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+++ Rechtschreibrat für teilweise Rückkehr zur alten Orthografie +++ Rechtschreibrebell Friedrich Denk zufrieden mit Reformkorrekturen +++ Erklärung der Kultusministerkonferenz zu den Beratungen des Rates +++ Lehrer-Präsident sieht Stichtag für Rechtschreibreform kritisch +++ Wanka sieht Vorschläge zur Rechtschreibreform positiv
«Schwieriger Ritt» - Rechtschreibrat für teilweise Rückkehr zur alten Orthografie - Wieder «kennenlernen» statt «kennen lernen»München (ddp). Die Rechtschreibreform wird möglicherweise in wichtigen Bereichen wieder zurückgenommen. Bei der Getrennt- und Zusammenschreibung plädierte der Rat für Deutsche Rechtschreibung am Freitag für eine weitgehende Rückkehr zu den alten Regeln. Seiner Einschätzung nach werde sich auch die Kultusministerkonferenz (KMK) dieser Position anschließen, sagte der Vorsitzende des Rates, Bayerns Ex-Kultusminister Hans Zehetmair (CSU), in München nach einer Sitzung des Gremiums. Der nach der heftigen Kritik an der neuen Rechtschreibung von der KMK ins Leben gerufene Rat soll Verbesserungsvorschläge für die zum 1. August endgültig in Kraft tretende Orthografiereform machen.
Zehetmair betonte: «Wir kommen voran, aber mühsam.» Der Rat habe zwar noch keinen Beschluss über die am Freitag beratenen Vorschläge einer eigens eingerichteten Arbeitsgruppe gefasst. Auf der kommenden Sitzung des 36-köpfigen Expertengremiums am 3. Juni gelte jedoch eine Mehrheit dafür als sicher.
Die Änderungen sehen in vielen Fällen wieder die Zusammenschreibung von Wörtern vor, die nach den neuen Schreibregeln getrennt geschrieben werden sollten. So soll es Zehetmair zufolge in Zukunft wieder «auseinandersetzen», «leidtun» und «eislaufen» heißen. Auch «kennenlernen» solle dem derzeit geltenden «kennen lernen» weichen. Bei der Zusammensetzung zweier Verben gebe es aber noch den meisten Diskussionsbedarf im Rat, räumte Zehetmair ein.
Zugleich betonte er, dass ihm klare Regelungen wichtiger seien als die Einhaltung des Datums 1. August. Seiner Auffassung nach wird es nicht möglich sein, die vorgeschlagenen Änderungen an der Rechtschreibreform bis zu diesem Termin in das «gedruckte Wort» umzusetzen. Dies bedeute besonders im Bereich der Schule einen «schwierigen Schritt», gab Zehetmair zu bedenken. Der Rat sende aber mit seinen Änderungsvorschlägen schon jetzt «grundlegende Signale» an die Pädagogen aus, die diese bei Korrekturen berücksichtigen sollten, hob er hervor.
Ludwig Eichinger, Ratsmitglied und Direktor des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache, wies darauf hin, dass das Gremium keine «Alibiveranstaltung» sei. Der Rat wolle in seiner Arbeit «stark auf den Gebrauch der Sprache eingehen und zugleich Systematisierung schaffen». Eichinger, der der aktuellen Arbeitsgruppe vorstand, wird auch die neu eingesetzte Expertenrunde zur Zeichensetzung und Worttrennung am Satzende leiten.
Dem Rat für Deutsche Rechtschreibung gehören Vertreter aus verschiedenen Institutionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Darunter sind die Dudenredaktion, die Gesellschaft für deutsche Sprache, Zeitungsverleger, der Journalistenverband und Schulbuchverlage. Laut Zehetmair sollen in Zukunft auch Liechtenstein und Südtirol einen Sitz in dem Gremium bekommen.
Joachim Vonderthann
Rechtschreibrebell Friedrich Denk zufrieden mit Reformkorrekturen
Berlin (ddp). Der prominente Gegner der Rechtschreibreform, Friedrich Denk, hat die geplanten Korrekturen an der Rechtschreibreform begrüßt. «Ein Teil der Kritik ist jetzt anerkannt und wurde als berechtigt angesehen», sagte der Deutschlehrer der «Berliner Zeitung» (Samstagausgabe).
Er betonte: «Im Klartext heißt das, dass die Regelung von 1996 neu umgeschrieben werden muss.» Der erst im vergangenen Sommer neu aufgelegte Duden sei damit unbrauchbar geworden. Von der großen Rechtschreibreform werde nur noch das Doppel-S übrig bleiben, prognostizierte Denk. «Deswegen hat es sich nicht gelohnt, mehrere Milliarden auszugeben», kritisierte er.
