In der Zeit zwischen Oktober 1999 und Februar 2000 fanden an der Bültmannshof-Schule (Grundschule) in Bielefeld fünf „Werkstatt-Konzerte“ statt. Diese wurden bestritten von kleinen Instrumentalformationen des Philharmonischen Orchesters der Stadt Bielefeld. Die Vorbereitung und Moderation lag in den Händen einer studentischen Arbeitsgruppe unter der Leitung von Heinz-Jürgen Bräuer, Professor an der Universität Bielefeld. In Absprache mit der Schulleitung und dem Kollegium der Schule war eine zweite Klasse mit 17 Kindern für dieses Projekt ausgewählt worden. Die live präsentierte Musik – Schwerpunkt war die Musik des 20. Jahrhunderts – wurde im weiterführenden Unterricht mittels Tonträger vertieft. Die Kinder bekamen auf ihren Wunsch im Anschluss an das Projekt die vorgestellte Musik auf CD oder MC. Im begleitenden Seminar an der Universität wurden die Ergebnisse der einzelnen „Konzerte“ ausgewertet, die anstehenden vorbereitet und grundsätzliche (rezeptions-)didaktische Fragestellungen bearbeitet.
In der Zeit zwischen Oktober 1999 und Februar 2000 fanden an der Bültmannshof-Schule (Grundschule) in Bielefeld fünf „Werkstatt-Konzerte“ statt. Diese wurden bestritten von kleinen Instrumentalformationen des Philharmonischen Orchesters der Stadt Bielefeld. Die Vorbereitung und Moderation lag in den Händen einer studentischen Arbeitsgruppe unter der Leitung von Heinz-Jürgen Bräuer, Professor an der Universität Bielefeld. In Absprache mit der Schulleitung und dem Kollegium der Schule war eine zweite Klasse mit 17 Kindern für dieses Projekt ausgewählt worden. Die live präsentierte Musik – Schwerpunkt war die Musik des 20. Jahrhunderts – wurde im weiterführenden Unterricht mittels Tonträger vertieft. Die Kinder bekamen auf ihren Wunsch im Anschluss an das Projekt die vorgestellte Musik auf CD oder MC. Im begleitenden Seminar an der Universität wurden die Ergebnisse der einzelnen „Konzerte“ ausgewertet, die anstehenden vorbereitet und grundsätzliche (rezeptions-)didaktische Fragestellungen bearbeitet.Was unterscheidet nun das Bielefelder Projekt von anderen Formen von Konzerten für Kinder? Zum einen sind Aufführungsort und Lernort der Kinder identisch und das Zeitbudget der Kinder, auch von Lehrern und Eltern, wird nicht weiter belastet (Stichwort: Verplante Kindheit). Die insbesondere bei Familienkonzerten zu beobachtende soziale und interessengeleitete Zusammensetzung der Besucher wird vermieden: Die Musik kommt in die Schule und (be-)trifft alle Kinder (einer Klasse). Schließlich steht der in der Regel einmaligen Aufführung im Rahmen eines Kinder-Familienkonzerts eine Kontinuität der Darbietungen gegenüber, die den Aufbau intensiver Erfahrungen verbunden mit fachlichem Lernzuwachs ermöglicht.Anliegen des Projektes
Zunächst und vorrangig ging es darum, Kindern Musik zu präsentieren, die ihnen erwartungsgemäß eher fremd ist. Dabei sollte die Fremdheit dieser Musik überspielt werden durch die Unmittelbarkeit der Darbietung unter Ausnutzung aller Möglichkeiten der Live-Performance, das heißt die Musikausübung wurde eingebettet in einen sozialen Kontext. Im engen Kontakt zwischen Kindern und Musikern unter Anleitung des Projektleiters sollten die Kinder einen direkten, authentischen Einblick in den Herstellungsprozess von Musik bekommen.
