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Elbphilharmonie bald Leuchtturm in der Wüste?

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Noch hat Hamburg ein blühendes Musikleben an seinen Schulen. Allerdings ist es schon deutlich eingeschränkt worden im Vergleich zur Zeit vor der Einführung des Lehrerarbeitszeitmodells, in dessen Folge eine Vielzahl von Chören, Orchestern und Musik AGs nicht weiter angeboten werden konnten, da die Lehrerstunden hierfür nicht zur Verfügung gestellt wurden:

Von der Vielfalt und dem Engagement der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrerinnen und Lehrer kann man sich am 1.6.06 in den Schulen und Stadtteilen überzeugen. Ist die musikpädagogische Welt in Hamburg noch in Ordnung, während in Berlin das Fach Musik nur noch einstündig unterrichtet wird, um dem neu eingeführten Fach LER (Lebenskunde-Ethik- Religionskunde) Platz zu machen oder in Baden-Württembergs Grundschulen im Verbundfach Mensch- Natur-Kultur untergeht? Mitnichten! Die Gründe hierfür sind vielschichtig.
1. Es gibt zu wenig Musiklehrer in Hamburg! Besonders an den Grundschulen ist die Situation oft desolat. Eine ganze Reihe von Grundschulen verfügt nicht einmal über einen einzigen ausgebildeten Musiklehrer. Der Unterricht wird – wenn überhaupt – von Kolleginnen und Kollegen fachfremd unterrichtet. Ein gerade in der Grundschule, wo die entscheidenden ersten Schritte gemacht werden, unhaltbarer Zustand. Der Schritt der Behörde, verstärkt Referendare mit dem Fach Musik einzustellen ging in die richtige Richtung. Umso unverständlicher, dass die Behörde für Bildung die ausgebildeten Referendare nach dem
2.Staatsexamen nicht einstellt. Aus dem momentanen Examensjahrgang sind viele Referendare (erstaunlicherweise besonders für den Primarbereich ausgebildete) gezwungen Angebote aus den umliegenden Bundesländern anzunehmen, da die Mangelfachregelung (bevorzugte Einstellung von Lehrern für das Fach) für Musik aufgehoben wurde. Diese Lehrerinnen und Lehrer fehlen in Hamburg und sollten sofort eingestellt werden. Dieses könnte neben anderen Maßnahmen (siehe Forderungskatalog) ein erster wichtiger Schritt sein.
3. Musik in der Oberstufe stirbt zuerst! In der vorletzten Woche stellte die Hamburger Bildungssenatorin ihre Pläne für eine Reform der Oberstufen hin zu Profiloberstufen vor. Nicht geäußert hat die Senatorin, was im Nachbarland Schleswig-Holstein offen ausgesprochen wird, dass nämlich die Schulen verpflichtend ein naturwissenschaftliches und ein sprachliches Profil einrichten sollen. Gesellschaftliche, sportlich-gesundheitliche oder ästhetische Schwerpunkte sind als 3. oder 4. Profil für Oberstufen mit einer ausreichend großen Oberstufe möglich. In Hamburg gibt es ca. 17 Schulen (mit im Schuljahr 2003/04 ca. 270 Oberstufenschülerinnen), denen die Einrichtung eines dritten Profils auf Grund ihrer Schülerzahl möglich wird. Davon dürfte ca. je 1/3 auf gesellschaftliche, künstlerisch-ästhetische und sportlich-gesundheitliche Profile entfallen. Die etwa 6 Schulen mit künstlerisch-ästhetischem Profil werden sich zwischen den drei Fächern Kunst, Musik und Darstellendem Spiel entscheiden müssen.
Rein rechnerisch kommen wir dann auf zwei Schulen mit einem Profilfach Musik. Betrachtet man die Sogwirkung, die Leistungskurse für die Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe entwickeln, so wird ein wichtiger Baustein des Konzeptes Musikunterricht im Schulleben fehlen. Bedenkt man, dass Berufe wie Musiker, Musikjournalisten, Redakteure, Kulturmanager und vor allem Musiklehrer bisher den Musikleistungskurs als Grundlage für ihre Ausbildung an den Musikhochschulen und Universitäten wählten, der nun mit Einführung der Profile wegfällt, vermittelt sich ein unhaltbarer Zustand. Abschließend eine kleine Anregung: die Verstärkung des Deutsch-, Mathematik- und Fremdsprachenunterrichts im Rahmen der Einführung der Profiloberstufe führt mit Sicherheit nicht zu den gewünschten Effekten.
Andere Fächer bieten ebenso viele Lernmöglichkeiten auf weiteren, oft vielschichtigeren Ebenen. Im Leistungsfach Musik lernen die Schülerinnen und Schüler neben der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit (wo wird intensiver an unserer Sprache gearbeitet als im Fach Musik? Was ist komplexer als Emotionen in Worte zu fassen und deren Ursprung sprachlich und am Notentext zu belegen oder auch sich über eigene Kompositionen auf hohem sprachlichen Niveau differenziert zu streiten?) ebenso auch mathematisches Verständnis. Der Erwerb sozialer Kompetenzen durch Musik (eine gemeinsame Komposition zu erstellen und aufzuführen schafft Teamfähigkeit wie kaum ein anderer Prozess) dürfte mittlerweile jedem bekannt sein.
Vor allem aber lernen unsere Kinder in einem Bereich mit hoher emotionaler Beteiligung und Identifikation kreativ zu handeln, eigene Standpunkte zu entwickeln und zu vertreten sowie diese überzeugend zu präsentieren. Solche Fähigkeiten werden mittlerweile in allen Berufen und Studiengängen benötigt und vorausgesetzt. Wenn Hamburg eine Musikstadt sein will, muss bei der Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen begonnen werden. Sonst steht der Leuchtturm Elbphilharmonie bald in einer kulturellen Wüste und Hamburg sitzt musikalisch gesehen auf dem Trockenen.