Erklärung der Kultusministerkonferenz zu den Beratungen des Rates für deutsche Rechtschreibung am 08.04.2005
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat bei seiner heutigen 3. Sitzung in München über Vorschläge zu einem Teilbereich der Getrennt- und Zusammenschreibung beraten. Betroffen ist § 34 des derzeitigen Regelwerks für die deutsche Rechtschreibung, in dem es um trennbare Zusammensetzungen von Verbzusätzen mit Verben geht. Der Rat sieht vor, konkrete Beschlüsse hierzu im Juni zu fassen. Die Kultusministerkonferenz wird über die Vorschläge des Rates entscheiden, wenn sie nach Anhörung von Verbänden endgültig vorgelegt werden.
Nach dem Statut über die Arbeit des Rates ist es erforderlich, dass zunächst Vertretern der Schulen, insbesondere der Lehrer- und Elternvertretungen sowie den für die Verwaltungssprache zuständigen Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll. Außerdem sollen Vertreter solcher Einrichtungen angehört werden, die aufgrund ihres Umgangs mit Sprache und Rechtschreibung deren Fortentwicklung beurteilen können oder voraussichtlich an der Umsetzung der Beschlüsse des Rates beteiligt sein werden.
Die Kultusministerkonferenz hatte im vergangenen Jahr die Einrichtung des Rates für deutsche Rechtschreibung einstimmig beschlossen. Der Rat soll insbesondere die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum bewahren, die Entwicklung der Sprachpraxis beobachten und das orthografische Regelwerk im unerlässlichen Umfang weiterentwickeln.
Quelle: KMK
Lehrer-Präsident sieht Stichtag für Rechtschreibreform kritisch
Landshut (ddp). Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, plädiert nach den jüngsten Vorschlägen zur Rechtschreibreform für eine Verlängerung der Übergangsfrist. Der Stichtag 1. August für die verbindliche Einführung der neuen Regeln wäre bei tiefgreifenden Änderungen «nicht zu packen», sagte Kraus am Montag der Nachrichtenagentur ddp.
Die nächste Sitzung des Rates für Deutsche Rechtschreibung sei erst Anfang Juni. Man sollte sich etwas Zeit lassen und «ein, zwei Jahre dazugeben». Der Rat sollte jetzt nicht unter Druck gesetzt werden. Zudem dürften die Schüler auf keinen Fall Nachteile haben.
Außerdem könnten jetzt nicht «aus dem Stand» sämtliche Schulbücher neu gemacht werden. Hier würde im Falle von größeren Änderungen eine noch längere Frist von etwa fünf Jahren gebraucht, findet Kraus. Es müsse jetzt etwas Verlässliches herauskommen, forderte er. Die Betroffenen wünschten sich Klarheit und Sicherheit.
Die angekündigten Vorschläge des Rates begrüßte der Verbandspräsident. «Wir sehen uns in unserer Forderung nach Nachbesserung in einigen Bereichen bestätigt», betonte Kraus. Es sei positiv, dass die Gebiete, in denen der Bedarf am größten gewesen sei - nämlich die Getrennt- und Zusammenschreibung - jetzt auch angepackt würden.
Wanka sieht Vorschläge zur Rechtschreibreform positiv
Köln/Potsdam (ddp-lbg). Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Johanna Wanka (CDU), begrüßt die angekündigten Änderungsvorschläge des Rats für Deutsche Rechtschreibung zur Rechtschreibreform. Man werde diese «sehr, sehr ernst nehmen», sagte Wanka, die zugleich Wissenschaftsministerin von Brandenburg ist, am Montag im Deutschlandfunk. Das Gremium habe aber noch keine einvernehmliche Entscheidung getroffen.
Gerade die Getrennt- und Zusammenschreibung sei ein besonderer Kritikpunkt in der Diskussion gewesen. Sie finde es «sehr vernünftig», dass der Rat sich gerade mit diesem Thema auseinandersetze. Die KMK sei froh, wenn von dem Gremium «kluge Vorschläge» kämen, die auch «ein Stückchen Aussöhnung» brächten.
Wanka betonte, Änderungen dürften aber nicht zu Lasten der Schüler gehen. Die neuen Regeln sollten nicht einfach zurückgenommen werden. Sie wäre aber für mehr Variabilität.
Zugleich forderte sie, über mögliche Änderungen zügig zu entscheiden. Es wäre nicht gut, wenn der jahrelange Streit nach dem 1. August massiv weitergehe. Deshalb sei sie dankbar für die Vorschläge. Sie gehe im Moment davon aus, dass die Reform bis zu dem Stichtag verbindlich werde. Eine völlige Rücknahme der neuen Regeln schließt die KMK-Präsidentin aus.