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Künstlerische Performance beim AEMP-Symposium. Foto: Andrea Betz. Eine Videodokumentation zum Kongress ist demnächst unter www.nmzmedia.de zu sehen
Künstlerische Performance beim AEMP-Symposium. Foto: Andrea Betz. Eine Videodokumentation zum Kongress ist demnächst unter www.nmzmedia.de zu sehen
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Wo fängt die Kunst in der EMP an?

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Nachklänge vom Symposion zur Elementaren Musikpädagogik an der Landesakademie Ochsenhausen
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Ochsenhausen. 340 bewegte, musizierende und kreative Besucherinnen und Besucher und eine Frage: Wie steht es um die Kunst (in) der EMP? Lehrkräfte, Studierende, Interessierte und Hochschullehrende aus dem deutschsprachigen Raum kamen zusammen, um über diese Frage fachspezifisch nachzudenken und zu diskutieren. Neben den Gästen aus Deutschland folgten auch Lehrende und Studierende aus der Schweiz sowie Vertreterinnen der österreichischen EMP-A der Einladung des „Arbeitskreises Elementare Musikpädagogik“ (AEMP) in Kooperation mit der Landesakademie Ochsenhausen zum 5. AEMP-Symposion. Die Veranstaltung wurde durch die professionelle Organisation des Sprecherinnen- und Sprecherteams sowie des Teams um Akademiedirektor Klaus Weigele getragen.

Wann wurde jemals in der Kunst nicht über die Kunst philosophiert? Genau – nie. Dass sich die EMP längst nicht mehr „nur“ mit musikalischer Bildung im frühkindlichen Alter auseinandersetzt, hat sich als Bild etabliert. Das im hochschulischen Kontext noch junge Fach widmet sich neben der Pädagogik auch der Kunst, vor allem der Verbindung vieler Künste miteinander.

Die Auseinandersetzung mit Kunst und künstlerischem Ausdruck ist kein Neuland für die EMP. Sie ist tägliches Handwerk und Selbstverständnis in der pädagogischen Praxis und bedeutender Schwerpunkt in den künstlerisch-pädagogischen Studienrichtungen. Da sind Musik, Lyrik/Sprache, Bewegung/Tanz, die bildenden Künste und da ist nicht zuletzt der Mensch, der diese Künste zum Ausdruck bringt, wahrnimmt, sich zu eigen macht und in der EMP eben auch miteinander verbindet.

Auf der Bühne steht eine präparierte Kinderbadewanne. Elias Betz und Rainer Kotzian treten mit Eimern in den Händen auf und beginnen, Wasser in die Wanne zu gießen. Der Wanne werden mit Fingern und Schlägeln Klänge entlockt. Erste Loops entwickeln sich, die immer dichter geschichtet mit Effektgeräten modifiziert werden. Schließlich werden Gongs klangvoll ins Wasser getaucht, bis am Ende ein Bassteppich übrig bleibt.

Auftakt-Fragen

Der Auftakt des Sprecherteams des AEMP war ein überaus gelungener Start und eine erste Grundlage für die weitere Auseinandersetzung. „Warum ist die Frage nach (der) Kunst (in) der EMP so aktuell?“ Immer mehr Fragen werden aufgeworfen: „Wo fängt die Kunst in der EMP nun an, wo hört sie auf?“ Claudia Meyer und Barbara Stiller verfolgen in ihrem Auftakt-Vortrag zum einen das Anliegen, die Kunst (in) der EMP näher zu definieren und bemerken gleichzeitig, dass sich eine mögliche Definition puzzleteilartig aus mehreren Elementen zusammensetzt.

Die beiden Rednerinnen knüpfen an Joseph Beuys’ Badewanne aus den 1960er Jahren an, die eine gesellschaftliche Diskussion auslöste: „Ist das Kunst oder kann das weg?“. Wie bei der Kontroverse um Beuys‘ Badewanne in der Eröffnungsperformance, gilt auch für die EMP die Fragestellung, ob etwas als Kunst definiert werden kann, was nicht von allen Personen als solche anerkannt wird. Hier schwingt auch die Rolle der EMP im bildungspolitischen Kontext mit. Neben der zentralen Frage „Was ist Kunst“ und der Rolle der Kunst und der Künste in der EMP, ist die Eröffnungsperformance als gelungenes Beispiel der doppelten Fragestellung zu verstehen, wenn ein Objekt durch die Anspielung auf ein kontrovers diskutiertes Kunstwerk als solches als musikalisches Performancematerial künstlerisch lebendig wird:

Die Kunst in der EMP, als erste Erklärung des Symposiontitels, deutet nicht nur auf eine, sondern mehrere künstlerische Aktionsbereiche in der Fachrichtung EMP hin. Die Besonderheit entsteht durch unterschiedliche Ausdrucksformen, die miteinander in Beziehung treten. Die EMP verlangt eine komplexe Expertise der Künstlerin und des Künstlers, beziehungsweise der Pädagogin und des Pädagogen jenseits einer messbaren Meisterschaft.

Die Kunst der EMP, als zweite Lesart eines selbstbewusst formulierten Titels, betrifft hier die Kunst des Unterrichtens, die sowohl pädagogische Aspekte meint, als auch die Lehrperson als Künstler und Künstlerin in der Mitte eines prozesshaft angelegten Tätigkeitsfeldes. Gemeinsam mit der Gruppe etabliert sich ein Ringen um künstlerische Momente in jeder Unterrichtsstunde. So kann ein normaler Unterrichtsraum Bühne für künstlerische Tätigkeit sein, in dem individuelles Schöpfertum zutage treten kann.