Misst man den Erfolg dieser Bemühungen an den Reaktionen der Schülerinnen und Schüler, dann lässt sich mit aller gebotenen Zurückhaltung feststellen, dass die Ungewohnheit, ja Fremdheit der dargebotenen Musik zu keinen Missfallenskundgebungen Anlass gegeben hat. Zwei Erklärungen lassen sich dafür heranziehen: Zum einen die Möglichkeit der Kommunikation zwischen den Kindern und den leibhaftig anwesenden Musikern, zum anderen das Angebot vielfältiger Umgangsweisen mit Musik. Nachfolgend sollen weitere Zielsetzungen aus drei unterschiedlichen Perspektiven skizziert werden.
Institution Schule
Im Zuge einer Neubewertung des Auftrags der Schule (Stichwort „Haus des Lernens“) hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ein Programm aufgelegt, das die Schulen auffordert, ein individuelles Profil in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern/Institutionen zu entwickeln (GÖS-Programm vom 20.3.1996). Unter der Perspektive der Beziehung zwischen Musikpädagogik und Musikleben – wobei bis in die jüngste Zeit eher von einer Nicht-Beziehung zu reden wäre, insbesondere was die musikpädagogische Arbeit in der Grundschule betrifft – zeichnen sich Tendenzen ab, die in das Konzept einer Öffnung von Schule, aber auch einer Öffnung gesellschaftlicher, in diesem Fall kultureller Institutionen passen.
Das Projekt wollte einen „Treffpunkt“ schaffen, an dem sich Musik, Musiker und Hörer begegnen können. Dazu „kommt die Musik in die Schule“. Diese Begegnung hat dann, so ist zu hoffen, Auswirkungen auf das musikkulturelle Handeln der heranwachsenden Kinder, zum Beispiel indem diese ein Instrument lernen oder am öffentlichen Musikleben teilnehmen.
Es ist in der Zwischenzeit eine Binsenwahrheit, dass der Musikunterricht an den Grundschulen trotz (oder wegen?) der „Schönwetterreden“ an einem hohen Mangel an Fachkräften leidet. Über die vielfältigen Ursachen dieses Zustandes soll hier nicht räsoniert werden. Auf jeden Fall bleibt festzuhalten, dass der Auftrag der Grundschule, eine grundlegende Bildung zu vermitteln, im Bereich der Musik nicht eingelöst wird. Zu überlegen wird sein, ob im Rahmen einer Fortsetzung und Erweiterung des Projektes die Schule als Anlaufstelle für Lehrer/-innen-Fortbildung eingerichtet werden könnte.
Fachdidaktik
Ergänzend zu den einleitenden Anmerkungen seien nachfolgend zwei weitere für die Arbeit wichtige didaktische Gesichtspunkte genannt. Das Projekt möchte erstens Konsequenzen aus der (musik-)psychologischen Erkenntnis ziehen, dass Kinder – im Übrigen auch Erwachsene – mehr verstehen, als sie praktisch ausführen können. Auf die Musik und den Umgang mit ihr bezogen: Der Zugang zur Musik, ihrer Botschaft und Ausdrucksmächtigkeit ist nicht an das in der Regel geringe Niveau reproduzierender Fähigkeiten gebunden.
Zweitens kann live vermittelte Musik Motivation und Effizienz des Musikunterrichts entscheidend erhöhen. Sie bietet die durch nichts zu ersetzende Chance, Musik als „Mach-Werk“ wahrzunehmen, in das der kindliche Hörer fragend eingreifen und sich mit ihm handelnd (körperlich, bildlich, sprachlich) auseinander setzen kann. Zu den musikalischen beziehungsweise musikinspirierten Tätigkeiten im Projekt gehören etwa: bewegen, tanzen, Namen erfinden, Notationen der Musik zuordnen, singen oder Instrumente ausprobieren.
Die Darbietungsform der Live-Performance lebt von der Unmittelbarkeit durch die nur ihr mögliche Kommunikation zwischen Interpret und Hörer. Das normalerweise nur als unveränderbares, abgeschlossenes „Werk“ zu hörende Musikstück kann in seinem Entstehen verfolgt, zeitlich auseinander liegende Phasen können unmittelbar gegenübergestellt werden; Tempo, Dynamik, Ausdruck, Artikulation sind veränderbar und in ihren Wirkungen zu erleben: Live-Performance als interaktives Konzept!
