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Musikwissenschaft von Zarlino bis Zelda

Untertitel
Drittmittelfinanzierte Forschung an der HMT
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In den letzten drei Jahren wurden Forschungsprojekte des Instituts für Musikwissenschaft der HMT mit mehreren Kooperationspartnern etwa von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung mit mehr als 1,7 Millionen Euro gefördert. Die Projekte reichen von der Musiktheorie des Cinquecento (Zarlino) über Wirtschaftsdaten zu Musikverlagen des 19. Jahrhunderts und Carl Reinecke (s.u.) bis zur Musik für Heimcomputer und im Computerspiel (s.u.).

Im Kontext seines 200. Geburtstags 2024: DFG-Projekt zu Carl Reinecke (1824–1910) und Leipzig
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Forschungsprojekt „Carl Reinecke als Schlüsselfigur des Leipziger Musikbetriebs im späten 19. Jahrhundert: Studien zu seiner institutionellen Vernetzung und pädagogischen Wirkung“ mit insgesamt 412.300 Euro. Das gemeinsame Projekt der Institute für Musikwissenschaft an der HMT (Prof. Dr. Christoph Hust, Mitarbeit: Johanna Schuler) und an der Universität Leipzig (Prof. Dr. Stefan Keym, Mitarbeit: Niklas Schächner) soll im Laufe von drei Jahren Reineckes Tätigkeit im Rahmen der Leipziger Musikkultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts untersuchen. Im Projekt entstehen Studien zu Reineckes Netzwerken und zu seiner Tätigkeit als Kompositionslehrer. Charakteristisch für Reinecke ist sein weit gespanntes Verantwortungsprofil. Die Arbeitspakete untersuchen dies am Beispiel seiner Einbettung in die Tätigkeiten im Verlag und in Leipziger Konzertinstitutionen auf der einen Seite, durch seine vielfältigen Rollen in der Leitung und Lehre des Konservatoriums einschließlich der von ihm vertretenen expliziten oder impliziten musiktheoretischen und musikästhetischen Leitsätze auf der anderen Seite.

Diese Felder können nicht voneinander getrennt verstanden werden: Es ist anzunehmen, dass die Kompositionen, die Reinecke im Unterricht oder in Publikationen wie der Monografie „Meister der Tonkunst“ besonders empfahl, auch in der Programmgestaltung am Gewandhaus eine wichtige Rolle spielten. Zu seinen ehemaligen Studierenden bestanden Verbindungen, die sowohl die Aufnahme von deren Kompositionen in Verlags- und Konzertprogramme erleichterten als auch Reinecke selbst an den weitgespannten Tätigkeitsorten seines Netzwerks Wege ebnen konnten. Seine eigenen Kompositionen spielten im Konzert, als Verlagsprodukte und als Beispielsetzungen im Unterricht mehrfach eine wichtige Rolle. All dies geschah vor dem Hintergrund des ohnehin institutionell ausdifferenzierten, dabei personell eng verflochtenen Leipziger Musiklebens mit seinen insbesondere am Konservatorium prononciert vertretenen ästhetischen Grundsätzen.

Wie groß Reineckes Einfluss auf eine jüngere Generation von Musikerinnen und Musikern war und wie er im Detail agierte, wird das Projekt im Einzelnen klären. Sein Wirken erscheint besonders aufschlussreich, weil alle Facetten seiner Tätigkeit ebenso große Unterstützung fanden wie auch mit vehementer Kritik bedacht wurden. Aufgrund einer bislang oft einseitigen Bewertung Reineckes als eines besonders konservativen Musikers soll das Projekt dieses Bild differenzieren, dabei aber auch über Reinecke hinaus Grundzüge des Leipziger ebenso wie des überregionalen Musiklebens in einer Umbruchszeit herausarbeiten. Welche Rolle Reinecke, die Institutionen des Leipziger Musikbetriebs und die Pädagogik am Leipziger Konservatorium im ausgehenden 19. Jahrhundert spielten, soll das Projekt erstmals im Detail erforschen und so zu einer teilweisen Neubewertung nicht nur der Leipziger Musikgeschichte dieser Zeit beitragen.