Denkanstöße statt vordergründiger Antworten

Ob es sich um die Kunst der Wortzusammensetzung in Liedern, um einen Stuhl, der in Verbindung mit Rhythmus, Bewegung und Improvisation zum Kunstwerk selbst wird, handelt, oder um künstlerische Prozesse in Unterrichts- und Alltagssituationen – die Inhalte der Workshops und Vorträge der Referierenden des AEMP beabsichtigten in jedem Falle nicht vordergründige Antworten auf die brennenden Fragen, sondern Denkanstöße für weitere Überlegungen. Die Workshops, durchwegs von Praxisbeispielen ausgehend, versuchten künstlerische Fährten aufzuspüren. Die Referentinnen und Referenten haben durch ihre gewählten Inhalte viele befruchtende Diskussionen angestoßen. Intermezzi, gelungene Unterbrechungen des dichten Programmes, inszenierte die Formation „BodyLab“, allesamt Studierende der Universität Potsdam, durch die Verbindung von Bodymusic, Stimme und Tanz.

Michael Dartsch rückte in seinem Vortrag „Die Kunst, Kunst zu unterrichten“ am letzten Tag des Symposions den Kunstbegriff und die Unterrichtskunst erneut in den Fokus. Er entwarf Konsequenzen für den Unterricht und stellte den Schlüsselbegriff Spiel in den Mittelpunkt. Er erläuterte hier, dass der Unterricht selbst einen künstlerischen Prozess darstelle, der als Spiel verstanden und gestaltet bis zur künstlerischen Tätigkeit emporwachsen könne. Er erklärt: „Unterricht in Kunst kann dann als Meta-Kunst begriffen werden.“

Dass Kunst in der EMP ein großer und wichtiger Teilbestand ist, haben die EMP-Studierenden mit ihren eigenen künstlerischen Beiträgen in den Abendgestaltungen bewiesen. Die kreative und fächerübergreifende Auseinandersetzung mit einem ausgewählten Thema brachte einmal mehr den künstlerischen Facettenreichtum der EMP zum Vorschein.

Die ausgewählten Themen und vor allem ihre künstlerische Umsetzung und ihr Ausdruck haben die beiden Abende zu einem schatzreichen und inspirierenden Teilbestand des Symposions werden lassen. Die Darbietungen waren vom Selbstverständnis des künstlerischen Produktes durch die Akteurinnen und Akteure gekennzeichnet. Es spannte sich ein bunter Bogen aus Performances, Musik- und Tanzstudien, die unterschiedliche Künste und Medien nutzten, da und dort auch auf Publikumsbeteiligung setzten und nicht zuletzt auch eine gesunde Prise Humor und Selbstironie beisteuerten.

Als krönenden und beeindruckenden Abschluss beider Abende ließen uns der Künstler und Komponist Moritz Eggert und das „Unquiet Thoughts“ Kollektiv aus Freiburg an ihrer Vorstellung von Kunst in der Musik teilhaben. Mit diesen inspirierenden und starken Darstellungen wurden sodann die Gäste in einen launigen Abend entlassen.

Andrea Sangiorgio stellte die Forschung – neben Kunst und Pädagogik die dritte Säule der EMP – in den Mittelpunkt. Gemeinsam mit Anne Steinbach hat er Forschungsprojekte und Ergebnisse zusammengetragen, die in Schlaglichtern präsentiert wurden. Sangiorgio definierte hier Forschung als „Zwilling der pädagogischen Reflexion“. Wie in der Forschungspraxis üblich, gesellte sich am Ende gleichsam als Beginn für weitere Auseinandersetzung ein Reigen an Fragen und bekräftigt am Ende seines Vortrages den Wunsch nach mehr Forschungsdiskurs, mehr EMP-Promotionsstudien und einer englisch- und deutschsprachigen Zeitschrift, dem „Journal of Research in Elemental Music and Movement Education“.

Fragt man die EMP-Studierenden aus Hannover, so war dieses Symposion mit den besuchten Workshops, den Dozentinnen und Dozenten und dem gesamten organisatorischen Rahmen eine besonders intensive und inspirierende Zeit. Aus dem Austausch und den vielen Diskussionen haben sich eine Menge weiterer Fragen ergeben, die künstlerisch, theoretisch, wissenschaftlich und praktisch diskutiert werden sollten.

Die Frage nach den eigenen Gedanken und der Bedeutung der Kunst in der EMP nach diesem Symposion hat vielseitige Aussagen ergeben, von denen eine Auswahl hier in gewisser Art und Weise einen Abschluss darstellt:

  • „sich in jedem Moment nicht (nur) als Lehrer, sondern auch als Künstler wahrzunehmen und so zu handeln.“
  • „Kunst ist (mindestens) genauso vielschichtig wie das Fach EMP an sich.“
  • „Alles, was man tut, kann Kunst werden.“
  • „Muss ich jetzt montags von 8 bis 12 Uhr Kunst unterrichten?“
  • „Das Wochenende hat mir bewusst gemacht, wie wichtig und vielseitig die Arbeit der EMP ist. Die EMP hat mehr Ansehen verdient. Wir sollten die Chance haben, in der Öffentlichkeit präsenter zu sein, auch künstlerisch.“

Der Wunsch für die Zukunft, genug Raum zu haben, um selbst als Künstlerin und Künstler aktiv zu sein, ist wohl in vielen Studierenden weiter gewachsen. Genauso auch das Netzwerk der EMP, wie der Aussage einer Studentin entnehmbar ist: Die „Bücher/Artikel/Hefte in meinem Schrank bekommen ein Gesicht.“

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