Kulturinstitutionen
Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass der Musikkonsum der bundesrepublikanischen Bevölkerung nur zu etwa einem Prozent durch den Besuch von Live-Konzerten befriedigt wird. Die öffentlich subventionierten Orchester tun gut daran, sich verstärkt darauf einzustellen, dass die Kinder von heute das Publikum von morgen sind. Das bedeutet, sich dieser Hörerschichten anzunehmen und dazu neue Hörorte („Treffpunkte“) zu schaffen.
Projektbewertung
Wie wurde das Projekt aus der Sicht der unmittelbar und mittelbar Beteiligten gesehen und bewertet? Aus den Ergebnissen der wissenschaftlichen Auswertung durch Dr. Palentien (Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld) seien folgende genannt:
Was die Auswirkung des Projekts auf die Motivation, ein Instrument zu erlernen, betrifft, äußerten von zwölf Kindern, die kein Instrument spielen, sieben Kinder den Wunsch, ein Instrument zu erlernen. Aus einer Skala von Umgangsweisen beziehungsweise Tätigkeiten im Prozess der Musikaneignung ergaben sich folgende Bewertungen: Bevorzugt wurden von den vorgegebenen Tätigkeiten (gestuft nach „liebster, zweitliebster und drittliebster Tätigkeit“): „Stillsitzen und hören“, „bewegen“, „singen“ und „Instrument ausprobieren“. Überraschend war, dass „Stillsitzen und hören“ bei „liebster“ beziehungsweise „zweitliebster“ Tätigkeit ganz vorne stand. Alle Kinder wünschten eine Fortsetzung des Projekts.
Von der Wichtigkeit überzeugt, Kinder mit „klassischer Musik“ in Kontakt zu bringen, stand die Klassenlehrerin, gleichzeitig Konrektorin der Schule, als fachfremd unterrichtende Lehrkraft dem Projekt sehr aufgeschlossen gegenüber und „fing“ im Verlauf der Arbeit „richtig Feuer“. Sie arbeitete nach der Live-Präsentation an der Vermittlung der Musik mittels Tonträger weiter, ließ die Kinder Texte und Bilder anfertigen.
Im begleitenden Seminar an der Hochschule wurden grundsätzliche didaktische und rezeptionspsychologische Fragen in einer studentischen Arbeitsgruppe behandelt. Dies kam allerdings etwas zu kurz, weil die von den Musikern und Musikerinnen angebotenen Stücke in den Veranstaltungen analysiert und auf ihre didaktischen Vermittlungsqualitäten hin befragt wurden. Die von Prof. Bräuer und Studierenden moderierten Unterrichtsstunden wurden reflektiert. Die Ergebnisse dieser Reflexion flossen in die Planung des weiteren Unterrichts ein. Die Studierenden schätzten die enge Verzahnung von „Theorie“ und „Praxis“. Sie bekamen Anregungen für eine Übertragung dieses musikpädagogischen Modells.
In einem Vorgespräch wurden die beteiligten Mitglieder des Philharmonischen Orchesters über Intention und Konzeption des Projekts informiert. Der Problematik einer Bestimmung des musikalisch Kindgemäßen bewusst, hatten die Musiker/-innen freie Hand bei der Auswahl der Stücke. Musik des 20. Jahrhunderts sollte aber auf jeden Fall angemessen vertreten sein.
Das Programm umfasste folgende Werke und Besetzungen: Jiri Dvoraceks „Miniature IV“, Johannes Brahms’ Choral „Es ist das Heil uns kommen her“ in einem Arrangement von L. Waldeck und ein Scherzo von John Cheetham (Blechbläserquintett); die Sonate für Horn und Harfe op. 94 von Jan Koetsier (1. und 2. Satz); das Quartett für vier Violinen von Grazyna Bacewicz (1. Satz) sowie Charles Danclas Variationen über „Mein Hut, der hat drei Ecken“ für dieselbe Besetzung; Antonin Dvoráks Streichquartett F-Dur, op. 96, (2. Satz) und Joseph Haydns Streichquartett op. 33, Nr. 3 (4. Satz); Sechs Bagatellen für Bläserquintett von György Ligeti (Nr. 1 und 3).