„Game Music Cultures in Japan and Germany“: Deutsch-japanisches Forschungs- und Austauschprojekt
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützt das Projekt „Game Music Cultures in Japan and Germany“ im Rahmen des Programms „Partnerschaften mit Japan und Korea“ mit einer Förderung in Höhe von 50 000 Euro. Forscherinnen und Forscher aus dem Institut für Musikwissenschaft der HMT Leipzig und dem Center for Game Studies der Ritsumeikan-Universität Kyoto werden gemeinsam die Rolle der Musik im digitalen und analogen Spiel komparativ untersuchen. Das Projekt wird geleitet von Prof. Dr. Christoph Hust (Leipzig) und Prof. Dr. Martin Roth (Kyoto). Im Sommersemes­ter 2023 reisen drei Studierende der HMT in diesem Rahmen für vier Monate nach Kyoto. Im Folgejahr werden reziprok drei Studierende der Ritsumeikan-Universität in Leipzig erwartet. Das Programm wird durch einen Austausch der Lehrenden ergänzt. Das Ziel besteht sowohl in der inhaltlichen Arbeit und internationalen wissenschaftlichen Qualifizierung der Studierenden als auch in der Etablierung einer langfristigen Kooperation der beteiligten Institutionen im Bereich Game Studies.

Das Projekt untersucht exemplarisch Repräsentationen von Musik in Brettspielen, die Kulturalität von Musik im digitalen Spiel und ludomusikalische Fan-Kulturen. Hierbei werden nationale Spezifika und globale Vernetzungen im Hinblick auf Musikbegriffe und -praxen sowie deren soziale und kulturelle Verankerungen untersucht. Dies basiert auf den bisherigen Arbeiten beider Institutionen. Das Ritsumeikan Center for Game Studies ist eine weltweit führende Einrichtung der Ludologie und untersucht seit Jahren ein breites Spektrum an Themen im digitalen und analogen Spiel. Auch an der HMT besteht Interesse an der Rolle der Musik im Spiel, was sich in Forschung und Lehre, der Brettspiel-Sammlung der Hochschulbibliothek und dem DFG-Projekt „Kulturen der Heimcomputermusik“ manifestiert. Perspektivisch soll das Austauschprogramm diese Arbeiten bündeln und in ein Nachfolgeprojekt zu „Game Music Data“ münden.

Der erste Teil des Projekts (Johannes Tunger (Leipzig), Siyu Yang (Kyoto)) untersucht Aspekte des Musikbegriffs der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart im Spiegel des analogen Spiels. Das Spiel wird als kulturelles Artefakt verstanden, das unter anderem Aufschluss über die ihm eingeschriebenen kulturellen Voraussetzungen gibt. So kann reflektiert werden, wie das Konzept der Musik in Europa den bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weithin unangefochten üblichen Fokus auf der „westlichen klassischen Tradition“ graduell erweitert hat.

Teilprojekt 2 (Kiyone Hirata (Kyoto), Svenja Rademacher (Leipzig)) befasst sich mit der Musik im digitalen Spiel. Hierfür wird exemplarisch die Musik zu Spielereihen von Nintendo nach Serienkonzeption und kultureller Verortung untersucht, vor allem zu „Super Mario“, „The Legend of Zelda“ und „Pokémon“.
Das dritte Teilprojekt untersucht die Vernetzung von Spielemusik (Emyd Espinoza (Leipzig), Kazuki Takahata (Kyoto)). Der kreative Umgang mit ihr umfasst Aktivitäten von Musikaufführungen auf YouTube bis zu Spielemusikkonzerten im Leipziger Gewandhaus. Dies schließt auch den Einsatz von Geräten wie Atari- und Nintendo-Konsolen als Musikinstrumente ein, der im Chiptune-Genre zu einer neuen globalen Musikkultur geführt hat. In Japan gibt es zudem Verflechtungen der Games- mit den Anime- und Idol-Fankulturen sowie den Karaoke-Musikpraxen. Zugleich wird die Schnittstelle von der interaktiven Spielemusik zu aleatorischer und nonlinearer Musik des 20. und 21. Jahrhunderts in den Blick genommen.

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