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Im Leipziger Grassi-Komplex öffnet am Samstag (23. Februar) das Museum für Musikinstrumente seinen zweiten Rundgang. Damit wird die Sammlung historischer Instrumente aus der Zeit von 1600 bis zur Gegenwart erstmals seit der baubedingten Schließung des Grassi vor 27 Jahren wieder komplett gezeigt.
Leipzig (ddp-lsc). Das älteste Hammerklavier der Welt sieht aus wie ein kleiner Konzertflügel mit gestutzter Tastatur. Stolz zeigt die Direktorin des Leipziger Museums für Musikinstrumente, Eszter Fontana, ein Prunkstück ihrer Sammlung: eins der drei weltweit ältesten erhaltenen Hammerklaviere, noch dazu aus der Werkstatt von Bartolomeo Cristofori. Zweifelsfrei ein Superlativ, aber vom Hofinstrumentenbauer der Medici stehen noch fünf weitere Werke im Raum. Dabei gibt es davon gerade einmal zehn auf der Welt.
Das größte deutsche und zweitgrößte europäische Musikinstrumentenmuseum öffnet am Samstag (23. Februar) seinen zweiten Rundgang. Damit wird die 5500 Objekte umfassende Sammlung, die von der reichen Tradition Leipzigs als Musikstadt erzählt, erstmals wieder komplett erfahrbar. Einzig die für das Fachpublikum konzipierte Studiensammlung folgt erst im Laufe des Jahres.
Die herausragende Bedeutung des Museums war in der Öffentlichkeit lange Zeit in Vergessenheit geraten. Die Heimat der Sammlung, das im Zweiten Weltkrieg schwer zerstörte und danach nur notdürftig rekonstruierte Art-Déco-Ensemble Grassi, musste 1981 nach einer Heizungshavarie schließen.
Das Museum und mit ihm die kunsthandwerkliche und die völkerkundliche Sammlung empfingen bis Mitte der Neunziger Jahre keine Besucher mehr, wurden im Jahr 2000 für eine umfassende Sanierung ausgelagert und kehrten erst 2005 ins Grassi zurück. Von all diesen Wendungen merkt der Besucher heute nicht viel. Das Museum wirkt äußerst vital. Durch den Seiteneingang kommen Studenten der Musikwissenschaft ins Haus, ein neu eröffnetes Café zieht Gäste aus der Umgebung an, aus dem Klanglabor ertönt Lärm.
Hier dürfen die Besucher verschiedene Klangerzeuger ausprobieren. Neben Rasseln, Cabassas und allerlei Schlagwerk stehen in dem Raum ein gläsernes Klavier, ein Cembalo und ein kompaktes Orgelmodell, das sogar einen Kuckucksruf hervorbringt. Viele andere Stücke der Sammlung werden hingegen nur selten in die Hand genommen. «Zu kostbar», sagt Direktorin Fontana.
Mit Lautsprechern, die direkt über den Vitrinen angebracht sind, kann man ihren Klang trotzdem erleben. Im ersten Teil des Rundgangs ist das etwa das imposante Bassfagott, das in einer Aufnahme von Bachs Johannes-Passion erklingt. Rund einhundert weitere Instrumente aus dem unmittelbaren Umfeld des Thomaskantors illustrieren die Zeit, in der Leipzig zur Musikstadt wurde.
Ein paar Räume steht ein ganz spezielles Klavier aus der Zeit, als noch bürgerliche Hausmusik gepflegt wurde. Das Instrument wurde an der Seite, die der damals meist weiblichen Spielerin gegenüberliegt, als Teetisch konzipiert, «damit die Zuhörer der Pianistin ins hübsche Gesichtchen sehen konnten», erläutert Fontana.
Zum Abschluss zeigt die Ausstellung unter anderem historische Geräte zur Schallaufzeichnung, eine elektrische Geige und ein ramponiertes Schlagzeug der Vorgängerband der Prinzen. Doch einer der großartigsten Schätze des Museums steht außerhalb des Rundgangs, im Parkett des Großen Vortragssaals. Eine Welte-Kino-Orgel aus dem Jahr 1931 kommt regelmäßig bei Stummfilmaufführungen zum Einsatz und zeigt dann ihr ohrenbetäubendes Repertoire. Vom hohen, flötenartigen Diskant bis hin zu Sirenen und Lokomotivgeräuschen erzeugt sie alles, was ein Filmorganist braucht. Was man als technisches Kuriosum ansehen mag, trifft doch die Kernaufgabe der Sammlung: sich mit der historischen Aufführungspraxis zu beschäftigen. Damit hält das Museum beständig die Verbindung zur Gegenwart.
Robert Schimke
Das Leipziger Museum für Musikinstrumente in neun Daten
- nach eigenen Angaben größte Sammlung ihrer Art in Deutschland und nach Brüssel die zweitgrößte in Europa
- der Rundgang umfasst rund 5500 Objekte
- rund 20 Prozent der Sammlung werden ausgestellt, der Rest lagert in Depots
- Höhepunkte: eins der drei weltweit ältesten Hammerklaviere, insgesamt sechs Instrumente aus der Werkstatt von Bartolomeo Cristofori, die Kino-Orgel von 1931 sowie das Klanglabor, in dem Instrumente und Klangerzeuger vom Publikum ausprobiert werden können
- schwere Zerstörung des Grassi-Komplexes im Zweiten Weltkrieg, provisorische Rekonstruktion in den 50er Jahren, 1981 Schließung aller drei Museen im Grassi nach einer Heizungshavarie
- 2000-2005 Rekonstruktion und Sanierung des Grassi
- teilweise Wiedereröffnung des Museums für Musikinstrumente im April 2006
- das zwischen 1925 und 1929 im Art-Déco-Stil erbaute Grassimuseum ist der Sitz der drei Museen Museum für Angewandte Kunst, Museum für Völkerkunde und Museum für Musikinstrumente unter der gemeinsamen Dachmarke «Museen im Grassi»
- die an das Fachpublikum gerichtete Studiensammlung wird im Laufe des Jahres geöffnet