Aus einer informellen Umfrage ergaben sich unter anderem folgende Ergebnisse: Die beteiligten Musiker/-innen stimmten überwiegend dem Konzept der Werkstattkonzerte zu, äußerten allerdings Bedenken gegenüber der Auswahl der Musik. Eine Moderation hielten sie für notwendig.
Dem Wunsch der Projektleitung entsprechend wurde die Live-Darbietung nur in einer Klasse durchgeführt (Vermeidung einer distanzierenden „Konzert-Atmosphäre“, intensive Ansprache und Beteiligung aller Kinder), obwohl die Schulleitung die Bevorzugung einer Klasse einer mehrzügigen Jahrgangsstufe mit den möglichen Folgen von Einsprüchen seitens des Kollegiums und der Eltern zu bedenken gab. Es wurde vereinbart, bei der geplanten Fortsetzung der Arbeit alle Klassen einer Jahrgangsstufe einzubeziehen.
Als flankierende Maßnahme wurde gegen Ende des Projekts ein Elternabend veranstaltet, bei dem die Klassenpflegschaft grundsätzlich informiert, ein Video-Ausschnitt aus einer Unterrichtsstunde vorgestellt und im Unterricht präsentierte Musik zu Gehör gebracht wurde. Die anwesenden Eltern reagierten positiv. Eine Bücherausstellung in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Buchhandlung bot Gelegenheit, sich über Literatur für Kinder zu informieren und auch zu erwerben. Angeboten wurden illustrierte Sachbücher (zum Teil mit CD) zu Themen wie: Erlernen eines Instrumentes, Konzert-/Opernbesuch oder Komponistenporträts.
Der Verein der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld war dankenswerterweise dazu bereit, die Honorarkosten der Musiker/-innen zu übernehmen. Über seine weitere finanzielle Beteiligung ist derzeit noch nicht entschieden.
Die Intendantin und der Generalmusikdirektor der Bielefelder Bühnen standen dem Projekt wohlwollend gegenüber, sahen aber keine Möglichkeit, es finanziell mitzutragen oder diese Arbeit gar im Rahmen der Dienste des Orchesters durchführen zu lassen (asymmetrisches Verhältnis von Kosten und kleiner Zielgruppe). Ein öffentlich subventioniertes Orchester, das auf der Suche nach neuen Hörerschichten und Spielorten ist, sollte nicht aus dem Auge verlieren, dass Kinder und Jugendliche das Konzertpublikum von morgen sind. Dem stimmten auch nach der schon erwähnten informellen Umfrage die beteiligten Musiker/-innen zu.
Das Projekt, für das in der Zwischenzeit mit der Firma Miele (Gütersloh) und dem Unternehmerverband der Metallindustrie Bielefeld weitere Sponsoren gefunden werden konnten, soll im Wintersemester 2000/2001 weitergeführt und in zwei Richtungen erweitert werden:
- Quantitative Erweiterung: Nicht nur eine Klasse, sondern alle Klassen einer Jahrgangsstufe sollen von dem Live-Musik-Angebot profitieren.
- Qualitative Erweiterung: Das Spektrum der dargebotenen Musik soll ausgedehnt werden. Es wird versucht, aus der örtlichen „Musikszene“ professionelle beziehungsweise semiprofessionelle Ensembles zu gewinnen, die neben dem „klassischen“ Angebot Musik anderer Kulturen und Völker ins Spiel bringen sollen (Irish Folk Music, türkische Musik, Jazz). Damit soll über die Musik ein Beitrag zur interkulturellen Erziehung geleistet werden.
Kontakt: Universität Bielefeld, Lernbereich Kunst/Musik, Postfach
10 01 31, 33501 Bielefeld, E-Mail: hjbraeuer [at] tgkm.uni-bielefeld.de (hjbraeuer[at]tgkm[dot]uni-bielefeld[dot]de)