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Mit Hilfe der Elektronik können Interpreten ihre Instrumente gestalten – bei Bedarf sogar in Echtzeit. Foto: Kai Hanneken
Mit Hilfe der Elektronik können Interpreten ihre Instrumente gestalten – bei Bedarf sogar in Echtzeit. Foto: Kai Hanneken
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Laptop und Föhnorchester: die elektronischen Hochschulstudios im ZKM Karlsruhe

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Licht … Regenbogenfarbige Laserfiguren tanzen auf der Leinwand zu chorartigen, elektronisch verfremdeten Klängen. Spiegel werfen die Laserstrahlen zurück und erzeugen mit der Musik ein Bild unendlicher Klänge. Raum … Der Saal wird zu einer riesigen verlassenen Fabrikhalle.

Metall schlägt aufeinander, es schallt und dröhnt. Jeder Winkel wird auf einer akustischen Reise erkundet. Klang … Posaunentöne, Atemgeräusche und Schnippen gegen das Blech werden von einem Mikrophon aufgenommen und kommen verfremdet aus den Lautsprechern zurück. Der Posaunist spielt mit seinem Echo und erzeugt eine Struktur von unglaublicher Dichte. „Licht-Raum-Klang“: Unter diesem Motto fand das next_generation-Festival vom 10. bis zum 14. Juni im ZKM in Karlsruhe statt.

Über 20 Studios nahmen an dem internationalen Treffen der elektronischen Hochschulstudios teil. Das Festival wird seit vier Jahren vom Institut für Musik und Akustik des ZKM organisiert – dem größten elektronischen Studio in Deutschland. Hinaus aus der Isolation der Hochschulen, hinein in die Öffentlichkeit – das ist das erklärte Ziel von Ludger Brümmer, dem Leiter des Instituts. Bei next_generation können Studenten und Dozenten ihre Werke einem Publikum präsentieren. Und dabei kommt eine erstaunliche Vielfalt zu Tage. Ob Musik vom Band, akustische Instrumente mit Live-Elektronik oder das Zusammenspiel von Klang und Video – den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. So konnte man während der fünf Tage nicht nur kammermusikalische akustische Besetzungen und Laptops auf der Bühne erleben, sondern auch ein Föhnorchester, ein von selbst spielendes Klavier und das von Shingo Inao selbst entwickelte Sensor-Instrument „Qgo“. Einige Komponisten arbeiteten zusätzlich mit szenischen Elementen.

In „singling out“ von Johannes Voit interagiert eine Tänzerin durch eine Wii-Remote mit der Live-Elektronik – und diese mit ihr. „Das ist ein gegenseitiges Beeinflussen von Mensch und Technik“, erklärt Voit. Szenisch sind auch einige Tonbandwerke, wie Leigh Landys „To BBC or Not“ – eine Collage aus Radiostimmen, Pop-Orgel-Blasmusikfragmenten und Geräuschen, die an einen Comic erinnert. „Das ist E-Musik ohne E“, sagt der Komponist über sein Stück und will damit sagen, dass man es nicht zu ernst nehmen sollte.

Neben dieser unglaublichen Ideenfülle ist next_generation vor allem eine Sinneserfahrung – und zwar nicht nur für die Ohren und die Augen, sondern auch für den Raum- und Zeitsinn. Überall wird mit der Wahrnehmung gespielt. Kommt ein Klang direkt vom Instrument oder aus den Lautsprechern? Wer beeinflusst was oder was wen? Was ist Zufall und was determiniert? Kausale Zusammenhänge werden auf diese Weise genauso in Frage gestellt wie Zeitstrukturen. Wenn sich die Posaune in Cyrill Lims „Dungchen“ im Zeitlupentempo von einem Mikrophon zum nächsten tastet und sich so immer weiter von einem gleichbleibenden elektronischen Ton entfernt, verdichten sich 20 Minuten schon mal zu einem einzigen, meditativen Moment.

Im begleitenden Symposium bekamen auch Themen wie Ausbildung, Aufführungspraxis und die Vermittlung nach außen ein Forum. Dabei wurde deutlich: Die Szene der elektronischen Musik will keinesfalls eine elitäre, abgekapselte Subkultur sein. So rückte vor allem der Vermittlungsgedanke immer wieder in den Mittelpunkt. Besonders vielversprechend ist das Projekt „Ears II“ der De Monfort University Leicester: eine interaktive Homepage, auf der Kinder spielerisch den Zugang zu zeitgenössischer elektronischer Musik bekommen.

Welch schöpferisches Potenzial in der zeitgenössischen elektronischen Musik liegt, haben die kreativen Auftritte der „Next Generation“ im ZKM bewiesen. Nun gilt es, der grenzenlosen Vielfalt der Klänge ein Universum außerhalb des engen Studios zu eröffnen.

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