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Rostocks Musikhochschulrektorin Susanne Winnacker. Foto: hmt Rostock
Rostocks Musikhochschulrektorin Susanne Winnacker. Foto: hmt Rostock
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Künstlerische Antworten auf strukturelle Widersprüche

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20 Jahre Hochschule für Musik und Theater Rostock – Rektorin Susanne Winnacker im Gespräch
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Am 12. Januar 1994 wurde die Hochschule für Musik und Theater Rostock gegründet. Bis dahin hatte die Musikausbildung an der Rostocker Außenstelle der Berliner Hochschule „Hanns Eisler” stattgefunden. Heute werden in Rostock rund 550 Studierende aus 40 Nationen in 33 Studiengängen ausgebildet. Gefeiert wird der 20. Geburtstag am 24. Mai 2014 mit einem Tag der offenen Tür und mit einem erstmals veranstalteten Alumnitreffen. Mit Rektorin Susanne Winnacker sprach nmz-Chefredakteur Juan Martin Koch über inspirierende Räume, Früherkennungssysteme für musikalische Begabungen und Standortvor(ur)teile.

neue musikzeitung: Kürzlich ging der Wettbewerb „hmt interdisziplinär“ über die Bühne. Was hat Sie im Sinne des Wettbewerbsthemas besonders überzeugt?

Susanne Winnacker: Es gab zum Beispiel eine Zusammenarbeit zwischen unter anderem Schulmusik, Schauspiel, Gesang und Gitarre – „Champagner, Baby“ hieß das Programm. Da hatte ich wirklich an machen Stellen das Gefühl, dass sich ein Raum öffnete, den einzelne Disziplinen allein so nicht gestalten könnten.

nmz: Gibt es weitere Projekte an der hmt, in denen die Sparten zusammenkommen?

Winnacker: Wir bereiten zum Beispiel eine Bearbeitung von Kafkas „Das Schloss“ vor. Da sind Sänger/-innen der klassischen Abteilung, die Studierenden aus dem Bereich Pop/Weltmusik, die Schauspielstudierenden des ersten Jahres und das Hochschulorchester beteiligt. Solche Projekte gibt es immer öfter und sie werden selbstverständlicher.

nmz: Was waren aus Ihrer Sicht wichtige Stationen in der 20-jährigen Geschichte der Hochschule?

Winnacker: Nach der Gründung 1994 ist das natürlich vor allem der Bezug des neuen Hochschulgebäudes 2001. Auf inhaltlicher Ebene ist die Umstellung auf Bachelor/Master zu nennen, ein großer Einschnitt, mit dem wir immer noch beschäftigt sind. Hinzu kommen neu gegründete Studiengänge, etwa die Klavierduo-Professur für Hans-Peter und Volker Stenzel oder der Bachelor Pop- und Weltmusik mit Klassik.

nmz: Wie wirkt sich das Gebäude auf die Arbeit der Hochschule aus?

Winnacker: Das Katharinenstift ist ein altes Franziskanerkloster und hatte schon viele verschiedene Bestimmungen. Für die Hochschule ist es wunderschön renoviert und mit modernen Anbauten versehen worden. Dadurch ist eine ganz lichte Atmosphäre entstanden, die aber die Basis der Tradition immer unter sich hat. Das ist wirklich inspirierend, ich spüre das jeden Tag und glaube, es geht den Studierenden auch so. Das ist eine starke Kraft.

nmz: Hat der historische Bau auch Nachteile?

Winnacker: Die räumliche Situation ist natürlich äußerst knapp bemessen und man kann zum Beispiel nicht einfach einen neuen Seminarraum mit knapp 100 Quadratmetern schaffen.

nmz: Wo stehen die Studierendenzahlen in Bezug auf die Kapazitäten?

Winnacker: Wir sind über der Zahl, für die das Haus gedacht ist, denn diese kollidiert mit der Hauptaufgabe der Hochschule, die in der Orchesterausbildung besteht. Ein bestimmtes Minimum an Studierenden in allen Abteilungen ist nicht zu unterschreiten, um dies sinnvoll gewährleisten zu können. Will man aber dieses nötige Minimum haben, überschreitet man die flächenbezogene Anzahl, die dieses Haus nahelegt. Das ist ein struktureller Widerspruch.

nmz: „Wenn das Land sich nicht an der teils dramatischen Kostensteigerung beteiligt, die durch die Umstellung auf Bachelor/Master entstanden ist, laufen wir schnellen Schrittes auf eine Katastrophe zu, die keine Hochschule alleine stemmen kann.“ So wurden Sie im Mai letzten Jahres in einer dpa-Meldung zitiert. Gilt das bis heute?

