Wichtig für die Arbeit mit Stimme und Körper sei immer auch der „Spaktor Faß“ erklärte Michael Heptner den Teilnehmenden des 11. Berliner Symposiums „Junge Stimmen“ am Morgen des zweiten Tages in seinem Kurzvortrag und entschlüsselte kurz darauf seinen Schüttelreim als „Faktor Spaß“.

„Junge Stimmen“ in Aktion: der Staats- und Domchor Berlin. Foto: Urban Ruths
Aha-Erlebnisse und Wiedererkennungseffekte
Spaß und Freude am gemeinsamen Tun und Erleben war vom 11. bis 13. April in den Räumen der Universität der Künste (UdK) Berlin omnipräsent, wo sich Schulmusiker:innen, Chorleitende, Stimmbildner:innen und einige andere Professionen versammelten, die beruflich mit der Kinder- und Jugendstimme zu tun haben, um sich zum Schwerpunktthema „resonanz.körper.stimme“ auszutauschen und fortzubilden.
Geladen hatten hierzu die UdK Berlin, der Staats- und Domchor Berlin und die Sing-Akademie zu Berlin, die bereits am ersten Tag in Form von Hospitationen Einblicke in ihre Arbeit gewährten. Charmant durchs Programm führte an allen drei Tagen Gastgeberin Gudrun Luise Gierszal, die außerdem gemeinsam mit der Osteopathin und Trauma-Therapeutin Franziska Bankwitz einen Workshop zur Balance von Stimme und Nervensystem gestaltete. Um die Arbeit zu intensivieren und auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden zuschneiden zu können, wurden im Verlauf des Samstags vier verschiedene Workshops angeboten und insgesamt dreimal abgehalten. So konnte man sich bereits im Vorfeld einen individuellen Stundenplan zusammenstellen, musste aber eines der attraktiven Workshop-Angebote aussortieren, was vielen schwer gefallen sein dürfte. Strich man lieber den Tanzschwerpunkt bei Jan Burkhardt, dem Professor für zeitgenössische Tanzpraxis an der HfMT Köln? Ließ man sich praktische Körper- und Stimmübungen für den Alltag und Hintergrundinformationen zu neuronalen und muskulären Verknüpfungen entgehen, die es in den Workshops von Heptner, Gierszal und Bankwitz gab? Oder verzichtete man auf neue Ideen und „Impulse“ (im doppelten Wortsinn) von Amy Bebbington? Die britische Chorleiterin und Vokalpädagogin sprach zwar nur Englisch, kommunizierte aber so unmissverständlich mit ihrem Körper, dass sich „die Kraft kinästhetischer Gesten im Dirigieren“ (ihr Workshop-Thema) auch den Teilnehmenden mit weniger Englischkenntnissen sofort vermittelte und alles direkt praktisch mit musikalischen Beispielen umgesetzt werden konnte. Der lang anhaltende Applaus nach ihren Workshops und auch das große Interesse an ihrem Vertiefungsworkshop am letzten Tagungstag unterstrichen dies.
Für einen der vier von den Workshopleitenden angebotenen Vertiefungsworkshops am Sonntag entschied man sich am Samstagabend, nachdem man alle anwesenden Expert:innen in Aktion erleben konnte. Die Möglichkeit hierfür boten neben den Workshops außerdem kurze Impulsvorträge und die Thementische beim Format „World-Café“, welches die These aufgreift, dass die besten Ideen und Gespräche in gemütlicher, ungezwungener Atmosphäre, bei einer Tasse Kaffee entstehen. Stimmlichen, dirigentischen, pädagogischen und methodischen Fragestellungen aus dem beruflichen Alltag mit Kindern gingen die Teilnehmenden mit den Expert:innen hier nach, wobei der Schwerpunkt aller Thementische die Körperwahrnehmung von Kindern, Jugendlichen und ihren Chorleiter:innen war: Brummende Kinder, Bewegungskompetenz stärken, inspirierend dirigieren, kreativ proben, Stress abbauen.
Raum für fachlichen Austausch und anregende Gespräche gab es auch in den kurzen Pausen zwischen den Programmpunkten und im Abendprogramm. Beispielsweise gleich am ersten Abend beim „Get Together“ nach einem Kurzkonzert mit dem Titel „Change“, welches Sängerinnen des Mädchenchors III der Sing-Akademie zu Berlin unter der Leitung von Kelley Sundin-Donig präsentierten. Die Chorleiterin wirkte auch beim zweiten in das Symposium integrierten Konzert mit und dirigierte im Wechsel mit Gudrun Gierszal den Kapellchor des Staats- und Domchores und eine Combo aus Violine, Saxophon, Akkordeon und Cello. Diese außergewöhnliche Zusammenstellung der Instrumente war sicherlich auch durch den Titel „Stadt der Vögel“ begründet, unter dem Musikstücke und Texte aus zahlreichen Epochen und Genres mit Bezug zu Vögeln vereint wurden. Auf höchstem musikalischem Niveau dargeboten wäre dies allein schon ein besonderer Konzertgenuss für alle Anwesenden gewesen. Gemeinsam mit Professor Jan Burkhardt war aber im Vorfeld das gesamte Konzert choreographiert worden, wozu immer wieder in Workshops, Vorträgen und Gesprächen ein Bezug hergestellt wurde und bei den Teilnehmenden zu Aha-Erlebnissen und dem einen oder anderen Wiedererkennungseffekt führte.
Auch die Vorstellung des Gemeinschaftsprojekts „RUBIK“ dreier Berliner Jugendchöre – dem Clara-Schumann-Kinder- und Jugendchor, dem Berliner Mädchenchor und dem Mädchenchor der Singakademie zu Berlin – am Samstagabend dürfte einige Teilnehmende inspiriert haben, in Zukunft die Zusammenarbeit mit Choreograph:innen weniger zu scheuen. Die Präsentation des Videomaterials und die Wortbeiträge der Chorleiterinnen sowie der Choreographin Anna Melnikova ermutigten genau dazu. Der Blick hinter die Kulissen machte deutlich, dass oft gerade unvorhersehbare Zwischenfälle (in diesem Fall die Erkrankung des ursprünglich eingeplanten Choreographen) zu besonderen Ergebnissen und Projekten führen, weil Zusammenarbeit anders gefragt ist und auch Leitungspersönlichkeiten ihre Komfortzonen verlassen und über sich hinauswachsen müssen.
Die „Ganzheitlichkeit“ des gesamten Symposiums und die enge Zusammenarbeit der Expert:innen im Vorfeld und am Wochenende lobten Teilnehmende wie Anleitende im Podium am letzten Tag gleichermaßen. Allgemeines Bedauern machte sich breit, dass eine Wiederauflage des Symposiums erst in zwei Jahren stattfinden soll (voraussichtlich vom 9. bis 11. April 2027), bevor man gemeinsam ein fulminantes Abschlusskonzert der Kurrende II des Staats- und Domchores unter der Leitung von Kai-Uwe Jirka genießen durfte.
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