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Musikunterricht zum Mitmachen statt bloßer Rezeption

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Weimar (ddp-lth). Ein gemeinsames Lied zu Beginn und am Ende der Stunde - darin erschöpft sich zumeist der aktive künstlerische Part von Schülern im Musikunterricht. In der übrigen Zeit pauken sie die mehr oder weniger graue Theorie.


Das in jedem Musikraum vorhandene Klavier bleibt vielfach stumm, weil der Fachlehrer dieses «Handwerk» nicht ausreichend beherrscht und sich nicht blamieren will. «Doch die Schüler messen ihre Musiklehrer vor allem an ihrem künstlerischen Vermögen», berichtet Gero Schmidt-Oberländer. Als ausgebildeter Musiklehrer für Gymnasien und weiterführende Schulen weiß der Prorektor der Weimarer Hochschule für Musik «Franz Liszt», wovon er spricht.

Improvisation aus dem Stegreif, spontan einen Schüler begleiten, eine Stelle aus einer Partitur interpretieren oder einen Song stilgerecht spielen, das sei nicht angeboren, das könne aber jeder Musiklehrer lernen. Gelegenheit dazu bietet das Fach «Schulpraktisches Klavierspiel», mit dem die Weimarer Musikhochschule seit den 80er Jahren Vorreiter in Deutschland, ja sogar auf dem europäischen Kontinent ist. Inzwischen hat sich auf diesem Gebiet viel getan. Immerhin gibt es bereits an der Mehrzahl der bundesweit 22 Musikhochschulen eine entsprechende Professur.

Der Wissenschaftler wertet das auch als einen Erfolg des Wettbewerbs «Schulpraktisches Klavierspiel», bei dessen achter Auflage ab Freitag wieder die 20 Besten ihres Fachs von 11 Musikhochschulen aus ganz Deutschland drei Tage lang miteinander wetteifern werden. Noch vor der Wende 1989 in Weimar ins Leben gerufen, wurde der Leistungsvergleich 1992 erstmals bundesweit ausgelobt. Sozusagen als Nebeneffekt des Wettbewerbs Leistungsvergleichs der angehenden Musiklehrer habe sich der Stellenwert der Ausbildung in diesem Fach verändert, sei sehr viel praxisnäher geworden.

«Allerdings ist das vielerorts an den Schulen selbst noch nicht angekommen», konstatiert er. Die Krux sei, dass die Lehrpläne noch auf die Lehrer der «älteren Schule» zugeschnitten seien, die oftmals Angebote der Weiterbildung nicht annähmen. Deshalb dominiere die Vermittlung theoretischen Wissens über das praktische Musizieren in und mit der Klasse.

Dabei belegten Studien, dass Musik klüger macht. «Beispielsweise haben Kinder in Berlin statt je einer Stunde Mathematik und Deutsch zwei Stunden aktiven Musikunterricht pro Woche erhalten und waren dennoch nach einigen Jahren in Mathe und Deutsch im Schnitt besser als die Kontrollgruppe», berichtet Schmidt-Oberländer. Und wenn man dann noch wisse, dass in Finnland aktives Musizieren bereits zum Alltag im Kindergarten gehört und sich in der Schule fortsetzt, wundere man sich nicht mehr über die Ergebnisse der PISA-Studie, sagt der Musikwissenschaftler.

Während der Musikunterricht an deutschen Gymnasien «noch relativ gut dasteht», gebe es an Regel-, Real- und Hauptschulen enorme Defizite. Am größten jedoch ist nach Darstellung von Schmidt-Oberländer die Misere an den Grundschulen. Die Schüler dort kämen nur zu etwa 20 Prozent in den Genuss eines Musikunterrichts und das vielfach auch nur in der Form, dass «Musik als Untermalung zum Zeichnen oder Lesen» angeboten werde.

«Daran wird sich wohl auch mittelfristig nicht viel ändern, selbst wenn die Musik zum Pflichtfach auch für Grundschul-Lehrer würde», ist Schmidt-Oberländer überzeugt. Das jedoch handhabt bislang nur Bayern so. «Wir vergeben uns da viele Chancen, auch die, jungen Menschen schon im Kindesalter zu vermitteln, dass aktives Musizieren das Leben ein Stück sinnvoller machen kann.»

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