Winnacker: Das gilt bis heute. Es gibt über die finanziellen Ausstattungen einen offen ausgetragenen Dissens zwischen allen Hochschulen des Landes und dem Ministerium. Die strukturellen Defizite, die wir ansammeln, sind immens. Zurzeit laufen Verhandlungen mit dem Ministerium, deren Ausgang abzuwarten ist. Wir hoffen diesbezüglich auf einen tragbaren Kompromiss.

nmz: Wo liegen besondere Stärken des Rostocker Studienangebots?

Winnacker: Da ist auf jeden Fall die Klavierabteilung mit drei Professuren als große Säule der Hochschule zu nennen. Unsere Professoren haben einen ausgezeichneten Ruf, die Studierenden sind sehr gut, sie kommen eigens deswegen nach Rostock, trotz der vermeintlichen Standortnachteile. Sehr erfolgreich sind wir auch mit der vor fünf Jahren gegründeten Young Academy Rostock (yaro), unserem Zentrum für musikalisch Hochbegabte. Sie ist eine Reaktion auf den Landesrechnungshof, auf die Forderungen nach Quoten oder Studiengebühren für ausländische Studierende. Wir stellen das Konzept dagegen, im Sinne eines „Früherkennungssystems“ die Nachwuchsmusiker, die dieses Land zu bieten hat, so gut zu fördern, dass sie später studieren können.

nmz: Ein anderer Vorwurf, der im Zusammenhang mit den Ministeriumsplänen in Baden-Württemberg in der Diskussion ist, lautet, es würden „zu viele“ Musiker und „am Bedarf vorbei“ ausgebildet. Wie reagieren Sie darauf?

Winnacker: Indem ich versuche, die scheinbaren Fakten mit den realen Tatsachen zu konfrontieren. Zum Beispiel, wenn von „den vielen arbeitslosen Musikern“ die Rede ist. Fakt ist, dass es mehr arbeitslose Juristen gibt … Natürlich haben sich die Karrieren der Musiker verändert und wenn weitere Orchesterstellen wegfallen, wird es natürlich schwieriger, aber die Absolventen finden ihren Weg. Wir sind dabei, verlässliche Statis-
tiken aufzustellen, können aber jetzt schon von einem Vermittlungssatz von 80 Prozent ausgehen. Das ist ziemlich gut. Im Schauspiel ist es ähnlich.

nmz: Sie sprachen von den „vermeintlichen Standortnachteilen“ Rostocks; wie ist das zu verstehen?

Winnacker: Damit meine ich das Vorurteil, Rostock sei eine kleine Stadt und wenn man zu weit links geht, fällt man ins Meer … Der Vorteil, etwa gegenüber Berlin, liegt in der Konzentration, in der Möglichkeit, sich wirklich auf sein Studium fokussieren zu können. Überdies gibt es, nur zum Beispiel, mit der ABAM (Association of Baltic Academies of Music), einem Bündnis von Musikern, Hochschul- und Orchesterkooperationen über die Landesgrenzen hinweg etwas, von dem die Studierenden profitieren können. Und Mecklenburg-Vorpommern ist einfach ein wunderschönes Land. Wem Naturinspiration etwas bedeutet, der ist hier wirklich richtig.

nmz: Seit Oktober 2012 sind Sie im Amt. Wie darf es aus Ihrer Sicht weitergehen?

Winnacker: Wir haben eben damit begonnen, den Hochschulentwicklungsplan für die nächsten fünf Jahre zu schreiben. Das ist immer auch eine Art Selbstreinigungsprozess für alle Abteilungen, weil wir uns die Frage stellen, wo wir stehen und wo wir hinwollen. Ich wünsche mir, dass wir von dem, was wir nun an Vorstellungen als Plan formulieren und mit dem Ministerium diskutieren, möglichst viel durchsetzen können. Ich würde auch gerne noch einen Studiengang gründen: Uns fehlt perspektivisch noch eine Brücke zwischen Schauspiel und Musik. Musiktheaterregie könnte mittelfristig eine schöne Ergänzung sein.

www.hmt-rostock.de

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