiert, saufen die Hochschulen in den nächsten Jahren schlichtweg ab. Dann war die hoffnungsvoll gestartete Exzellenz-Initiative nur noch ein letztes Aufbäumen vor dem Erstickungstod“, sagte Kempen.
Vor diesem Hintergrund könne der Anstoß von Bundesministerin Schavan, zusammen mit den Ländern einen Hochschulpakt 2020 als Hilfsprogramm zu beschließen, nur begrüßt werden. Allerdings stehe zu befürchten, daß das dringend notwendige Programm durch die anstehenden Beratungen zur Föderalismusreform behindert und hinausgeschoben werde. „Am einfachsten wäre es, das Programm schnell auf der Grundlage der derzeitigen Kompetenzzuweisung von Bund und Ländern zu verabschieden. Das Programm darf nicht in die ‚Föderalismusfalle’ geraten“, erklärte Kempen. Der Deutsche Hochschulverband legte Vorschläge vor, wie die Programmittel aus dem „Hochschulpakt 2020“ für eine Verbesserung der Studienbedingungen zu verwenden seien:
1. Oberstes Ziel sei die Schaffung dringend benötigter zusätzlicher Studienplätze. Der Praxis einzelner Bundesländer, durch den Abbau von Studienplätzen ihre Forschungskapazität zu erhöhen und auf diese Weise Exzellenzwettbewerbe zu gewinnen, müsse entgegengewirkt werden.
2. Die Förderung der Universitäten durch den Hochschulpakt 2020 müsse als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern gestaltet werden. Der DHV schlage nach dem Muster der bisherigen Finanzierung des Hochschulbaus eine Koppelung finanzieller Bundeszuschüsse an die Zahl zusätzlicher, d.h. neuer Studienplätze durch ein Bundesland vor.
3. Der Hochschulpakt 2020 müsse ergänzend zur Exzellenzinitiative des Bundes, mit der hervorragende Forschung gefördert werden soll, auch die Sicherung und Steigerung der Qualität der universitären Lehre zum Ziel haben. Die effektivste Maßnahme zur Verbesserung der akademischen Lehre sei die Verbesserung des Betreuungsverhältnisses. Es müsse ein allgemeiner Konsens hergestellt werden, daß das gegenwärtige Betreuungsverhältnis von bundesweit durchschnittlich 1:60 (d.h.: im Fächerdurchschnitt steht ein Professor für sechzig Studierende zur Verfügung) die absolute Grenze der Belastbarkeit in der universitären Ausbildung bedeute. Wer exzellente Universitäten wolle, dürfe nicht nur exzellente Forschung anstreben, sondern müsse auch exzellente Betreuungsverhältnisse anstreben, wie sie beispielsweise an den amerikanischen Spitzenuniversitäten vorzufinden seien. Dort kämen höchstens zehn Studierende auf einen Professor.
4. Zumindest in denjenigen Fächern, die nicht auf kostenintensive technische Ausstattungen angewiesen seien, sei eine Erhöhung der Studienplatzkapazitäten relativ einfach durch eine deutliche Erhöhung der Lehrkapazität zu erreichen. Vorrangiges Ziel müsse in diesem Zusammenhang die Schaffung zusätzlicher Professorenstellen sein.
5. Der DHV unterstütze daher die Forderung der Hochschulrektorenkonferenz nach vorgezogenen Parallelberufungen von Professoren. Diese Maßnahme sei nach Auffassung des DHV eines von mehreren geeigneten Mitteln zur Verbesserung des Betreuungsverhältnisses. Vorgezogene Parallelberufungen hätten allerdings den Nachteil, dass sie die zukünftigen beruflichen Perspektiven der Nachwuchswissenschaftler verschlechterten, die heute erst am Anfang ihres Qualifikationsweges stünden. In einigen Fächern sei die dauerhafte Einrichtung zusätzlicher Professorenstellen daher unumgänglich.
6. Die im Rahmen des Bologna-Prozesses beabsichtigte Umstellung der Studienstruktur auf das zweistufige Bachelor-/Mastermodell führe zu einer Reduzierung der Lehrkapazität (siehe Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluß vom 7. Juli 2004; OVG 5 NC 8.04). In allen Fakultäten, wo die Studienstruktur ganz oder teilweise auf das Bachelor-/Mastermodell bereits umgestellt oder die Umstellung beabsichtigt sei, müsse die Lehrkapazität neu berechnet werden.
7. Als ergänzende und unterstützende Maßnahme zur Ausweitung der Lehrkapazität sei der sogenannte akademische Mittelbau personell aufzustocken. Auch die Einrichtung einer neuen, vorwiegend mit Aufgaben in der Lehre zu versehene Personalkategorie unterhalb der Professorenebene sei in einigen Fächern zu erwägen. Die Personalkategorie des ‚lecturers’ solle allerdings die Ausnahme und nicht die Regel sein. Dem Lehrpersonal unterhalb der Professorenkategorie solle die unselbständige Lehre übertragen werden. Die selbstständige Lehre müsse Dienstaufgabe der Professoren bleiben. Man würde das hohe Niveau der akademischen Ausbildung in Deutschland gefährden, wenn die Aufgaben in der akademischen Lehre zu großen Teilen kostengünstigen ‚lecturers’, wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Tutoren übertragen würden, deren Lehre sich nicht aus der Forschung erneuere.
Der Deutsche Hochschulverband ist die bundesweite Berufsvertretung der Universitätsprofessoren und des wissenschaftlichen Nachwuchses mit über 22.000 Mitgliedern.
Quelle: http://www.hochschulverband.de/cms/