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Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) gleicht den PISA-«Schock» nur auf den ersten Blick aus. Zwar schnitten deutsche Viertklässler im internationalen Vergleich insgesamt recht gut ab. Näher betrachtet zeigt die Untersuchung jedoch signifikante Leistungsunterschiede.
Berlin (ddp). Alarmierende Ergebnisse liefert ein nationaler Ergänzungstest in Rechtschreibung. Die wesentlichen Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus IGLU im Überblick:LESEN: Deutsche Grundschüler erreichen im internationalen Vergleich einen Rang im oberen Drittel (11. Platz von 35 Ländern). Damit lesen deutsche Viertklässler etwa so gut wie kanadische und litauische. Platz eins belegen die Schweden. 61 Prozent der deutschen Schüler können so gut lesen, dass sie zum selbstständigen Weiterlernen fähig sind. 1,3 Prozent erreichen nur Vorschulniveau, 10 Prozent sind nicht in der Lage, sich Sachverhalte aus Texten zu erschließen. Jeder fünfte Viertklässler liest nie aus Spaß.
RECHTSCHREIBUNG: 2951 Kinder aus 12 Bundesländern nahmen an dem Ergänzungstest teil, bei dem ihnen 45 Wörter diktiert wurden. Nur drei (!) Kinder schrieben alle Wörter richtig. Die besten 5 Prozent schrieben 40 und mehr Wörter fehlerfrei, die schwächsten 15 Prozent machten mehr als 30 und die schwächsten 5 Prozent mehr als 63 Fehler. Ein Viertel der Zehnjährigen schrieb jedes dritte, der Durchschnitt jedes fünfte Wort falsch. Die höchste Fehlerzahl betrug 212. Nur 80 Prozent der Viertklässler erreichten damit Leistungsniveau, das für das Ende des zweiten Schuljahres erwartet wird.
NATURWISSENSCHAFTEN: Hier erreichten deutsche Grundschüler Rang sechs im internationalen Vergleich. Am besten meisterten koreanische und japanische Kinder den Test. Während ein Drittel der deutschen Schüler gute und 8 Prozent sehr gute Ergebnisse erzielten, zeigten 17 Prozent, dass sie kaum die Voraussetzungen für den weiterführenden naturwissenschaftlichen Unterricht mitbringen. 41 Prozent erreichten nicht das von einem Viertklässler erwartete Niveau.
MATHEMATIK: Deutsche Grundschüler sind im Schnitt etwa so mathematisch begabt wie australische und US-amerikanische (Platz 12). Ganz vorn rangiert auch hier der Ferne Osten: Singapur, Korea und Japan. 35 Prozent der deutschen Kinder erreichten gute, 6,5 Prozent überdurchschnittliche Ergebnisse. Auf der anderen Seite zeigten 19 Prozent kaum das mathematische Wissen der zweiten Klasse. Schlechte Leistungen in Mathematik nehmen Zehnjährige jedoch noch nicht die Lust am Lernen.
GESCHLECHTERVERGLEICH: Mädchen lesen etwas besser als Jungen und machen weniger Fehler beim Schreiben. Bei den Naturwissenschaften und Mathematik ergibt sich das umgekehrte Bild. Hier sind die unteren Kompetenzstufen überdurchschnittlich stark mit Mädchen und die oberen mit Jungen besetzt.
RISIKOFAKTOREN: Besonders schlechte Leistungen erzielen Kinder aus sozial schwachen und Familien ausländischer Herkunft. Dies schlägt sich insbesondere in der Lese- und Rechtschreibfähigkeit nieder, während die Leistungsunterschiede in Mathematik nicht so gravierend sind.
VERGLEICH MIT PISA: Insgesamt gelingt es deutschen Schülern nicht, das relativ hohe Niveau vom Ende der Grundschulzeit zu halten. So können deutsche 15-Jährige deutlich schlechter lesen als Gleichaltrige aus Ländern, die bei IGLU noch gleichauf liegen. Bei den Naturwissenschaften und in Mathematik verliert Deutschland insbesondere in den unteren Leistungsstufen den Anschluss.
Offensichtlich lernen deutsche Schüler in heterogenen Leistungsgruppen (Grundschulen) relativ gut. Nach der Aufteilung auf Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien sinkt das Niveau rapide - auf allen Leistungsstufen. Das wirft Fragen nach dem Sinn der Dreizügigkeit des deutschen Schulsystems auf.
IGLU zeigt, dass eine große Gruppe von Schülern gleichen Leistungsniveaus - je nach sozialem Status und Lernumfeld - Empfehlungen entweder für die Hauptschule oder fürs Gymnasium erhält. PISA bestätigt, dass es erhebliche Überschneidungen beim Leistungsniveau zwischen Hauptschülern und Gymnasiasten gibt. Offenbar werden in der Sekundarstufe sozial bedingte Nachteile verstärkt. Notwendig sind daher einheitliche Kompetenzstandards, um Chancengleichheit herzustellen.
Die Fähigkeit der Lehrer, individuelle Stärken und Schwächen von Schülern zu erkennen und gezielt zu beheben, sind schon in den Grundschulen verbesserungsbedürftig. In den Sekundarstufen besteht hier offensichtlich ein eklatanter Mangel, auf den die Lehrerbildung reagieren muss.
Die IGLU-Studie im Internet:
http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/IGLU/home/htm