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Rechtschreibreform immer noch umstritten

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Den Rotstift im Ansatz - Ruf nach neuer Rechtschreibreform wird lauter - Westerwelle erklärt Regelwerk für gescheitert und fordert die "Entmachtung" der Kultusministerkonferenz.

Berlin (ddp). Die Rechtschreibreform sorgt auch drei Jahre nach ihrer Einführung für Zündstoff. FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte das neue Regelwerk am Donnerstag für gescheitert und forderte die "Entmachtung" der Kultusministerkonferenz. Der Verband Deutscher Schriftsteller (VS) mahnte eine neue radikale Reform an. Nach jahrelangem Gerangel müsse jetzt ein klares Konzept her, sagte der Verbandsvorsitzende Fred Breinersdorfer. Auch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ist für eine "vernünftige Reform der Reform". Der Deutsche Lehrerverband appellierte an die Kultusminister, so schnell wie möglich über die endgültigen Rechtschreibregeln zu entscheiden. "Lehrer, Schüler und Eltern wollen wissen, wo es lang geht", betonte Präsident Josef Kraus.

In Berlin sollte am Donnerstag auf der Kultusministerkonferenz ein neuer Zwischenbericht der "Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung" diskutiert werden. Die Kommission hatte die Einführung der Rechtschreibreform 1998 inhaltlich zu verantworten. Nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" räumen selbst die Väter der neuen Schreibregeln in dem Papier ein, dass die Reform in der Schriftsprache noch nicht verankert sei. Zugleich stelle die Kommission Korrekturen der Reform in Aussicht.

Westerwelle sagte: "Wenn es je eines Beweises bedurft hätte, dass in der deutschen Bildungspolitik die Prioritäten falsch gesetzt sind, dann ist er mit der deutschen Rechtschreibreform erbracht." Eine Kultusministerkonferenz, die die Frage, ob man Schifffahrt mit zwei oder drei "f" schreibe, für wichtiger halte als die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls, gehöre entmachtet.

Breinersdorfer forderte, die neue Reform müsse mutig sein und "alle Tabus" regeln. Der Zwischenbericht treffe auch seine persönliche Stimmung und Beobachtung. Er gehe nicht gerne mit der neuen Rechtschreibung um und sehe dies auch bei andern Autoren, Journalisten oder Lehrern. "Jeder schimpft", betonte er.

Nach Ansicht des Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meier, wäre "die beste Lösung", die neue Rechtschreibung einfach abzuschaffen. Dies allerdings sei kaum möglich. Die "zweitbeste Lösung" sei darum die Reform der Reform. Die Akademie habe dazu einen Kompromissvorschlag erarbeitet.

Lehrerverbands-Präsident Kraus betonte, die Kultusministerkonferenz solle nicht bis zum Ende der Übergangszeit bis Ende Juli 2005 warten, sondern auf Grund der bereits vorliegenden Berichte der Kommission über mögliche Korrekturen entscheiden. Die Schulen bräuchten Sicherheit. Änderungen der Reform würden die Schüler seinen Worten zufolge zwar zunächst erneut verunsichern. Mit Blick auf die "sprachliche Exaktheit" wären sie aber gerade im Bereich der Zusammen- und Getrennt- sowie der Groß- und Kleinschreibung sinnvoll. Die Schüler würden sich relativ schnell wieder umgewöhnen.

Dagegen plädierte die Vorsitzende des Bundeselternrats, Renate Hendricks, für die Beibehaltung der neuen Schreibweise. Die junge Generation dürfe "nicht in die Situation kommen, wieder umlernen zu müssen".

Marina Antonioni

(Quellen: Westerwelle in der "Welt" (Donnerstagausgabe); Kraus und
Breinersdorfer in ddp-Interviews; Meier und Hendricks in der "Welt")